# taz.de -- Asylgipfel der EU-Innenminister:innen: Allein gegen die Abschottung
       
       > Die Grünen werden die europäische Asylpolitik kaum ändern können. Deshalb
       > aber die Regierung zu verlassen hieße, die Flüchtenden alleinzulassen.
       
 (IMG) Bild: Grünen-Minister:innen Baerbock und Habeck mit Kanzler Scholz im Kanzleramt im Mai 2023
       
       Die Grünen können einem fast schon leidtun. Kaum ist die Aufregung über
       Habecks Heizungsgesetz halbwegs abgeebbt, weil der Klimaschutzminister
       demütig zurückgerudert ist, da türmt sich schon das nächste Problem mit
       Potenzial zur Regierungskrise auf. Und diesmal wird es für die Grünen noch
       schwieriger, denn beim EU-Asyl-Gipfel am Donnerstag geht es nicht um
       technische Zukunftsfragen und Parteimanöver, die zumindest kurzfristig
       niemanden existenziell bedrohen, sondern um [1][Menschen in akuter Not, die
       auf Schlauchbooten versuchen, in Europa Schutz zu finden].
       
       Asylsuchenden zu helfen war immer ein grünes Herzensthema. Das macht der
       Appell von [2][mehr als 700 Mitgliedern] deutlich, die sich gegen die Pläne
       der EU wenden, die Aufnahme von Geflüchteten künftig mit dubiosen
       „Vorprüfungen“ an den EU-Außengrenzen einzuschränken. Wie das praktisch
       ablaufen soll, bleibt bisher nebulös. In Sammellagern? Inner- oder
       außerhalb der EU? Klar ist nur, dass alle Zeichen auf noch härtere
       Abschottung stehen. Und die politischen Ausgangsbedingungen für einen
       erfolgreichen Widerstand gegen diese Pläne sind denkbar schlecht.
       
       Bis auf ein paar Abgeordnete signalisiert kaum jemand aus der Ampel großen
       Heldenmut. Nicht nur Rechte, auch grüne und sozialdemokratische
       KommunalpolitikerInnen berichten von ihrer Überforderung bei der Aufnahme
       von Geflüchteten. Auch die grünen MinisterInnen drängen sich nicht gerade
       nach Selfies mit SyrerInnen wie Angela Merkel 2015. Die damals kurzzeitig
       demonstrativ humane Kanzlerin hatte es jedoch auch leichter als Olaf Scholz
       heute. 2015 gab es keinen Krieg in Europa mit unabsehbaren Folgen und
       Millionen europäischen Binnenflüchtlingen aus der Ukraine, keine
       Energiekrise und keine große rechte Oppositionspartei. Heute sitzt der
       Ampel nicht nur die Merz-CDU im Nacken, sondern auch eine erstarkte AfD mit
       jetzt schon 19 Prozent.
       
       Eine liberale Flüchtlingspolitik wäre trotzdem möglich, weil der eklatante
       Arbeitskräftemangel in Deutschland allen auffällt und die
       Aufnahmebereitschaft zumindest langfristig erhöhen müsste. Doch leider gibt
       es in der [3][EU kaum noch MitstreiterInnen] für eine offene Haltung und
       eine ausgewogene Verteilung der Geflüchteten auf die 27 Mitgliedsstaaten.
       Luxemburg, vielleicht. Skandinavien? Vorbei. Die Zahl der rechtsgerichteten
       Regierungen ist seit 2015 deutlich gestiegen.
       
       [4][Regieren zwingt oft zu bitteren Kompromissen]. Und zu Ehrlichkeit: Für
       unkontrollierte EU-Grenzen gibt es auch hier keine Mehrheit, weil ein
       Großteil der Geflüchteten so nach Deutschland kommt. Angesichts der
       Verweigerungshaltung der meisten europäischen PolitikerInnen müssen die
       Grünen nun wenigstens ernsthaft versuchen, punktuelle, aber wichtige
       Zugeständnisse zu erreichen, etwa eine bedingungslose Aufnahme von Kindern.
       Ja, schon eine Vertagung wäre bei diesem Asylgipfel ein Erfolg, weil
       menschenfreundliche Beschlüsse nicht in Sicht sind.
       
       Eine deutsche 15-Prozent-Partei wird die Grundrichtung der europäischen
       Asylpolitik kaum ändern können. Wer das nicht mehr aushält, müsste die
       Regierung verlassen. Damit ließe man die Menschen auf der Flucht aber erst
       recht allein.
       
       7 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Deutsche-Asylpolitik/!5938216
 (DIR) [2] /EU-Asylrecht-wird-verschaerft/!5939138
 (DIR) [3] /Reform-des-EU-Asylsystems/!5935627
 (DIR) [4] /Asylpolitik-der-Gruenen/!5935900
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lukas Wallraff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Asyl
 (DIR) Migration
 (DIR) EU-Außengrenzen
 (DIR) Mittelmeer
 (DIR) Subsidiärer Schutz
 (DIR) Grüne
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Kirchentag 2023
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Grüne
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Erdoğan, SPÖ und AfD: Von Federn und Verantwortung
       
       Diese Woche ist sehr viel Mist passiert, an dem jeweils niemand so recht
       Schuld sein wollte. Mindestens ein Hühnchen gibt es aber noch zu rupfen.
       
 (DIR) Evangelischer Kirchentag in Nürnberg: Trotz Krise ein Heimspiel für Habeck
       
       Auf dem Kirchentag diskutiert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit
       Aktivistin Carla Hinrichs. Beide haben Fans - aber auch Kritiker*innen.
       
 (DIR) Beratungen in Luxemburg: Harte Kritik an EU-Asyl-Plänen
       
       Am Donnerstag beraten die EU-Innenminister*innen über eine Verschärfung der
       Asylpolitik. Deutsche und Internationale Aktivist*innen schlagen Alarm.
       
 (DIR) EU-Asylrecht wird verschärft: Grüne Basis entsetzt
       
       Die Grünen wollen die geplante Reform des EU-Asylrechts mittragen. In einem
       Brief an ihre Spitze protestieren mehr als 700 Parteimitglieder dagegen.
       
 (DIR) Asylpolitik der Grünen: Bruch mit der eigenen Linie
       
       Vor der EU-Innenministerkonferenz rücken die Grünen von ihren eigenen
       Asylgrundsätzen ab. Offenbar tragen sie die weitere Abschottung Europas
       mit.
       
 (DIR) Reform des EU-Asylsystems: Die Grünen und ihre Grenzen
       
       Der Umgang mit Geflüchteten in der EU und die Neuausrichtung der
       Migrationspolitik drohen zur Zerreißprobe zu werden. Die Grünen stecken
       mittendrin.
       
 (DIR) Deutsche Asylpolitik: Mehr Abschiebungen absehbar
       
       Die Bundesregierung hat das Tempo bei Abschiebungen erhöht, zeigen neue
       Daten. Vor allem in die Türkei werden mehr Menschen zurückgezwungen.
       
 (DIR) Geflüchtete an EU-Außengrenzen: Aufruf zur Menschlichkeit
       
       Die EU-Kommission will Asylverfahren an den Außengrenzen ermöglichen.
       Hilfsorganisationen fordern, dass die Ampel die Pläne ablehnt.
       
 (DIR) Nach dem Flüchtlingsgipfel: Schwenk nach rechts
       
       Die Grünen sind dabei, ihre Grundsätze in der Asylpolitik aufzugeben. Den
       Beschwichtigungen der Parteispitze ist nicht zu trauen.