# taz.de -- Menschenrechte von Migrant:innen: Helfer:innen kriminalisiert
       
       > Ein UN-Bericht bestätigt: In Griechenland werden
       > Migrantenhelfer:innen systematisch bedroht. Seit 2020 setzt Athen
       > auf illegale Pushbacks.
       
 (IMG) Bild: Ein Hubschrauber der griechischen Küstenwache fliegt über die Ägäis in der Nähe der Insel Lesbos
       
       BERLIN taz | Wer sich in Griechenland für die Menschenrechte von
       Migrant:innen einsetzt, wird von den Behörden bedroht und angegriffen –
       das ist das Fazit eines neuen Berichts der UN-Sonderberichterstatterin für
       Menschenrechtsverteidiger, [1][Mary Lawlor].
       
       Lawlor hatte ihre Recherchen in der vergangenen Woche dem
       UN-Menschenrechtsrat präsentiert. „Menschenrechtsanwälte, humanitäre
       Helfer, Freiwillige und Journalisten, die im Bereich der Migration tätig
       sind, sind in schockierendem Ausmaß Verleumdungskampagnen, einem sich
       verändernden rechtlichen Umfeld, Drohungen und Angriffen sowie dem
       Missbrauch des Strafrechts gegen sie ausgesetzt“, heißt es in dem Bericht.
       
       Hintergrund ist, dass die konservative griechische Regierung seit etwa 2020
       offen auf massenhafte, [2][illegale Pushbacks von Ankommenden in der Ägäis
       und am Grenzfluss Evros setzt]. Kritik daran versuche die Regierungen mit
       Angriffen auf die Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen, so Lawlor.
       
       ## Migrantenhelfer:innen landen vermehrt vor Gericht
       
       Seit Jahren verzeichnen zivilgesellschaftliche Gruppen immer neue Anklagen
       gegen Geflüchtete wegen angeblicher Schlepperei. Zuletzt nahmen auch die
       Verfahren gegen Helfer:innen zu. Im Januar 2023 gab es einen ersten
       Prozesstermin gegen 24 humanitäre Helfer:innen um den Deutsch-Iren Sean
       Binder und die Syrerin Sarah Mardini auf Lesbos.
       
       Kurz danach erregte das Verfahren gegen vier
       Migrantenrechtsaktivist:innen um den Griechen Panayote Dimitras und
       den Norweger Tommy Olsen Aufsehen. Sie wurden auf der Insel Kos angeklagt,
       weil sie eine „kriminelle Organisation“ gegründet hätten, um „die Einreise
       und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen auf griechischem Gebiet zu
       erleichtern“.
       
       Tatsächlich hatten sie den Ankommenden beim Asylverfahren geholfen. Die
       UN-Berichterstatterin Lawlor hatte dies als „missbräuchliche Anwendung des
       griechischen Rechtsrahmens“ kritisiert. Was die Angeklagten im Rahmen ihrer
       Arbeit als Menschenrechtsverteidiger getan hätten, sei „ein nach
       europäischem und internationalem Recht garantiertes Recht“, so Lawlor.
       
       In einer Stellungnahme der Organisation Human Rights Watch heißt es, die
       griechische Regierung sollte „die Empfehlungen des UN-Experten unverzüglich
       umsetzen und unter anderem ausstehende Strafanzeigen und Ermittlungen gegen
       Rechtsverteidiger einstellen“.
       
       Die NGO Civicus, die die Entwicklung bürgerlicher Freiheiten weltweit
       dokumentiert, stufte die Lage für die Zivilgesellschaft Griechenland in der
       vergangenen Woche auf „beeinträchtigt“, die dritte von fünf Kategorien
       herab.
       
       Auch die EU-Kommission hatte im Juli 2022 festgestellt, dass der Spielraum
       für Gruppen, die mit Migranten und Asylbewerbern arbeiten, in Griechenland
       immer enger wird. In der kommenden Woche veranstaltet die
       Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin ein Symposium mit Vertretern der
       griechischen Zivilgesellschaft, die von einer „Orbanisierung“ Griechenlands
       sprechen.
       
       ## Die Pressefreiheit ist in Griechenland bedroht
       
       Lawlors Bericht verweist auch auf die Einschränkung der Medienfreiheit
       durch die griechischen Behörden, den fehlenden Medienpluralismus und den
       Skandal um [3][die Überwachung auch von Journalisten mit der
       „Predator“-Software]. „Nachrichten, die unbequem oder wenig schmeichelhaft
       für die Regierung sind, einschließlich Berichten über schwere
       Menschenrechtsverletzungen, werden in vielen Medien nicht ausreichend
       berücksichtigt“, so der Bericht. „Journalisten wurden auch mit
       Strafverfahren und strategischen Klagen gegen die Beteiligung der
       Öffentlichkeit konfrontiert, weil sie über Korruption und
       Umweltverschmutzung berichteten.“
       
       Im Bericht von [4][Reporter ohne Grenzen aus dem Jahr 2022] über den
       Pressefreiheitsindex fiel Griechenland innerhalb eines Jahres um 38
       Positionen auf Platz 108 von 180 Ländern und ist damit das am schlechtesten
       bewertete Land der Europäischen Union.
       
       20 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ohchr.org/en/special-procedures/sr-human-rights-defenders/ms-mary-lawlor
 (DIR) [2] /Seenotretter-ueber-Pushbacks-und-Hetze/!5873771
 (DIR) [3] /Abhoerskandal-in-Griechenland/!5874966
 (DIR) [4] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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