# taz.de -- Potsdamer Radikalen-Treffen: Neue Details und weitere Demos
       
       > Rund eine Woche nach der Veröffentlichung werden weitere Details bekannt.
       > Auch am Mittwoch demonstrierten Tausende gegen rechts. Weitere Demos
       > folgen.
       
 (IMG) Bild: Demo gegen rechts am Mittwochabend in Berlin
       
       BERLIN dpa/taz | Eine Woche nach ersten Berichten über ein [1][Treffen von
       rechten Aktivisten mit Politikern von AfD und CDU in Potsdam] hat das
       Medienhaus Correctiv weitere Details enthüllt. Bei einer szenischen Lesung
       aus der investigativen Recherche im Theater Berliner Ensemble machten die
       Journalisten neue Vorwürfe gegen einen der Teilnehmer publik. Es geht laut
       Correctiv um einen Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten [2][Jan
       Wenzel Schmidt] und um angebliche Aktionen gegen linke Aktivisten.
       Unterdessen erklärte Sahra Wagenknecht in der Talkshow Markus Lanz am
       Mittwochabend, Kontakt zu Gernot Mörig gehabt zu haben. Der ehemalige
       Zahnarzt aus Düsseldorf hatte zu dem Treffen in Potsdam eingeladen.
       
       Der von Correctiv benannte Mann, Mario Müller, bestätigte der dpa auf
       Anfrage, dass er bei dem Potsdamer Treffen am 25. November anwesend gewesen
       sei und Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten sei. Er habe aber „an
       besagtem Tag in meiner Tätigkeit als freier Journalist gesprochen und
       lediglich am Rande erwähnt, Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten zu
       sein.“ Einzelne der neuen Vorwürfe aus der szenischen Lesung im Theater
       bestritt er.
       
       Die übrigen nun vor Publikum präsentierten Informationen sind seit voriger
       Woche bekannt. Zentraler Punkt: Der frühere Kopf der rechtsextremistischen
       Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner, sprach bei dem Potsdamer
       Treffen im November nach eigenen Angaben über ein Konzept zur sogenannten
       Remigration. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in
       der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das
       Land verlassen soll – auch unter Zwang. Auch AfD-Politiker nutzen den
       Begriff in der Öffentlichkeit.
       
       An dem Treffen hatten AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und
       der erzkonservativen Werteunion teilgenommen, wie inzwischen von
       Beteiligten bestätigt ist. Laut Correctiv sollen 20 bis 30 Personen
       zusammengekommen sein. Zweck des Treffens soll auch gewesen sein, Spenden
       für rechte Aktivitäten zu sammeln.
       
       ## „Was wir Ihnen heute erzählen, ist wahr“
       
       Im Theater lasen Schauspieler die Ergebnisse der aufwendigen Recherche mit
       verteilten Rollen. Sie gruppierten sich, formell gekleidet, um eine weiß
       gedeckte Tafel auf der Bühne und schlüpften in die Rollen der diversen
       Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
       
       Dabei wurde etwas klarer, wie Correctiv an die Informationen gelangte.
       Unter anderem mietete das Medienhaus nach eigenen Angaben ein Saunaboot und
       fotografierte von dort aus mit einem Teleobjektiv die Villa. Zudem filmte
       eine Person mit einer Uhr im Inneren des Gebäudes. Die Journalisten bezogen
       sich des Weiteren auf „Gedächtnisprotokolle“ von Teilnehmerinnen oder
       Teilnehmern.
       
       „Was wir Ihnen heute erzählen, ist wahr“, versicherten die Schauspieler auf
       der Bühne. Einige Szenen waren nach ihren Worten aber auch teilweise
       „fiktionalisiert“ – der Kern der Aussagen sei so gefallen, nicht aber der
       gesamte Wortlaut. Sellner und andere Teilnehmer hatten vorige Woche einige
       Details aus der Recherche bestritten. [3][Die AfD und die Werteunion] haben
       die Bedeutung des Treffens heruntergespielt und Correctiv kritisiert.
       
       Trotzdem ist die Wirkung enorm. Im ausverkauften Theater spendeten die
       Zuschauer minutenlang Applaus nach der Lesung, die auch in andere Theater
       und im Internet übertragen wurde. Aus dem Publikum gab es zudem
       Sprechchöre: [4][„Alle zusammen gegen den Faschismus.“] Der Publizist
       Michel Friedman lobte die Recherche nach der Vorstellung als „großartige
       Leistung von freiem Journalismus“.
       
       Im Gespräch mit Sat.1 forderte Friedman mit Blick auf die Landtagswahlen in
       Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst Engagement gegen die AfD. „Wir
       haben noch ein Dreivierteljahr“, sagte er. „Wir haben doch noch nicht
       aufgegeben.“ [5][Zur Debatte über ein mögliches AfD-Verbot sagte Friedman],
       gesetzlich gebe es diese Möglichkeit. Ob sie politisch opportun sei,
       darüber müsse man diskutieren. Denn ein solches Verbot benötige viel Zeit.
       
       ## Erneut demonstrieren Tausende gegen rechts
       
       Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner äußerte sich skeptisch. „Ich
       würde mir wünschen, dass es die AfD nicht gibt, aber ein Verbot sehe ich
       kritisch“, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
       (RND). Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte
       ebenfalls dem RND: „Ich bin gegen ein AfD-Verbot, weil es nicht reicht, den
       Rechtsextremismus auf dem Papier zu verbieten, sondern menschenverachtendes
       Gedankengut in den Köpfen bekämpft werden muss.“
       
       Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz von der SPD sagte dagegen dem rbb:
       „Es reicht nicht, festzustellen, dass die AfD in Teilen als gesichert
       rechtsextremistisch eingestuft wird, sondern hier muss jetzt wirklich
       geprüft werden, ist diese Partei eine Gefahr für die Bundesrepublik
       Deutschland.“
       
       Seit der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche haben Zehntausende in
       vielen Städten gegen Rechtsextremismus demonstriert. Am Mittwochabend kamen
       nach Angaben der Organisatoren in Freiburg 10.000 Menschen zusammen. Die
       Polizei ging von 6.000 bis 7.000 Leuten aus. In Berlin zogen der Polizei
       zufolge etwa 3.500 Menschen vor das Rote Rathaus. Auch in den kommenden
       Tagen sind weitere Demonstrationen geplant, unter anderem in München und
       Frankfurt.
       
       ## Wagenknecht kannte Mörig
       
       Bei der Talkshow Markus Lanz am Mittwochabend erklärte die frühere
       Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, sie habe in der Vergangenheit im
       Austausch mit Gernot Mörig gestanden, einem der Initiatoren des Potsdamer
       Rechtsextrementreffens. Das berichtete das ZDF. Mörig habe sie mehrfach per
       E-Mail kontaktiert und vermittelte ihr vor rund zehn Jahren ein Abendessen
       mit dem Kabarettisten Volker Pispers, an dem dann auch Mörig teilnahm.
       
       Wagenknecht, die mittlerweile die [6][Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“
       gegründet] hat, sagte, sie habe nicht gewusst, dass Mörig ein
       Rechtsradikaler sei. Zu möglichen Motiven sagte Wagenknecht, Mörig sei es
       wohl darum gegangen, Kontakte in Kreise zu bekommen, die sonst nichts mit
       Rechtsradikalen zu tun hätten.
       
       18 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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