# taz.de -- Gegen Rassismus in Chemnitz: Ein Raum im Nazikiez
       
       > Chemnitz machte 2018 mit Neonazis-Ausschreitungen Schlagzeilen. Noch
       > immer sind rechte Strukturen stark. Fatima Maged will dem etwas
       > entgegensetzen.
       
 (IMG) Bild: Feiern gegen Nazis: Fatima Maged bei der Eröffnung des IZDA
       
       CHEMNITZ taz | Wer Fatima Maged begegnet, merkt im ersten Moment, dass sie
       durch und durch Optimistin ist. Während die 28-Jährige in ihrer Wohnung in
       Chemnitz Tee zubereitet, lacht sie herzhaft. Maged sprüht vor Lebensfreude.
       An der Wand ihres Wohnzimmers hängen selbstgemalte Bilder. „Das Leben der
       Menschen verschiedener Herkunft in Chemnitz ist gerade ein Neben- und nicht
       ein Miteinander“, sagt Maged.
       
       Auch wenn ihr das zusetze, habe sie nicht aufgegeben. „Hier gibt es einen
       kleinen Keim Hoffnung, der nicht vertrocknen darf, den man zu einer Pflanze
       wachsen lassen sollte“, sagt sie, und ihre dunklen Augen blitzen, während
       sie spricht.
       
       Chemnitz ist ein Ort der Widersprüche. Die Ästhetik der Ostalgie dominiert
       das Stadtbild. International erlangte die Stadt [1][2018 mit schweren
       rechtsextremen Ausschreitungen] und der Jagd auf „ausländisch“ gelesene
       Personen einen Platz auf der Weltbühne. Fatima Mageds in Deutschland
       geborener Bruder wurde damals Opfer dieser Gewaltausbrüche, stürzte und
       landete mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus.
       
       Für die Betroffenen, ihre Familien und alle von Rassismus und rechter
       Gewalt Betroffenen [2][wirken die Ausschreitungen bis heute] nach. Auch die
       [3][juristische Aufarbeitung läuft äußert schleppend]. Im Stadtbild bewegen
       sich die rechtsextremen Täter*innen von damals, – Nachbar*innen,
       Kolleg*innen oder Passant*innen – entsprechend selbstbewusst umher.
       
       ## Neuer Raum statt Nazikiez
       
       Seit 26 Jahren ist Chemnitz Mageds Zuhause. Sie ging hier in den
       Kindergarten, besuchte die Schule und machte eine Ausbildung. Dann
       studierte sie Medienmanagement in Mittweida, rund 20 Kilometer nördlich von
       Chemnitz. „Ich war so froh, studieren zu können – als migrantische Person,
       als Frau, im Rollstuhl. Als Person, die in verschiedene Randgruppen
       gesteckt wird“, sagt Maged.
       
       Heute arbeitet sie für den Dachverband sächsischer
       Migrantinnenorganisationen, leitet die internationale Redaktion
       „SpeakOutL_out“ des freien Radios in Chemnitz und steht einem neuen Verein
       vor, der die Stimmung in der Stadt ändern will: Dem Internationalen Zentrum
       für Demokratie und Aktion – kurz IZDA.
       
       Als sich Maged an einem Samstagnachmittag Anfang März die Gießerstraße im
       Bezirk Sonnenberg hinauf bewegt, empfangen andere IZDA-Mitglieder sie
       freudig. Der 28-jährige angehende Sozialarbeiter Ahmed Al Ahmed steht auf
       der kleinen Treppe vor dem Ladenlokal. Sonnenstrahlen fallen über die
       Häuserschluchten der Altbauten.
       
       Hier, wo militante Neonazis vor Jahren [4][einen vermeintlichen „Nazikiez“
       ausrufen] wollten, entsteht ein neuer Raum. Ein Raum, der durch
       migrantische Selbstorganisation geschaffen und getragen wird. Die
       Mitglieder stammen aus zwölf verschiedenen Ländern. Auch der Afghanische
       und der Arabische Verein beteiligen sich am Aufbau des Zentrums.
       
       ## Die Angst spielt eine Rolle
       
       Kurz vor seiner Eröffnung des IZDA steht vom Tresen nur das Skelett. Die
       Küche wird noch montiert. Die etwa 130 Quadratmeter sind eine riesige
       Baustelle. Arabische Musik ist zu hören. „In Chemnitz werden Migrantinnen
       politisch zu wenig repräsentiert“, sagt Maged. Tatsächlich sitzt kein
       Mensch mit Migrationsbiografie im Stadtrat. Dabei spiele auch die Angst
       vieler Menschen, sich zu engagieren, eine Rolle, sagt Maged. „Es ist immer
       noch schwierig, die Leute zu empowern und zu sagen: Es sind manche Dinge
       nicht gegeben, aber die können wir uns schaffen“.
       
       Etwa zehn Personen sind an diesem Märznachmittag in den Räumlichkeiten,
       Menschen mit und ohne Migrationserfahrung, Schüler*innen, Auszubildende,
       Studierende und Menschen, die mitten im Berufsleben stehen. Alle beteiligen
       sich am Aufbau des Zentrums. Einige wollen anonym bleiben. Unterschiedliche
       Personen versuchen, sich zu ergänzen und zu unterstützen. Seit eineinhalb
       Jahren arbeitet diese heterogene Gruppe am IZDA.
       
       Das Gesellschaftszentrum will das Konzept der Nachbarschaftsarbeit
       wiederbeleben. Eine Mischung aus Stadtteilarbeit, demokratischer
       Selbstorganisation und kulturellen Angeboten soll die verschiedenen
       Communities des Sonnenbergs sichtbarer machen im Alltag. Demokratie
       stärken, indem man neue Räume dafür schafft in Chemnitz – in Form eines
       Treffpunkts wie dem IZDA, in Form von Teilhabe. Darum geht es Maged und den
       anderen.
       
       Die Räumlichkeiten hat die Kreativ-Achse, eine Städtebauförderungsmaßnahme,
       die der nachhaltigen Stadtentwicklung dienen soll, vermittelt. Die
       Aufwertungsmaßnahme, die dem Leerstand in Chemnitz entgegenwirken soll,
       trägt für eineinhalb Jahre die Miete mit. Zusätzlich unterstützt die
       Bewegungsstiftung den Aufbau des Zentrums. „Wir wollen die
       Stadtgesellschaft bereichern und zum Besseren verändern“, heißt es auf der
       IZDA-Website.
       
       ## Eine Hochburg der Rechten
       
       Die gesellschaftliche Stimmung in Chemnitz wirkt oft rau. Betroffene
       erzählen, sie seien im Alltag regelmäßig rassistischen Anfeindungen
       ausgesetzt. Die Bandbreite erstreckt sich von subtilen Blicken,
       Beleidigungen, bis zu körperlichen Übergriffen. Die Beratungsstelle für
       Betroffene rechter Gewalt, der RAA Sachsen, sammelt die Taten in einer
       Chronik. Für Chemnitz sind im vergangenen Jahr über 61 rechtsextreme und
       rassistische Vorfälle dokumentiert, seit Beginn der Chronik 2008 sind es
       383. Insgesamt wurden für Sachsen 2023 912 rechtsextreme Vorfälle
       dokumentiert.
       
       Das Dunkelfeld dürfte allerdings riesig sein, denn die Betroffenen müssen
       zunächst von der Beratungsstelle wissen und deren Angebot in Anspruch
       nehmen. Mit der Thematisierung rechtsextremer Ausschreitungen in seiner
       Bewerbung, dem kulturellen Angebot und der Beschreibung von Gegenkonzepten
       wurde Chemnitz unter dem Motto „C the unseen – European Makers of
       Democracy“ zur europäischen Kulturhauptstadt 2025 gewählt.
       
       Die Stadt ist aber bis heute auch eine Hochburg der Rechtsextremen.
       Wöchentlich marschieren die „Freien Sachsen“ – oft widerspruchslos – durch
       die Stadt. Ritualisiert demonstriert die selbst vom Verfassungsschutz als
       gesichert rechtsextrem eingestufte Gruppe. Im Juni wollen sie zur
       Kommunalwahl antreten.
       
       Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren unterstützten – damals noch unter dem
       Namen „Pro Chemnitz“ – etwa sieben Prozent der Chemnitzer*innen die
       extrem Rechten. Die Chemnitzer AfD liegt derweil laut Umfragen des
       Meinungsforschungsinstituts FORSA für die Landtagswahl im Herbst bei 34
       Prozent.
       
       ## Rechtsextremes Fanal
       
       Zugleich errichten viele andere extrem Rechte Strukturen in Chemnitz. So
       eröffnete jüngst die Identitäre Bewegung einen Treffpunkt. Es gibt weitere
       Immobilien in der Hand verschiedener neonazistischer Organisationen. Bis
       heute leben NSU-Unterstützer*innen in Chemnitz und sind in der Szene aktiv,
       wie die Broschüre „Unter den Teppich gekehrt. Das Unterstützernetzwerk des
       NSU in Sachsen“ des Kulturbüros Sachsen e.V. belegt.
       
       Aus verschiedenen Regionen Deutschlands sind Neonazis in die
       Sachsenmetropole gezogen. In einer jüngst im Sammelband „Brennpunkte der
       neuen Rechten“ erschienenen Situationsanalyse des Journalisten Johannes
       Grunert und Forschers Johannes Kieß zeigt sich, dass die extreme Rechte in
       Chemnitz durch ihr Netzwerk immer wieder in der Lage ist, schnell und
       oftmals erfolgreich zu mobilisieren. „Der 26. August 2018 gilt als Fanal
       rechtsextremer Mobilisierung in Chemnitz, die allerdings auf eine längere
       Entwicklung in der Region aufbaute“, heißt es in der Situationsanalyse.
       
       Die Gruppe rund um das IZDA beschloss nach zahlreichen eigenen Erfahrungen:
       An der Situation in Chemnitz muss sich etwas ändern. „Wir wollen in den
       Medien und der Politik mit unseren Bedürfnissen repräsentiert werden“, sagt
       Maged. Deswegen das IZDA. Außerdem unterstützt die Gruppe bisher vor allem
       auch Demonstrationen verschiedener migrantischer Communities. Etwa vom
       „Zusammenschluss für Frieden im Nahen Osten“.
       
       Hier betont der Verein auf seinem Instagram-Kanal, dass man für die
       Freiheit aller Völker in Palästina-Israel und für den Schutz von
       Zivilist*innen auf die Straße gehe. „Zusammen sind wir gegen Rassismus
       und Antisemitismus“, heißt es weiter.
       
       ## Ein Drittel hat Migrationsgeschichte
       
       Zur Eröffnung des IZDA am 3. März herrscht große Aufregung. Wie viele Leute
       werden kommen, wird das Zentrum gut ankommen, rätseln die
       Organisator*innen. Die Getränke werden geliefert. Alkohol gibt es keinen.
       Das steht in den Hausregeln. Verboten sind auch illegale Drogen und
       jegliches diskriminierendes Verhalten. Nach und nach trudeln erste
       Freund*innen des IZDA-Teams ein.
       
       Das Buffet im Hinterzimmer, das später einmal ein Büro sein wird, füllt
       sich. Serviert wird unter anderem arabisches Brot, Nudelsalat, kleines
       selbstgemachtes Gebäck aus Blätterteig und Tabouleh. Auf dem Tresen vorne
       steht eine riesige Torte mit dem Logo des Zentrums, die eine aus Syrien
       geflohene Nachbarin gebacken hat.
       
       Die Gegend um das Zentrum IZDA gilt als Problembezirk. Zu Unrecht: In der
       Kriminalstatistik ist der Sonnenberg nicht besonders auffällig, sondern
       liegt im Mittelfeld. Etwa 17.000 Menschen wohnen hier. Ein Viertel aller
       Häuser steht leer. An vielen Stellen wird gebaut und renoviert. In den
       letzten fünf Jahren hat sich das Stadtbild stark verändert. Nach wie vor
       leben viele Menschen ohne Job im Viertel.
       
       Was für Chemnitz besonders ist, ist, dass ein Drittel der
       Bewohner*innen Migrationsgeschichte hat. Daher dürfte die Zuschreibung
       als „besonders kriminell“ nicht mehr als ein rassistisches Klischee sein.
       Das Leben pulsiert rund um eine Reihe arabischer Supermärkte und
       Restaurants auf der Fürstenstraße, wie an wenigen Orten in Chemnitz.
       
       ## Künstler*innen von überallher
       
       Im zukünftigen Beratungsraum des IZDA macht sich Dania Yabroudi für die
       Feier fertig. Die 20-Jährige Schülerin lernt eigentlich gerade für ihr
       Abitur. Seit sieben Jahren lebt sie in Chemnitz. Im IZDA sucht sie vor
       allem einen Ort, an dem sie nicht wegen ihrer Herkunft abgewertet wird.
       Bisher hat sie dieses Gefühl nur beim Theaterspielen in ihrer Schule
       gehabt, erzählt sie. Nach und nach trudeln mehr Gäste ein. Auch der MDR ist
       da. Vor der Tür beziehen zwei Securities Position. Bisher ignorieren die
       extrem Rechten das IZDA. Ob das so bleibt, ist ungewiss.
       
       Die Gruppe, die das IZDA organisiert, betritt die Bühne. Fatima Maged sagt:
       „Es ist so schön, euch alle zu sehen und dass wir so einen Raum in Chemnitz
       eröffnen, nach den letzten schweren Jahren in dieser in Teilen sehr
       rassistischen Stadt“. Ganz unterschiedliche Chemnitzer*innen sind da:
       junge Migrant*innen, weltoffene Zugezogene und alteingesessene
       Sonnenberger, wie der Chronist des Viertels.
       
       Mit ernster Miene betritt der erste Künstler die Bühne. Pouriya stammt aus
       dem Iran, ist Geiger und eröffnet mit Johann Sebastian Bachs „Arioso“. Eine
       halbe Stunde später folgt ein rasanter Stimmungswechsel: Der Vorsitzende
       des Migrationsbeirats, Pedro Montero, singt auf Spanisch und spielt dazu
       Gitarre. Es folgt ein Studierender aus China mit Gesangseinlagen.
       
       Endlich ist auch das Buffet eröffnet. Es gibt mehr zu essen, als die rund
       200 Besucher*innen verdrücken können. Aus verschiedensten Communities
       sind Menschen gekommen. So richtig Fahrt nimmt das internationale Fest auf,
       als ein kurdisches Duo aus Syrien mit Synthesizern und Gesang einheizt.
       Ahmed Al Ahmed von IZDA beginnt mit mehreren Freunden Dabke, einen
       orientalischen Tanz, vorzuführen. Nach und nach lassen sich immer mehr
       Besucher*innen darauf ein, tanzen mit. Rechte Angriffe scheinen fern.
       
       ## Der Abend: Ein Moment des Glücks
       
       Am frühen Abend endet die Eröffnungsfeier. Die Ägypter Mohammad und Ahmad
       spülen mit zwei Freunden in der Küche Teller. Das IZDA-Team schließt die
       Veranstaltungstechnik weg. Die letzten Besucher*innen bedanken sich für
       den gelungenen Nachmittag. Für das Team war der Tag ein voller Erfolg.
       
       „Ich habe so eine Feier in Chemnitz noch nicht erlebt“, sagt die 20-jährige
       Dania Yabroboudi und strahlt. Sie habe keinen Unterschied zwischen Menschen
       mit Migrationsbiografie und Deutschen gemerkt. Die Stimmung und die Musik
       hätten sie direkt in ihre Heimat Syrien zurückversetzt. „Zu unserem
       glücklichen Leben“, so Yabroudi. „Ich dachte: Wie schön ist das, dass ich
       sowas hier erlebe.“
       
       Alleine wegen der Eröffnung hätten sich die eineinhalb Jahre Arbeit
       gelohnt, sagt sie. „Ich habe gesehen, was ich sehen wollte: Dass viele
       Leute glücklich sind, eine gute Zeit verbringen und sich wohlfühlen, ohne
       komische Gefühle zu haben, ob sie genug sind oder nicht“, so Yabroudi. Wenn
       das Team so weitermache und die selbstgesteckten Ziele erfülle, dann werde
       sie alle Kraft, die sie habe, in das Projekt geben, sagt die 20-Jährige.
       
       Während am Abend vor dem Laden Ruhe eingekehrt ist, kommen zwei
       Anwohnerinnen aus dem Nachbarhaus. Bei der Feier waren sie nicht. An einem
       Bauzaun hängen noch letzte goldene Luftballons. Sie blicken argwöhnisch.
       Eine witzelt, man solle diese zerstechen, und lacht. Das IZDA-Team rollt
       über solche Aussagen nur die Augen. Aber der Kommentar der Passantinnen
       zeigt auch: Die eigentliche Arbeit für das Zentrum beginnt jetzt wohl erst.
       
       ## Hilfe bitter nötig
       
       In der Woche nach der Eröffnung beginnen zunächst regelmäßige
       Beratungsangebote. Überall in den Läden auf dem Sonnenberg hängen Plakate.
       Alle Beiträge werden mehrsprachig publiziert, um möglichst viele Menschen
       zu erreichen. „Hilfe mit Post, E-Mails, Anträgen und Bewerbungen“, heißt es
       zum „Offenen Büro“. Vor Ort helfen ehrenamtliche Behördendschungel-Profis
       bei diversen Anträgen, unter anderem Ahmed Al Ahmed, der angehende
       Sozialarbeiter.
       
       Gleich in der ersten Woche nehmen vier Nutzerinnen das Angebot wahr,
       schreibt das IZDA-Team der taz. Langsam aber sicher kommt das Zentrum in
       den verschiedenen Gemeinschaften in Chemnitz an. Zukünftig bieten mehrere
       solidarische Anwält*innen hier auch eine kostenlose Rechtsberatung an.
       Außerdem nutzt der SABS e.V. die Räumlichkeiten für zwei wöchentliche
       Sprechstunden für Menschen ohne Krankenversicherung.
       
       Bald soll es auch eine psychologische Beratung geben. Ein Sprach-Café,
       Nachhilfe, und dann irgendwann auch Abendveranstaltungen mit politischen
       Inhalten und internationalem Essen sind ebenfalls in Planung.
       
       Die Angebote sind bitter nötig. Es kommen zwar weiter Geflüchtete und
       Migrant*innen nach Chemnitz, die Stellen für die
       Geflüchteten-Sozialarbeit werden aber nicht ausgebaut. Tatsächlich wird der
       Betreuungsschlüssel immer schlechter. Wie eine Anfrage der Stadträtin
       Carolin Juler (Linke) ergab, war dieser im Jahr 2022 noch bei 1:80. Heute
       liegt er, laut Pressestelle der Stadt Chemnitz, bei „bis zu 1:100“. Dabei
       fordern eine Reihe Expert*innen in der Sozialen Arbeit einen Schlüssel von
       maximal 1:50.
       
       ## Rechtsextreme Meinungen: normal
       
       Die Geflüchteten-Sozialarbeit sei im Bereich der freiwilligen
       Kommunalaufgaben angesiedelt, erklärt Juler. Aufgrund des knappen
       Haushalts, aber immer mehr Aufgaben, die vom Bund an die Kommunen abgegeben
       würden, bleibe diese Art der Integrationsarbeit auf der Strecke, so Juler.
       Sie sitzt als Sprecherin für Gleichstellung und Migration ihrer Fraktion im
       Stadtrat.
       
       Sie sei zwar selbst nicht von Rassismus betroffen, aber im Kontakt mit
       Betroffenen, erzählt sie der taz. Neben deren Perspektive kenne sie aber
       auch die der überlasteten Stadtverwaltung. Dort seien zwei Personen für die
       Einbürgerungen zuständig, erzählt die Linke-Politikerin. Für zwei
       zusätzliche geschaffene Stellen habe sich kein Fachpersonal gefunden. Das
       führe zu Wartezeiten, die teilweise bei über zwei Jahren lägen. Daneben sei
       die Normalisierung rechtsextremer Meinungen in allen Teilen der
       Gesellschaft ein großes Problem, sagt Juler.
       
       Doch jüngst regte sich breiterer Widerstand in Chemnitz. „Ich merke, dass
       diese Enthüllungen der Correctiv-Recherche bei Betroffenen von Rassismus
       viel Angst ausgelöst haben – vor allem auch in Bezug zu 2018“, so Juler.
       12.000 kamen zu einer ersten Demonstration nach den Enthüllungen Anfang des
       Jahres. Ein riesiger Erfolg, von dem sie befürchte, dass er die Stimmung
       leider nicht herumreißen und die Rechten stoppen werde, so Juler.
       
       Doch was bedeutet das eigentlich, „die Rechten stoppen“? Eine Stärkung der
       demokratischen Zivilgesellschaft? Ein Rückgang rechter Übergriffe? Zu lange
       habe man weggesehen, kritisiert Juler. Auch die Initiative Kulturhauptstadt
       ändere daran nichts. Es gebe dort jetzt zwar ein Rahmenprogramm von zehn
       Veranstaltungen, wie die Ideen aus der Bewerbung aber letztendlich
       umgesetzt würden, stehe noch in den Sternen. Lange sei etwa um ein
       Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex gerungen worden, das nun zumindest
       interimsmäßig geschaffen wird.
       
       ## Förderung ungewiss
       
       Das IZDA selbst ist kein Projekt der Kulturhauptstadt. Bis August 2025
       unterstützt die Kreativ-Achse den Verein. Mitten im Kulturhauptstadt-Jahr
       endet dann die Förderung des interkulturellen Zentrums. Der Gruppe um das
       IZDA ist sich dessen bewusst. Bereits jetzt beantragen sie Mittel aus
       großen und kleineren Fördertöpfen, etwa aus dem einer Berliner Brauerei.
       
       Klar ist, dass je nach kommunalpolitischen Mehrheiten Fördermittel
       wegfallen könnten. Das Ziel sei deswegen, möglichst viele
       Fördermitglieder zu finden, um langfristig die Miete unabhängig von
       Stadt und Staat finanzieren zu können, erzählen die Mitglieder der taz.
       
       Die größte Hoffnung setzen sowohl Dania Yabroudi als auch Fatima Maged in
       die nun regelmäßig stattfindenden Frauentreffen. Denn besonders für
       migrantische Frauen fehlen in Chemnitz Räume. „Ich hoffe, dass die Frauen
       uns vertrauen“, sagt Yabroudi. Maged hofft, dass auch die Generation ihrer
       Mutter zu den Frauentreffen komme. Sie spüre gerade eine Aufbruchstimmung,
       sagt sie. „Ich habe das Gefühl, dass viele ihren Mut zusammennehmen und
       sich aus ihrem Kokon trauen“, so Maged.
       
       21 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Eine-ostdeutsche-Grossstadt-in-Aufruhr/!5532080
 (DIR) [2] https://verband-brg.de/presseerklaerung-rechtsstaat-laesst-betroffenen-neonazi-angriffs-in-chemnitz-ueber-5-jahre-im-stich/
 (DIR) [3] https://www.tolerantes-sachsen.de/pressemitteilung-zum-prozess-der-ausschreitungen-2018-in-chemnitz/
 (DIR) [4] /Rechte-Szene-in-Chemnitz/!5377926
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Trammer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Chemnitz
 (DIR) Schwerpunkt Neonazis
 (DIR) Migrationshintergrund
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) GNS
 (DIR) Rechtsruck
 (DIR) Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
 (DIR) Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Schwerpunkt Demos gegen rechts
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Schwerpunkt Wie umgehen mit Rechten?
       
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