# taz.de -- Ex-Sozialdemokrat Jan Emanuel: Schweden zuerst
       
       > Der schwedische Unternehmer Jan Emanuel will mit seiner neu gegründeten
       > rechten „Folklistan“ ins Europaparlament. Eine Forderung: das Asylrecht
       > abschaffen.
       
 (IMG) Bild: Rolls-Royce statt Volvo: Jan Emanuel von der neuen schwedischen „Folklistan“
       
       SCHWEDEN taz | Ein ordentlicher schwedischer Sozialdemokrat fährt Volvo?
       Jan Emanuel nicht. Er fährt Rolls-Royce, so viel er will. Der alte Konsens,
       dass ein bescheidener Auftritt wichtig sei – er interessiert ihn nicht.
       Geld hat der Schwede genug, seit er vor Jahren mit dem Verkauf eines
       Unternehmens an einen Investor reich wurde. Das Unternehmen war eine
       Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit sozialen Problemen. Umstrittene
       Methoden, umstrittener Deal, aber auch das war dem Mann, der nun Schweden
       in Aufruhr versetzt, egal.
       
       Der heute 49-Jährige war selbst mal so ein Jugendlicher. Er nennt sich
       Gründungsmitglied einer der ersten kriminellen Gangs in Schweden, Ende der
       80er war das. Sein Markenkern ist dabei seine Entwicklung: Von einem
       gewalttätigen Kriminellen mit Drogenproblemen wurde er zum Geschäftsmann –
       und Politiker. Von 2002 bis 2014 war Jan Emanuel für die Sozialdemokraten
       aktiv, im Reichstag und als Kommunalpolitiker. Es folgte die Entfremdung:
       Seine Partei sei nicht mehr dieselbe, hätte die Arbeiter im Stich gelassen.
       In öffentlichen Debatten äußerte er sich weiter.
       
       Seit dieser Woche ist der Mann mit Hipsterbart, Tattoos und Muskeln auch
       seine Parteimitgliedschaft los. Zuvor wurde bekannt, dass er Mitbegründer
       der neuen „Folklistan“ ist und deren Spitzenkandidat [1][für die Europawahl
       am 9. Juni] sein soll. Diese „Volksliste“ sorgt nun für Furore – mit ihren
       prominenten Namen und der erklärten Absicht, den Wahlkampf aufzumischen.
       
       Jan Emanuel und Co-Gründerin Sara Skyttedal, Europaabgeordnete und vor
       Kurzem noch Christdemokratin, betonen, es sei keine Partei. Es sei vielmehr
       eine „Wahlzusammenarbeit“. Jeder sei willkommen. Die Liste sei für Menschen
       gedacht, die „die hemmenden Parteikulturen und Parteipeitschen satthaben“.
       Der Tonfall ist ja auch in anderen Ländern nicht unbekannt – man ist gegen
       vermeintliche Denkverbote, gegen klassisches Links-rechts-Denken, für die
       einfachen Leute. Was dabei rauskommt, zeigt meist doch eher nach rechts.
       Grundvoraussetzung für die erhoffte Arbeit im nächsten Europaparlament: die
       schwedische EU-Mitgliedschaft neu zu verhandeln. Schweden zuerst.
       
       ## Konservative arbeiten mit Rechten zusammen
       
       Was die „Volksliste“ will, bleibt vorerst im Nebel. Nur eine Forderung ist
       bekannt: Sie will das Asylrecht abschaffen. Es habe ausgedient, sei aus
       einer Zeit vor der Globalisierung. Statt bedrohte Menschen in Europa
       aufzunehmen, solle ihnen vor Ort am jeweiligen Konfliktherd internationale
       Hilfe zukommen. [2][Die gerade beschlossene EU-Asylreform] sei in Teilen
       zwar gut, aber das ändere nichts daran, dass sie nur versuche, ein kaputtes
       Asylsystem zu flicken.
       
       Seit 2022 hat Schweden bereits eine konservative Regierung, die bewusst mit
       den rechtsextremen Schwedendemokraten zusammenarbeitet. Und die
       Migrationsministerin der Moderaten, Maria Malmer Stenergard, tritt selbst
       längst mit einem „Jetzt wird durchgegriffen“-Tonfall auf und versucht dabei
       wenig, um zwischen migrantischen Communitys und gewalttätiger
       Bandenkriminalität zu differenzieren.
       
       Letztere sieht auch Emanuel als zentrales Problem. Aber rechte Regierung
       hin oder her, auch die Moderaten gehören zum klassischen Parteiengefüge mit
       festgelegtem Programm – nicht sozial genug, zu EU-freundlich – kaum passend
       für Emanuel, der sich selbst mal als „konservativ links in einer eigenen
       Ecke“ bezeichnet hat, ohne Platz in einer eigenen Partei. Jetzt ist er mit
       der „Folklistan“ wieder als Politiker da. Keine zwei Monate mehr, dann wird
       sich zeigen, ob der Geschäftsmann Jan Emanuel damit den richtigen Riecher
       hatte.
       
       12 Apr 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Diekhoff
       
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