# taz.de -- Politische Beobachtungen vom Beckenrand: Söder und andere Seepferdchen
       
       > Wer klug ist, kommentiert allerlei politische Dummheiten vom Beckenrand
       > aus und lässt die anderen verbissen ihre Bahnen ziehen.
       
 (IMG) Bild: Seepferdchen
       
       Neulich hat mich ein alter Freund angechattet, den ich aus Bagdad kenne.
       Die meisten Journalist*innen wohnten in der Zeit nach dem Fall Saddam
       Husseins in denselben ein oder zwei Hotels. Man tauschte Informationen aus,
       teilte alkoholische Getränke und Chlorbrillen für den Pool, wo am Abend
       alle herumhingen, weil es in den aufgeheizten Zimmern wegen der
       Stromausfälle kaum auszuhalten war.
       
       An diesem Pool in Bagdad habe ich viel über die Menschheit gelernt: Es gibt
       diejenigen, die mit einem Kopfsprung ins Wasser springen, um dann mit
       großem Ehrgeiz ihre Bahnen zu ziehen. Und dann gibt es noch die anderen,
       die am Pool herumlümmeln, das Geschehen kommentieren und ab und zu mal zur
       Abkühlung ins Wasser hinabklettern.
       
       In der Bundesregierung sieht es nicht anders aus. Da haben wir den grünen
       Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, der nicht nur seine Bahnen
       zieht, sondern dabei auch noch Akten liest, neue Gesetze ersinnt und Videos
       für seine Gefolgschaft aufnimmt. Und gemütlich am Beckenrand sitzt der
       liberale Finanzminister Christian Lindner, lässt seine Beine im Wasser
       baumeln und ruft ab und zu Nein übers Wasser.
       
       Nein zum Beispiel zur weiteren staatlichen Förderung von Elektroautos. Denn
       was ist wohl wichtiger, Lindners Prinzipien oder Maßnahmen gegen den
       Klimawandel? Genau. Deswegen hat die Ampel die Förderung gleich mal übers
       Wochenende abgeschafft. Spontanität macht Politik einfach spannender und
       interessanter.
       
       Bestes Beispiel: CSU-Chef [1][Markus Söder]. Er postet wöchentlich, wie er
       eine neue Adventskerze anzündet. Und zwar vor einer Fototapete mit einem
       verschneiten Tannenwald. Anschließend lässt er sich in einen Sessel
       plumpsen und greift zum Lebkuchen. Wissen möchte er von seinen Followern:
       Tragt ihr auch so gerne Weihnachtspullover? – Ähm, nein, eigentlich nicht.
       – Worauf freut ihr euch am meisten in der Adventszeit? – Auf die Zeit
       danach. – Habt ihr schon alle Geschenke besorgt? – Ja, und das Beste war
       eines, das Söder über einen Retweet wärmstens empfohlen hat: ein Hawaiihemd
       mit Söder-Köpfen.
       
       Apropos Geschenk: [2][Gottes Geschenk an die Menschheit, CDU-Chef Friedrich
       Merz], gehört selbstverständlich zu den Beckenrandkommentatoren. Das hat
       eine gewisse Tragik. Merz würde ja gerne Bahnen ziehen und zeigen, wie gut
       er das kann. Aber er wird einfach nicht ins Wasser gelassen, und wann immer
       er ruft, er könne es aber besser als die Ampel, tja, wirkt er wie einer,
       der sein Seepferdchen bestanden hat und bei der Olympiade als
       Synchronschwimmer antreten will.
       
       Natürlich können in Zeiten des Fachkräftemangels auch in die Jahre
       gekommene Berufsanfänger einen Job bekommen. Zumal gerade unklar ist, ob
       Olaf Scholz noch Kanzler ist oder ob er es vergessen hat. Wie international
       das Problem des Fachkräftemangels ist, war diese Woche auch [3][im
       Deutschlandfunk zu hören]. Achim Steiner, Leiter des
       UN-Entwicklungsprogramms, die Nummer drei in der Hierarchie der Vereinten
       Nationen, hebt hervor, dass die UNO der einzige Ort sei, wo internationales
       Recht vertreten werde.
       
       Es ginge bei der Kritik an Israel nicht um die Mehrheitsmeinung der
       Mitglieder, sondern um Rechtsnormen. Als der Moderator einwirft, dass
       Israel nach [4][genau diesem Recht sich verteidigen dürfe], kennt Herr
       Steiner sich mit internationalem Recht plötzlich nicht mehr aus. Dazu könne
       er nichts sagen, er sei kein Völkerrechtler. Er hätte nur Außenministerin
       Annalena Baerbock fragen müssen! Die kommt nämlich vom Völkerrecht.
       
       Ich selbst kommentiere das Völkerrecht vorzugsweise vom Beckenrand aus.
       Mein alter Freund aus Bagdad beließ es übrigens nicht beim Chat, sondern
       wollte unbedingt auch telefonieren. Er war gerade 70 Kilometer irgendwo
       außerhalb von Kairo mit dem Rennrad geradelt und trainiert für seinen
       nächsten Marathon. Wie es mir gehe und was ich denn so mache, um mich dem
       Alterungsprozess entgegenzustemmen? Also, ich schone mich, nehme
       grundsätzlich den Aufzug statt der Treppe und fahre mit dem Rad am liebsten
       bergab.
       
       23 Dec 2023
       
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