# taz.de -- Rechtsterroristische „Gruppe S.“: Großgermanen bekommen Haftstrafen
       
       > Die rechtsextreme „Gruppe S.“ sinnierte über Anschläge und wollte einen
       > Bürgerkrieg. Nur Gerede, sagen die Verteidiger. Das Gericht sieht es
       > anders.
       
 (IMG) Bild: Wollen kein Gesicht mehr zeigen: einer der Angeklagten im Prozess gegen die „Gruppe S“
       
       BERLIN taz | Am Ende hatte der Senat keine Zweifel: Am Mittwoch verurteilte
       das Oberlandesgericht Stuttgart die elf angeklagten [1][Rechtsextremen der
       „Gruppe S.“] zu Haftstrafen bis zu sechs Jahren. Sie hätten ab Herbst 2019
       eine terroristische Vereinigung gebildet oder unterstützt und tatsächlich
       einen Umsturzversuch vorgehabt.
       
       Seit April 2021 – [2][173 Prozesstage lang] – war über diesen Vorwurf
       verhandelt worden. Das Verfahren hatte sich wegen der Coronapandemie und
       der breiten Tatvorwürfe gezogen: 132 Zeugen wurden befragt, gut 210
       Mitschnitte von überwachten Telefonaten angehört, 600 Anträge abgearbeitet.
       
       Schon im Februar 2020 hatte die Bundesanwaltschaft [3][die „Gruppe S.“
       festnehmen lassen], benannt nach ihrem Anführer Werner S., einem
       Trödelhändler aus einem Dorf bei Augsburg. Mit Gleichgesinnten hatte sich
       der 57-Jährige zunächst über Chatgruppen vernetzt, die für Germanen
       schwärmten und die Aufnahme von Geflüchteten und Muslimen stoppen wollten.
       Auf Treffen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wurde dann über
       Attentate auf Moscheen, Geflüchtete oder Grünen-Politiker wie Robert Habeck
       sinniert – um damit einen Bürgerkrieg auszulösen. Bis zu sieben Jahre Haft
       hatten die Ankläger dafür gefordert.
       
       Die mehr als 25 Verteidiger dagegen hielten die Angeklagten für „Sprüche
       klopfende Wichtigtuer“ und hatten beklagt, dass ihnen Akten vorenthalten
       würden. Sie forderten, bis auf eine Ausnahme, Freisprüche.
       
       ## Waffen wurden schon bestellt
       
       Die „Sprücheklopfer“ aber waren in der rechtsextremen Szene gut vernetzt,
       wie das Gericht betonte: Sie bewegten sich in der [4][Bürgerwehr- und
       Kameradschaftsszene], in Gruppen wie „Freikorps Heimatschutz“ und „Vikings
       Security Germania“, hatten teils Führungspositionen inne. Und die Gruppe
       war bereits auf der Suche nach Waffen, hatte über Kontakte eine
       Kalaschnikow und drei „Slamguns“, selbstgebaute Gewehre, bestellt. Bei den
       Festnahmen wurden eine halbautomatische Schusswaffe und eine „Slamgun“
       gefunden.
       
       Das Gericht verwies auch auf ein Treffen in Minden, wo über Angriffe auf
       konkrete Moscheen und Waffenbestellungen gesprochen wurde und wer sich an
       Aktionen beteiligen werde. Dies zeige, wie ernst es den Angeklagten mit
       ihren Anschlagsplänen gewesen sei. Die höchste Strafe, sechs Jahre Haft,
       erhielt Anführer Werner S.
       
       Unter den Verurteilten ist auch [5][ein Polizeiverwaltungsmitarbeiter], der
       wegen Unterstützung der Gruppe nun eine Strafe von zwei Jahren und neun
       Monaten erhielt. Bei seiner Festnahme war die Polizei [6][auf
       NS-Devotionalien gestoßen]. Er und vier weitere Angeklagte waren bereits
       zuletzt haftverschont worden. Ein weiterer Beschuldigter war bereits in
       Haft verstorben, ein zweiter im Laufe des Prozesses.
       
       ## Ein Informant verriet die Gruppe
       
       Aufgeflogen war die Gruppe durch einen Mann aus den eigenen Reihen,
       [7][Paul-Ludwig U.], ein Mann mit Gefängnis- und Drogenerfahrung, der
       beständig das LKA Baden-Württemberg informierte. Er war von Beginn an
       haftverschont und erhielt nun einen Freispruch. Seine Aussagen seien
       „entscheidend“ für die Festnahmen gewesen, so das Gericht. Die Verteidiger
       hatten Paul-Ludwig U. dagegen vorgeworfen, unglaubwürdig zu sein und die
       anderen angestachelt zu haben. Das Gericht betonte, dass dieser aus freiem
       Antrieb handelte und nicht von der Polizei gesteuert worden sei. Auch wies
       es zurück, dass den Verteidigern Akten vorenthalten wurden.
       
       Und die „Gruppe S.“ ist nicht allein. In Koblenz stehen momentan [8][vier
       Männer und eine Frau aus der Reichsbürgerszene vor Gericht], die als
       „Vereinte Patrioten“ ebenfalls einen Umsturz und eine Entführung von
       Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben sollen. Erst
       zuletzt hatte es hier [9][Razzien und Festnahmen von fünf weiteren
       Beschuldigten] gegeben.
       
       Zudem stehen die Anklagen gegen die Reichsbürger um den Frankfurter
       Heinrich XIII. Prinz Reuß bevor. Auch sie sollen einen Umsturz und die
       Gründung von „Heimatschutzkompanien“ geplant haben. 27 Beschuldigte wurden
       vor einem Jahr festgenommen, [10][fast 400 Schusswaffen wurden gefunden].
       Wegen der Größe der Gruppe wird es hier wohl gleich mehrere Prozesse geben.
       Im Gespräch ist neben den Oberlandesgerichten Frankfurt/Main und München
       auch erneut das Gericht in Stuttgart.
       
       30 Nov 2023
       
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