# taz.de -- Männer und Gleichstellung: Vätermonate sind wertvoll
       
       > Viele Männer befürworten Gleichstellung, fühlen sich von der Politik aber
       > vernachlässigt. Das zeigt eine Studie des Soziologen Carsten Wippermann.
       
 (IMG) Bild: Sobald das erste Kind kommt, fallen egalitär eingestellte Männer in traditionelle Rollen zurück
       
       Männer in Deutschland sind von der Gleichstellungspolitik in Deutschland zu
       großen Teilen enttäuscht. Aber nicht, weil sich „die Politik“ vor allem
       etwa für alleinerziehende Mütter oder für eine wie auch immer geartete
       Identitätspolitik engagiert, was bekanntermaßen vor allem weiße, mittelalte
       cis-Männer kritisieren. Nein, jene Männer, die die aktuelle
       Gleichstellungspolitik beanstanden, beklagen, es gebe zu wenig davon. Das
       ist überraschend, aber trotzdem ein Ergebnis einer neuen repräsentativen
       Umfrage des Delta-Instituts für Sozial- und Ökologieforschung im Auftrag
       des profeministischen Bundesforums Männer. Autor der Studie, die am Freitag
       vorgestellt wird, ist [1][Carsten Wippermann, der als Soziologe seit
       Jahrzehnten zu Geschlechterverhältnissen, Frauen in Führungspositionen,
       Lohngerechtigkeit] forscht.
       
       Der Bericht ist der dritte Teil einer [2][Langzeitbefragung von Männern und
       Frauen, die bereits 2007 begann]. Die jetzige Studie ist geprägt von
       globalen Ereignissen wie der Coronapandemie sowie den beiden Kriegen in der
       Ukraine und in Nahost, Energiekrise und Inflation.
       
       Trotz der politisch fragilen Lage finden 84 Prozent der Männer, dass
       Gleichstellung wichtig ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. 2015
       waren es 79 Prozent. Allerdings empfinden nur 14 Prozent der Befragten,
       dass Frauen und Männer tatsächlich gleichgestellt sind. Mehr noch, eine
       Mehrheit bezweifelt, dass „die Verfassungsnorm der Gleichstellung umgesetzt
       ist“. So empfinden Männer ausgeweitete Partnermonate als wertvoll und
       erachten es als wichtig, mehr [3][Männer für soziale Berufe] zu gewinnen.
       
       Beides liegt allerdings nicht im Fokus der Ampel-Regierung, im Gegenteil:
       Auf Initiative der Grünen-Familienministerin Lisa Paus sinkt ab 2014 die
       [4][Einkommensgrenze für den Bezug von Elterngeld.] Zudem fordert die
       [5][FDP, die 14 Partnermonate bei der Elternzeit auf 12 Monate zu
       verkürzen.] Angesichts solcher Einschnitte für Väter wundert es nicht, dass
       kinderlose Männer in festen Partnerschaften und mit einem geregelten
       Einkommen am stärksten eine progressive Gleichstellungspolitik befürworten.
       Sie wollen auch, dass ihre Partnerin ebenso arbeitet wie sie selbst – und
       das nicht nur aus finanziellen, sondern vor allem aus
       Gerechtigkeitsgründen.
       
       ## Mit dem ersten Kind ändert sich alles
       
       Das ändert sich allerdings, sobald das erste Kind kommt. Dann fallen auch
       die bis dahin egalitär eingestellten Männer zurück in traditionelle Rollen:
       Der Mann wird zum (Haupt-)Ernährer der Familie, die Frau steckt zurück,
       kümmert sich ums Kind und agiert bestenfalls als Zuverdienerin. Das ist
       kein neues Phänomen, sondern konstatierte [6][der Psychologe und
       Familienforscher Wassiios Fthenakis] bereits ab Mitte der 1990er Jahre in
       zahlreichen Studien. An dieser Stelle, das zeigt auch die aktuelle
       Wippermann-Untersuchung, hat sich trotz allen politischen Maßnahmen nichts
       geändert. Daraus leitet Soziologe Wippermann das Fazit ab, dass „die
       aktuelle Gleichstellungspolitik Väter in gewisser Weise ‚verliert‘ und
       Männer … insbesondere in der Elternschaft von der Gleichstellungspolitik
       genauer in den Blick genommen und mehr unterstützt werden sollten.“
       
       Wenig verwunderlich ist, dass Männer, die in Trennung leben oder eine
       Trennung hinter sich haben, Gleichstellungspolitik kritisch sehen. Sie
       glauben, dass diese „im Kern Frauen- und Mütterpolitik sei“, sagt
       Wippermann. Als gänzlich überflüssig erachten [7][sogenannte Maskulinisten]
       eine gleichstellungsorientierte Politik. Das ist keine Überraschung,
       pflegen sie doch ein überaus traditionelles Weltbild, das auf ein klares
       Machtgefälle zwischen Männern und Frauen sowie auf Misogynie setzt. Ihr
       Anteil ist in den vergangenen Jahren von gut 6 Prozent auf 4,5 Prozent
       zurückgegangen. Allerdings zeigt sich gut ein Drittel aller Männer offen
       für maskulinistische Einstellungen, insbesondere jene Männer, die sich in
       einem Sorgerechtsstreit befinden.
       
       „Politik muss Männer auch in ihren eigenen gleichstellungsrelevanten
       Bedarfen ernst nehmen. Wer das nicht tut, verspielt ihre Zustimmung und
       erhöht das Risiko, sie an die Gegner von Gleichstellungspolitik zu
       verlieren“, kommentiert Dag Schölper, Geschäftsführer des Bundesforums
       Männer, die Studie: „Eine effektive gleichstellungspolitische Strategie
       muss die unterschiedlichen Ausgangslagen berücksichtigen und mit
       differenzierten Maßnahmen darauf reagieren.“
       
       In einem Punkt räumt die Studie mit einer landläufigen Annahme auf: Es sind
       weder vordergründig höher Gebildete, die Gleichstellungspolitik
       unterstützen, noch Männer mit geringeren Bildungsabschlüssen, die sie eher
       ablehnen. Zustimmung wie Vorbehalte kommen in allen Bildungsschichten vor.
       Überraschenderweise stehen Männer mit dem höchsten Schulabschluss vor allem
       einer [8][Gender-Sprache] am kritischsten gegenüber. Fast die Hälfte von
       ihnen hält sie „für gar nicht oder weniger nützlich“, heißt es in der
       Studie.
       
       17 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] https://bundesforum-maenner.de/2023/10/26/fdp-vorschlag-elterngeldmonate/
 (DIR) [6] https://www.pedocs.de/volltexte/2014/2089/pdf/Fthenakis_2002_Paare_werden_Eltern.pdf
 (DIR) [7] /Maskulinisten-Seite-im-Netz/!5650875
 (DIR) [8] /Gendergerechte-Sprache/!5769880
       
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 (DIR) Simone Schmollack
       
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