# taz.de -- Bundespolizei sucht nach Linken in Zügen: Schaffner sollten Dreadlocks melden
       
       > Nach dem Urteil gegen Lina E. wollte die Bundespolizei Infos über linke
       > Fahrgäste. Nordwestbahn entschuldigt sich für Liste mit
       > Erkennungsmerkmalen.
       
 (IMG) Bild: Nach den Kriterien der Bundespolizei schwer zu sagen, ob dieser Demonstrant in Bremen ein Linker ist
       
       BERLIN taz | Ein Aufruf der Bundespolizei an Zugpersonal in
       Norddeutschland, Informationen über vermeintlich linke Fahrgäste zu
       liefern, sorgt für harsche Kritik. MitarbeiterInnen der Nordwestbahn
       sollten unter anderem auf „Dreadlocks“ und „alternatives Aussehen“ achten.
       Der Republikanische Anwaltsverein hält eine solche Aufforderung für
       rechtswidrig und spricht von diskriminierendem Profiling und
       Grundrechtseinschränkungen.
       
       Die Nordwestbahn bestätigte der taz ein Hilfeersuchen der Bundespolizei,
       das am Mittwoch vor Demonstrationen anlässlich des [1][Urteils gegen die
       Antifaschistin Lina E.] verbreitet wurde. Das Eisenbahnunternehmen
       entschuldigt sich für problematische Formulierungen. Die Bundespolizei
       antwortet bis Redaktionsschluss nicht.
       
       Bekannt gemacht hatte die Aufforderung die [2][Bremer „Basisgruppe
       Antifaschismus“, die über Twitter eine interne Mitteilung der Nordwestbahn]
       veröffentlichte. Das Eisenbahnunternehmen fährt unter anderem auf Strecken
       zwischen Osnabrück und Bremen sowie zwischen Oldenburg und Bremen.
       
       In der internen Anweisung an das Zugpersonal heißt es wörtlich: „Laut
       Bundespolizei sind linke Personen an folgenden Merkmalen bzw. Aussehen zu
       erkennen: Alternatives Auftreten bzw. Aussehen, evtl. mit Dreadlocks, links
       orientiert, besonders häufig auch Studenten, Personen, die der ‚Öko-Szene‘,
       ‚Grünen-Szene‘ oder Generation-Z zuzuordnen sind.“ Das Zugpersonal sollte
       demnach Personen an die Betriebsleitzentrale melden, auf die diese
       Beschreibung passt und die in Richtung Bremen unterwegs waren.
       
       ## Rechtswidriges Handeln der Polizei
       
       Der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam aus dem erweiterten Vorstand des
       Republikanischen Anwaltsvereins nennt die Aufzählung der Merkmale „absurd“,
       „gefährlich“ und „diskriminierend“. Er hält bereits die Frage der
       Bundespolizei an die Nordwestbahn für empörend und sieht gleich mehrere
       Grundrechte beschnitten, etwa den Gleichheitsgrundsatz und die
       Versammlungsfreiheit. „Niemand ist per se verdächtig aufgrund seines
       Aussehens“, sagte Adam der taz. Und: „Wenn die Personen sogar noch auf dem
       Weg zu einer Versammlung sind, greift zusätzlich der Schutz aus Artikel 8
       des Grundgesetzes, der auch die ungehinderte Anreise schützt.“
       
       „Diese Aufforderung der Bundespolizei ist daher in mehrfacher Hinsicht
       rechtlich hochproblematisch“, sagte Adam. Zugpersonal würde aufgefordert,
       zu Hilfspersonen rechtswidrigen Handelns der Bundespolizei zu werden.
       „Zugbegleiter*innen haben keine hoheitlichen Aufgaben und das ist auch gut
       und richtig so“, sagte Adam der taz.
       
       Ein Sprecher der Nordwestbahn bestätigte der taz das Hilfeersuchen der
       Bundespolizei und entschuldigte sich gleichzeitig für die getätigten
       Äußerungen in der internen Mitteilung. „Die Bundespolizei hat am
       vergangenen Mittwoch die Eisenbahnverkehrsunternehmen in Bremen darum
       gebeten, über das Aufkommen von Demonstrant:innen in den Zügen zu
       informieren“, erklärte der Sprecher.
       
       Die in den sozialen Medien veröffentlichte E-Mail der Betriebsleitzentrale
       sei durch einen Mitarbeiter versendet worden. Woher die vermeintlichen
       Erkennungsmerkmale für die Demonstrant:innen stammten, werde derzeit
       ermittelt. Der Mitarbeiter sei am Donnerstag bis zur abschließenden Klärung
       von seinen Aufgaben entbunden worden.
       
       ## Die Nordwestbahn distanziert sich von „Diskriminierung“
       
       „Die Nordwestbahn distanziert sich ganz klar von den Ausführungen in der
       E-Mail.“ Diese entsprächen in keiner Weise den Leitideen und Grundwerten
       des Unternehmens. „Die Nordwestbahn steht für die Ablehnung jeglicher Form
       von Diskriminierung, insbesondere gegenüber Mitarbeitenden und Fahrgästen.“
       
       Bundesweit war es am Mittwochabend zu Demonstrationen der linken Szene
       gekommen, nachdem gegen die AntifaschistInnen Lina E. sowie drei
       Mitangeklagte in Dresden mehrjährige Haftstrafen verhängt worden waren.
       [3][In Bremen war es bei Protesten zu Würfen mit Steinen und Glasflaschen
       auf PolizistInnen gekommen], laut Polizei seien acht Einsatzkräfte leicht
       verletzt worden. 70 Menschen seien festgenommen worden, mittlerweile aber
       wieder frei.
       
       Für Samstag hat die Linke Szene zu Protesten und einer bundesweiten
       Demonstration in Leipzig aufgerufen. [4][Die Polizei dort rüstet sich für
       einen Großeinsatz, die Stadt verhängte ein Demonstrationsverbot]. Die
       Anmelder legten noch in der Nacht zu Freitag Rechtsmittel dagegen ein.
       
       2 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Urteile-im-Linksextremismus-Prozess/!5934710
 (DIR) [2] https://twitter.com/BeeAhBrem/status/1664178370127486976/
 (DIR) [3] /Proteste-gegen-Verurteilung-von-Lina-E/!5938045
 (DIR) [4] /Proteste-nach-Lina-E-Urteil/!5934622
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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