# taz.de -- Fehlende 60 Milliarden Euro: Streit um Haushaltsloch dauert an
       
       > Während sich Wirtschaftsminister Habeck für eine Reform der
       > Schuldenbremse ausspricht, halten FDP und Union dagegen. Die Wissenschaft
       > ist uneins.
       
 (IMG) Bild: Fundamental andere Vorstellungen in der Finanzpolitik: Habeck, Scholz und Lindner (v.l.n.r.)
       
       BERLIN dpa/afp | Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt
       ist ein Ausweg aus der [1][dramatischen Finanzierungskrise] noch nicht in
       Sicht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will an den Vorhaben der
       Bundesregierung mit Blick auf Klimaschutz und Investitionen dennoch
       festhalten. „Wir müssen das nach wie vor möglich machen“, sagte der
       Grünen-Politiker am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“.
       
       Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz forderte hingegen einen Verzicht
       auf die Kindergrundsicherung, das Heizungsgesetz und auf ein höheres
       Bürgergeld. „Es geht eben nicht mehr alles“, sagte er in der ARD-Talkshow
       „Maischberger“.
       
       Habeck betonte, es sei nun die Aufgabe, „in Ruhe und konzentriert“ einen
       Weg aus [2][den Finanzierungsnöten] zu finden, die das Karlsruher Urteil
       nach sich zieht. Diese Lösungen seien zunächst „hinter den Kulissen“ zu
       erarbeiten und nicht in einer öffentlichen Diskussion. Er verteidigte die
       Entscheidung der Bundesregierung, für 2023 bei der Schuldenbremse bisher
       keine „Notsituation“ geltend gemacht zu haben, die möglicherweise die
       Schuldenaufnahme sicherer gemacht hätte. Dieser Entschluss sei in der
       Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP gemeinsam getroffen worden.
       
       Der Vorschlag von Habeck für eine Reform der Schuldenbremse wird von
       deutschen Top-Ökonomen unterschiedlich bewertet. „Die Befürworter einer
       solchen Reform haben nicht den Investitionsbegriff des Haushaltsrechts im
       Kopf, sondern Subventionen alter Industrien für die Transformation zur
       Klimaneutralität“, sagte der frühere Vorsitzende der Wirtschaftsweisen,
       Lars Feld, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Mittwoch).
       
       ## Milliarden für Zukunftsvorhaben wackeln ebenfalls
       
       Anders sieht es der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann, der an der
       Universität Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana lehrt. „Eine Reform wäre
       ökonomisch dringend notwendig“, sagte er. Denn die aktuelle Schuldenbremse
       würde weder Marktsignale zur Schuldentragfähigkeit noch eine adäquate
       makroökonomische Stabilisierungspolitik erlauben. Mit Bezug auf die
       Klimainvestitionen betonte Bachmann: „Man sollte die Klimatransformation
       auch mit Schulden finanzieren, weil es sich ja um ein langfristiges Projekt
       handelt.“
       
       Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche die Umwidmung
       von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war
       als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den
       Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden.
       Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite
       nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Dies hat zur Folge, dass
       weitere Milliardensummen für Zukunftsvorhaben gefährdet sind. Da die
       genauen Auswirkungen auch auf den regulären Haushalt noch unklar sind,
       entschied das Finanzministerium, vorsorglich bestimmte Zusagen aller
       Ministerien für kommende Jahre im Haushalt zu sperren.
       
       Als sicherste Lösung des Problems gelten Änderungen des Grundgesetzes,
       entweder bei der Funktionsweise der Schuldenbremse oder für die Verankerung
       von Sonderfonds – wie zum Beispiel bei den Investitionen in die Bundeswehr,
       die in der Verfassung abgesichert sind. Dafür wird jedoch eine
       Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag benötigt.
       
       Die riesigen Milliardensummen, die für den Klima- und Transformationsfonds
       (KTF) und den am Dienstag ebenfalls gestoppten
       Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit den Energiepreisbremsen benötigt
       werden, allein mit Einsparungen oder höheren Einnahmen im Haushalt
       aufbringen zu können, gilt aber ebenso als unrealistisch.
       
       Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne)
       sprach sich für eine parteiübergreifende Lösung aus. „Es darf jetzt nicht
       um parteipolitische Geländegewinne gehen. Jetzt gilt es, in Bündnissen auch
       über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Das müssen sich auch CDU und
       FDP im Bund auf den Zettel schreiben“, sagte Neubaur der „Rheinischen Post“
       (Mittwoch). Sie sei froh, dass kurzfristig eine Sonderkonferenz der
       Wirtschaftsministerinnen und -minister von Bund und Ländern geplant sei.
       SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte dem „Redaktionsnetzwerk
       Deutschland“: „Der Rotstift allein löst keines unserer Probleme.“
       
       Union und [3][FDP gelten als Befürworter der Schuldenbremse], die eine
       Neuverschuldung außer in Notsituationen, für die der Staat nichts kann,
       erschwert. Auch eine Lockerung hält CDU-Parteichef Merz nicht für angesagt:
       „Ich sehe im Augenblick nicht, dass wir an die Schuldenbremse heran
       müssen.“ Höhere Steuern lehnte er bei „Maischberger“ ebenfalls ab:
       „Deutschland ist schon ein Hochsteuerland, und wir sollten es nicht
       übertreiben.“
       
       Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach sich in der „Rheinischen Post“ gegen
       höhere Steuern aus. Notwendig sei stattdessen eine „grundsätzliche
       Auseinandersetzung darüber, was wir finanzieren können und was nicht“.
       
       22 Nov 2023
       
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