# taz.de -- Rede von Lindner bei Bauernprotesten: Gelber Schleim düngt keinen Acker
       
       > Weil Christian Lindner den Bauern nichts anzubieten hat, versucht er sich
       > mit rechten Sprüchen anzubiedern. Liberaler Mut sähe anders aus.
       
 (IMG) Bild: Dringt nicht durch: Finanzminister Christian Lindner während der Großkundgebung der Bauern vor dem Brandenburger Tor in Berlin
       
       Vielleicht ist es ganz gut, dass die Bauern am Montag den Finanzminister am
       Brandenburger Tor kaum hören konnten. Denn wen zwischen Buhrufen und
       Hau-ab-Slogans doch ein paar Worte erreichten, hörte vielleicht diesen
       Satz: „Ich bin neben Wiesen, Feldern und dem Wald aufgewachsen.“ Das rief
       Christian Linder in Berlin den aufgebrachten Landwirtinnen und Landwirten
       zu. Es sprach also ein ausgewiesener Agrarexperte, der noch dazu ein
       cleverer Haushälter ist.
       
       Tatsächlich wurde der FDP-Finanzminister schon mal beim Ausmisten eines
       Stalls beobachtet, [1][er sprach dabei von einem „neuen Familienmitglied
       seiner Frau“, bei dem es sich um ein Pferd handelte.] Lindner versuchte mit
       dieser Geschichte vor dem Brandenburger Tor das Wohlwollen der Bäuerinnen
       und Bauern zu gewinnen: „Ich bin schon fertig, wenn ich den Pferdestall
       einmal ausgemistet habe. Deshalb weiß ich, was das für eine Arbeit ist, es
       den ganzen Tag und jeden Tag zu machen.“
       
       Damit nicht genug, um seine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen, legte
       der Porsche-Fahrer und Sylt-Liebhaber noch eine Schippe drauf: „Ich kenne
       die steigenden Kosten für Futter, für Strom und für Kraftstoff“, rief
       Lindner in die Menge. Hätten ihm nach diesen Worten die Herzen nicht doch
       zufliegen müssen? Nein. Denn im Umkehrschluss wäre es ja nur konsequent,
       wenn die Landwirtinnen und Landwirte schlössen, sie verstünden etwas von
       Haushaltspolitik, weil sie sich neben dem Bundestag befinden.
       
       Doch den Bauern ging es nicht um den Austausch oder Lindners Anekdoten aus
       der Landwirtschaft, so wie Demonstrationen auch sonst kein Ort für
       Diskussionen sind. Bei einem Protest geht es darum, Standpunkte deutlich zu
       machen. Der Finanzminister und die anderen Bauern-Schleimer aus dem
       Kabinett haben das nicht verstanden und das Spiel verloren.
       
       ## FDP-Ideologie pur
       
       Dabei gab Lindner nur ein besonders peinliches Bild ab. Seine Ausflüge mit
       der Mistgabel lehrten den Finanzminister offenbar wenig über Werte wie
       Zusammenhalt und Gemeinschaft, wie sie in der Landwirtschaft hochgehalten
       werden. Hätte er eine auf die Menge vor ihm zugeschnittene Rede gehalten,
       wie er es dachte zu tun, hätte er besser nicht gegen seine Kolleginnen aus
       der Koalition geätzt. „Jetzt ist die Gelegenheit, die seit Renate Künast
       überzogenen Umweltstandards zu diskutieren“, rief der Finanzminister und
       schob ein Evergreen der Grünen-Kritik hinterher: „Jetzt ist die
       Gelegenheit, ideologische Bevormundung der Betriebe zu beenden und wieder
       zu mehr Realismus zu kommen.“
       
       Dachte der Finanzminister wirklich, mit solchen Allgemeinplätzen bei den
       Landwirtinnen und Landwirten punkten zu können? Auch ein Bauer kann dem
       FDP-Mann die ideologische Bevormundung durch das Beharren auf der
       Schuldenbremse vorwerfen und mehr Realismus in der aktuellen
       Haushaltsplanung fordern.
       
       Die Anbiederung Lindners hat einen Nachgeschmack. Der Politiker und
       Journalistinnengatte verbat sich den von „der Politik und von den Medien“
       formulierten Verdacht über eine rechte Unterwanderung der Bauernproteste.
       Dabei versuchte sich der Finanzminister in der Hoffnung auf Zustimmung von
       den Landwirtinnen und Landwirten selbst mit rechter Stimmungsmache: „Wir
       dürfen es nicht länger tolerieren, wenn Menschen sich weigern, für ihr Geld
       zu arbeiten“, rief der Finanzminister, nachdem er Kürzungen der
       Asylbewerberleistungen und des Bürgergelds in Aussicht gestellt hatte.
       
       Der aufgebrachten Menge waren all diese Ausführungen egal. In ihrem Lärm
       ging auch unter, dass Lindner an den Subventionskürzungen beim Agrardiesel
       festhält. Dass der Finanzminister ihnen nichts zu bieten hatte außer gelbem
       Schleim – das war die einzige Botschaft, die Lindner an diesem Tag unter
       die Leute brachte.
       
       16 Jan 2024
       
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