# taz.de -- Kritik an Deutschlands Israel-Politik: Strafanzeige gegen die Regierung
       
       > „Beihilfe zum Völkermord“ in Gaza wirft eine Gruppe deutscher
       > Jurist*innen unter anderem dem Kanzler vor. Die Aussichten sind
       > allerdings gering.
       
 (IMG) Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz und Israels Präsident Izchak Herzog bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2024
       
       FREIBURG taz | Der neue Generalbundesanwalt Jens Rommel, der an diesem
       Montag in Karlsruhe ernannt wird, muss sich gleich mit dem Gaza-Krieg
       beschäftigen. Ende Februar ging bei der Bundesanwaltschaft eine
       Strafanzeige gegen Mitglieder der Bundesregierung wegen „Beihilfe zum
       Völkermord“ ein. Sie stammt von einer Gruppe Berliner
       Rechtsanwält:innen um Nadija Samour und von der Rechtsprofessorin Nora
       Salem, die an der Deutschen Universität Kairo lehrt.
       
       Die Anzeige richtet sich gegen die neun Mitglieder des
       Bundessicherheitsrats, der auch über Rüstungsexporte entscheidet. Neben
       Kanzler Olaf Scholz (SPD) gehören dem Gremium etwa Außenministerin Annalena
       Baerbock (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) an. Konkret wird
       ihnen vorgeworfen, dass im Jahr 2023 Rüstungsexporte im Wert von über 300
       Millionen Euro an Israel genehmigt wurden, Deutschland [1][seine Zahlungen
       an das UN-Hilfswerk für Palästina (UNRWA) ausgesetzt hat] und Israels
       Vorgehen durch Solidaritätsbekundungen politisch unterstützt wurde. Dies
       sei strafbar, weil es Beihilfe zu einem Völkermord Israels in Gaza sei.
       
       Die Jurist:innen berufen sich dabei auf eine [2][Eilentscheidung des
       Internationalen Gerichtshofs (IGH)] in Den Haag von Ende Januar. Darin
       wurde die Möglichkeit eines Völkermords in Gaza für „plausibel“ erklärt;
       Israel wurde aufgefordert, Genozidhandlungen seiner Armee zu verhindern.
       
       Ob in Gaza wirklich ein Völkermord geschieht, ist äußerst umstritten und
       wird auch vom IGH erst im Hauptverfahren geklärt. Entscheidend ist, ob
       Israel die Intention hat, die Palästinenser:innen in Gaza als Gruppe
       auszulöschen. Israel bestreitet dies; man bekämpfe nur die Hamas, die aber
       die palästinensische Zivilbevölkerung als Schutzschild missbrauche. Der IGH
       hielt den von Südafrika erhobenen Vorwurf zumindest für plausibel, weil es
       entsprechend zu verstehende Äußerungen des moderaten Präsidenten Izchak
       Herzog und der Likud-Minister Joav Galant und Israel Katz gab.
       
       ## Reicht ein Anfangsverdacht?
       
       Die Strafanzeige verweist darauf, dass für ein deutsches
       Ermittlungsverfahren ein Anfangsverdacht genüge. Vermutlich wird sich die
       Bundesanwaltschaft aber nicht in die Frage eines Völkermords einmischen,
       sondern auf die angeführten Beihilfehandlungen der Regierungsmitglieder
       konzentrieren.
       
       Hier ist die Argumentation der Strafanzeige eher schwach. So gibt es darin
       keinen Hinweis darauf, dass die genehmigten Waffen bereits geliefert
       wurden. Mit ungelieferten Waffen kann die Armee aber niemanden töten. Die
       Genehmigung neuer Mittel für das UNRWA hatte Deutschland auch nicht
       ausgesetzt, um die Not der Palästinenser:innen zu vergrößern, sondern
       weil wohl [3][UNRWA-Mitarbeiter am Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober
       beteiligt] waren. Als Ersatz hat die Bundesregierung die Mittel für das
       Rote Kreuz erhöht.
       
       Auch der Vorwurf der psychischen Beihilfe zum Völkermord dürfte nicht
       überzeugen: Neben Solidaritätsbekundungen gab es immer auch Versuche,
       mäßigend auf Israel einzuwirken.
       
       Es wird also voraussichtlich weder ein Ermittlungsverfahren noch eine
       Anklage wegen Beihilfe zum Völkermord geben.
       
       3 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Drohendes-Aus-fuer-UNRWA-Hilfswerk/!5992169
 (DIR) [2] /Internationaler-Gerichtshof/!5985388
 (DIR) [3] /Humanitaere-Hilfe-fuer-Gaza/!5988409
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Gaza-Krieg
 (DIR) Olaf Scholz
 (DIR) Außenpolitik
 (DIR) GNS
 (DIR) Internationaler Gerichtshof
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Jordanien
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Israel
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) UN-Gericht zu Israels Militäreinsatz: IGH verlangt Einsatz-Stopp in Rafah
       
       Der Internationale Gerichtshof urteilt, Israel müsse die Militäroffensive
       in Rafah unmittelbar abbrechen. Und: Die Hamas solle die Geiseln sofort
       freilassen.
       
 (DIR) Deutsche Waffenlieferungen an Israel: „Ausfuhrgenehmigungen stoppen“
       
       Die Menschenrechtsorganisation ECCHR will Deutschland juristisch daran
       hindern, Waffen an Israel zu liefern. Grund ist die Art der Kriegsführung
       in Gaza.
       
 (DIR) Palästina-Solidarität in Jordanien: Israel-Handel erzürnt Jordanier
       
       In Amman gehen wöchentlich Menschen für Palästina auf die Straße. Ein
       angeblicher Lkw-Versorgungskorridor nach Israel erhitzt die Gemüter.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Ägypten: „Fortschritt“ bei Geisel-Deal
       
       Ägyptens Staatsfernsehen meldet „bedeutenden Fortschritt“ bei den
       Verhandlungen um einen Geiseldeal und Waffenstillstand. Derweil hagelt es
       Kritik an Israel.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: US-Veto gegen Waffenruhe
       
       Im Weltsicherheitsrat scheitert eine Resolution für eine sofortige
       Waffenruhe in Gaza. US-Regierung: Verhandlungen nicht gefährden.
       
 (DIR) Klage gegen die Führung der Hamas: Geisel-Angehörige ziehen vor IStGH
       
       Angehörige der aus Israel nach Gaza entführten Geiseln fordern Haftbefehle
       für die Hamas-Spitze. In Den Haag haben sie nun Zeugenaussagen überreicht.
       
 (DIR) Internationaler Gerichtshof: Kein Ende der Kämpfe in Gaza
       
       Der Internationale Gerichtshof weist den Antrag auf Einstellung der
       Angriffe ab. Israel müsse aber Maßnahmen ergreifen, um einen Genozid zu
       vermeiden.