# taz.de -- Vorstoß zu Unterhaltsreform: Streit um Geschlechtergerechtigkeit
       
       > Bundesjustizminister Marco Buschmann will Väter bei Unterhaltszahlungen
       > entlasten, die sich aktiv um ihre Kinder kümmern. Eine gute Idee? Ein Pro
       > und Contra.
       
 (IMG) Bild: Mehr Zeit mit dem Kind – Väter sollen dafür weniger Unterhalt zahlen dürfen, plant der Minister
       
       ## Ja.
       
       Zwar gibt es getrennte Väter, die keinen, zu wenig oder nur unregelmäßig
       Unterhalt für ihre Kinder zahlen. Aber für sie ist [1][der Vorstoß von
       Justizminister Marco Buschmann] nicht gemacht: Es geht um die getrennten
       Väter, die ihre Kinder häufig betreuen. Sie sollen nicht mehr den vollen
       Unterhalt zahlen müssen.
       
       Denn es gibt eben auch jene Männer, die sich von Anbeginn an um ihren
       Nachwuchs kümmern. Doch wenn sich Mutter und Vater nach einer Trennung die
       Betreuung zeitlich nicht genau gleich aufteilen, muss die Seite mit der
       geringeren Betreuungszeit in der Regel den vollen Unterhalt zahlen. Das ist
       nach wie vor meist der Mann.
       
       Diese starre Regelung ist nicht mehr zeitgemäß. Väter sind heute oft eben
       nicht mehr die Sonntagsdaddys, die nach dem Eis im Zoo die Kinder bei der
       Mutter wieder abliefern. Auch brauchen aktive Väter eine größere Wohnung
       mit Kinderzimmer, Möbeln, Kleidung; finanziell schlägt das oft heftig zu
       Buche. Denn Väter sind heute nicht mehr in jedem Fall Besserverdienende, so
       wie Mütter nicht mehr vorrangig Hausfrauen sind.
       
       Wer es ernst meint mit der Geschlechtergerechtigkeit, wer will, dass Frauen
       nicht mehr abhängig sind von einem aktuellen oder einem getrennten Partner,
       wer mehr Care-Väter möchte, der sollte anerkennen, dass das aktuelle
       Unterhaltsmodell in Teilen überholt ist. Es geht von einem traditionellen
       Beziehungsmodell aus, [2][das in der Realität nicht mehr so oft vorkommt]:
       der Mann als Alleinverdiener und abwesender Vater, der auch nach einer
       Trennung nur als zahlendes Phantom existiert.
       
       Die Betreuungsanteile getrennter Väter liegen vielfach – und nicht selten
       gerichtlich festgelegt – bei etwa einem Drittel. Wer kein Besserverdiener
       ist, muss oft Vollzeit arbeiten, um den vollen Unterhalt zahlen zu können.
       Dann bleibt keine Zeit fürs Kind. Das will niemand. So wie niemand Müttern
       Geld wegnehmen will. Aber die „kinderlose“ Zeit können Frauen investieren –
       in Erwerbsarbeit. Für die Kinder sind Eltern, die sich auf Augenhöhe
       begegnen, ohnehin das beste.
       
       [3][ Simone Schmollack ] 
       
       ## Nein.
       
       Die FDP betreibt Identitätspolitik. Heute: für Väter, die Unterhalt zahlen
       und ihre Kinder „mitbetreuen“. Warum Väter? Der Elternteil, den
       Justizminister Buschmann (FDP) finanziell entlasten will, ist zu rund 80
       Prozent männlich.
       
       Eines vorweg: Kindern würde das keinen Cent mehr bringen. Für Väter, die
       ihre Kinder betreuen, sich den Unterhalt aber nicht leisten können, springt
       schon jetzt der Staat ein. Für die Betrüger, die trotz prallen Kontos
       nichts herausrücken, auch. Für sie fordere ich keine Anreize, sondern
       Strafen, die volle Härte des Rechtsstaats.
       
       Seit dem gescheiterten Versuch, Unternehmensvorstände zu quotieren, wissen
       wir: Freiwillige Anreize funktionieren in der Geschlechterpolitik nicht.
       Den tief sitzenden patriarchalen Habitus des Sich-nicht-zuständig-Fühlens
       bei den Komplettversagern unter den Erzeugern wird Buschmann auch nicht
       ausmerzen, indem sie 100 Euro mehr im Monat behalten dürfen.
       
       Natürlich gibt es Väter, die sich kümmern. [4][Doch die Zahl der
       Vorzeigedaddys ist bundesweit nicht so hoch], wie es im Lastenradtaumel vor
       Kitas [5][in Berlin-Mitte] wirken mag, und ob diese Väter eine Entlastung
       brauchen, sei mal dahingestellt.
       
       Ganze drei Stunden pro Tag verbrachten Väter 2019 im Schnitt mit ihrem
       Kind. Damit ein Vater, der wenig Geld hat, sich künftig beispielsweise ein
       Kinderzimmer leisten kann, sollte die Politik ihn auf andere Weise
       entlasten, etwa durch niedrigere Steuern oder Sozialabgaben. Auch
       Unternehmen müssen väterfreundlicher werden.
       
       Auf keinen Fall jedoch sollte man Müttern Geld wegnehmen, wie Buschmann es
       vorhat. Ihre Kosten, etwa für ein Kinderzimmer, sinken schließlich nicht,
       wenn Papa vier- statt einmal pro Woche vorbeikommt. Der Hinweis auf die
       prekäre Lage alleinerziehender Mütter ist kein „Whataboutism“, sondern
       weitet den Blick aufs große Ganze.
       
       Gleichstellung erreicht man nicht, indem man zwei Gruppen gegeneinander
       ausspielt. Der Vorstoß von Buschmann spaltet und ist brandgefährlich.
       
       [6][ Lotte Laloire ]
       
       23 Aug 2023
       
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