# taz.de -- Geflüchtete auf Lampedusa: Italien will nicht helfen
       
       > Tausende Geflüchtete erreichten diese Woche Lampedusa. Die Insel ist
       > überlastet, doch die italienische Regierung weigert sich zu helfen.
       
 (IMG) Bild: Geflüchtete müssen lange vor Lampedusas Küste warten, bevor sie zum Hafen gebracht werden
       
       Es kam, wie es kommen musste. Erneut schnellen die Zahlen der ankommenden
       [1][Geflüchteten auf Lampedusa] in die Höhe, nachdem einige Tage wegen
       schlechten Wetters und rauer See Ruhe gewesen war. Und die Situation für
       die hilfsbedürftigen Menschen ist schlimmer denn je. Binnen drei Tagen
       trafen auf dem kleinen Eiland rund 8.000 Menschen ein, die von
       [2][Tunesien] aus in See gestochen waren. Stundenlang mussten ihre kleinen
       Kähne zu Dutzenden in der Hafeneinfahrt warten, ehe sie am Kai anlegen
       konnten. Das war schon heillos mit gerade Eingetroffenen überfüllt.
       
       Ähnliche Bilder aus Lampedusa gingen Ende August um die Welt. Diesmal
       allerdings kamen hässliche Szenen hinzu: Italienische [3][Polizisten], die
       auf dem Kai den Schlagstock gegen aufgebrachte, durstige, von der Sonne
       zermürbte Geflüchtete einsetzten. Zum Schlagstock griffen Beamte dann auch
       im Lager für Geflüchtete auf Lampedusa, das am Mittwoch mit 7.000 dort
       aufgenommenen Menschen aus allen Nähten platzte – regulär ist es für 400
       Personen ausgelegt. Auf dem nackten Boden im Hof des Lagers, sogar auf dem
       Asphalt der Zufahrtsstraße mussten Geflüchtete die Nacht verbringen.
       
       Nicht umsonst sprach eine Lager-Mitarbeiterin von einer „Apokalypse“, nicht
       umsonst rief der Gemeinderat von Lampedusa den Notstand für die Insel aus.
       Und erneut stellt sich die Frage: Wer versagt da gerade? Ist es Italien?
       Ist es Europa?
       
       Für die Regierung in Rom unter der Postfaschistin Giorgia Meloni liegen die
       Dinge auf der Hand. Wieder einmal verkünden sie samt diversen Ministern,
       Italien werde „von Europa alleingelassen“. Wer aber glaubt, Meloni wolle da
       eine europäische Beteiligung an der Seenotrettung einklagen, der irrt.
       
       ## Seenotrettungsmission beendet
       
       Am 3. Oktober wird sich zum zehnten Mal die Tragödie vom 3. Oktober 2013
       jähren, als 368 Menschen direkt vor Lampedusa nach dem Kentern ihres
       Schiffs elendig ertranken. In Folge dieser Katastrophe hatte Italien damals
       die staatliche Seenotrettungsmission „Mare Nostrum“ aufgelegt. Sie wurde im
       Jahr 2015 von der EU-Mission „Sophia“ abgelöst, in der zahlreiche Schiffe
       den Kampf gegen Schleuser führen, zugleich aber auch Menschen retten
       sollten.
       
       „Sophia“ allerdings wurde im Jahr 2018 beerdigt. Der damalige italienische
       Innenminister und heutige Koalitionspartner Melonis, der Chef der
       fremdenfeindlichen Lega-Partei Matteo Salvini, wollte die Mission nicht
       mehr. Und auch heute ruft die italienische Rechtsregierung nicht nach
       europäischem Engagement in der Seenotrettung.
       
       Ganz im Gegenteil: Systematisch werden die NGOs aus Frankreich, Spanien
       oder Deutschland, die mit ihren Schiffen im Mittelmeer kreuzen, von
       Italiens Behörden schikaniert. Ihnen werden Häfen weit im Norden Italiens
       zugewiesen, ihre Schiffe werden immer wieder wochenlang an die Kette
       gelegt, dazu hagelt es auch noch Geldbußen.
       
       ## Falsche Vorstellung von Solidarität
       
       Stattdessen wünscht sich Italien „europäische Solidarität“ bei der
       Umverteilung der Flüchtlinge unter den Mitgliedstaaten – hat dafür aber
       nicht wirklich zwingende Argumente auf seiner Seite. Bei den Zahlen von
       Asylanträgen lag das Land im Jahr 2022 deutlich hinter Deutschland,
       Frankreich, Spanien oder Österreich, bei den Ukraineflüchtlingen kommt
       Italien auf gerade einmal 170.000.
       
       Europäische Solidarität wünscht Meloni sich jetzt deshalb auch auf einem
       ganz anderen Feld; bei der „Verhinderung der Primärankünfte“. Sie selbst
       hatte, im Verein mit Ursula von der Leyen, im Juli dem tunesischen
       Präsidenten Kais Saied Millionenhilfen der EU in Aussicht gestellt, wenn
       Tunesien endlich die Abfahrten der Boote von seiner Küste verhindere.
       
       Und jetzt sähe sie gern ein entschlosseneres Engagement der EU zugunsten
       Tunesiens. Sprich zugunsten jenes Landes, dessen Präsident mit seiner Hetze
       gegen Migrant*innen aus dem subsaharischen Afrika jene Pogromstimmung
       erzeugt hat, die die Menschen zu Tausenden auf die Boote Richtung Lampedusa
       treibt.
       
       14 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nach-Bootsungluecken-vor-Lampedusa/!5952569
 (DIR) [2] /Asylpolitik-in-Deutschland/!5956715
 (DIR) [3] /Nach-Rauswurf-aus-Polizeihochschule/!5955179
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lampedusa
 (DIR) Geflüchtete
 (DIR) Migration
 (DIR) Italien
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) EU-Flüchtlingspolitik
 (DIR) [tazze]IG
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Seenot
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Europäische Flüchtlingspolitik: Aufbau statt Abschottung
       
       Nicht 8.000 Menschen sind in Not, sondern 8 Millionen suchen nach sicheren
       Orten. In Europa wie auch in Afrika wird ihre Arbeitskraft gebraucht.
       
 (DIR) Lampedusa und Italiens Migrationspolitik: Eine Strategie, die Leid schafft
       
       Giorgia Melonis Ziel, die Grenzen „sicher“ zu machen, ist gescheitert.
       Migration lässt sich nicht einfach so kontrollieren.
       
 (DIR) Fluchtroute im Mittelmeer: Tausende sollen weg aus Lampedusa
       
       Italienische Behörden haben 700 Geflüchtete nach Sizilien und auf das
       Festland weggebracht. Deutschland hält am Aufnahmestopp von Geflüchteten
       aus Italien fest.
       
 (DIR) Übernahme von Geflüchteten aus Italien: Solidaritätsmechanismus gestoppt
       
       Pro Asyl kritisiert den Stopp der freiwilligen Übernahme Deutschlands von
       Geflüchteten aus Italien. Das hatte Innenministerin Faeser entschieden.
       
 (DIR) Flüchtlingshelfer aus dem Wendland: Atomkämpfer werden Seenotretter
       
       Atomkraftgegner:innen wollen jetzt Flüchtlinge im Mittelmeer retten.
       Das Segelboot „Trottamar III“ hat seinen ersten Einsatz bereits hinter
       sich.
       
 (DIR) Früherer Kapitän der Cap Anamur: Käptn Schmidt geht von Bord
       
       Stefan Schmidt rettete im Mittelmeer Geflüchtete vorm Ertrinken. Nun hört
       er als Flüchtlingsbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein auf.
       
 (DIR) Neues Seenotrettungsschiff „Sea-Watch 5“: Retten ist Übungssache
       
       Die Crew der „Sea-Watch 5“ bereitet sich und das neue Schiff auf die
       Seenotrettung im Mittelmeer vor. Bevor es losgeht, wird der Ernstfall
       geübt.