# taz.de -- Nancy Fraser von Uni Köln ausgeladen: Boykott mit Folgen
       
       > Nach dem 7. Oktober unterzeichnete die Philosophin Nancy Fraser den
       > Boykott-Aufruf „Philosophy for Palestine“. Jetzt wird sie selbst
       > boykottiert.
       
 (IMG) Bild: Nancy Fraser ist Philosophin und bekannte US-amerikanische Feministin
       
       Die Universität zu Köln versagt der [1][US-amerikanischen Philosophin Nancy
       Fraser] die geplante Albertus-Magnus-Professur. Die erwartbare Reaktion
       folgt: Eine kritische Stellungnahme renommierter Professorinnen und
       Professoren. Darunter die Philosophin Rahel Jaeggi, der Soziologe Axel
       Honneth und die emeritierte Yale-Professorin und Politikwissenschaftlerin
       Seyla Benhabib.
       
       Was sich [2][im Streit über Antisemitismus und Kunstfreiheit] schon zeigte,
       gilt auch für diesen: Im Holzschnitt geht das Detail verloren.
       
       Doch Details sind entscheidend: In der Ausladung Frasers witterten die
       Unterschreibenden schnell einen „weiteren Versuch, die öffentliche und
       wissenschaftliche Diskussion zu Israel und Palästina“ zu verhindern. Dabei
       stellten sie selbst fest, dass Nancy Fraser sich in den zwei geplanten
       Vorlesungen gar nicht mit Israel beschäftigen wollte.
       
       Von einem weiteren Versuch, die überfrachtete Diskussion zum Thema zu
       unterbinden, kann nicht die Rede sein. Von einem Angriff auf die
       Wissenschaftsfreiheit erst recht nicht – außer der eigene Freiheitsbegriff
       reduziert sich auf die Faustformel: Wer nicht mit Professuren ehrt, muss
       totalitär sein.
       
       Wer boykottiert wen? 
       
       Auch will man die Ausladung „unabhängig davon“ bewerten, welchen Inhalten
       sich Nancy Fraser mit ihrer Unterschrift unter [3][dem Aufruf „Philosophy
       for Palestine“] verschrieben hatte. Man übergeht ein weiteres Detail,
       nämlich die Frage: Wer boykottiert hier wen?
       
       Im Aufruf jener Philosophen sind es nicht die streitbaren Diskursphrasen
       „Apartheid“ und „Genozid“, die die wohlwollende Rhetorik hintertreiben. Es
       ist vielmehr die Tatsache, nur wenige Tage nach dem 7. Oktober, die
       Verantwortung für das schlimmste Massaker an Juden seit der Shoah auf
       Israel abzuwälzen und dann noch im gleichen Atemzug den Boykott aller
       israelischen Institutionen zu fordern – auch und gerade der
       wissenschaftlichen. Sich mit einer solchen Position gemein zu machen zeugt
       nicht gerade vom Willen zur Wissenschaftsfreiheit.
       
       In [4][Nancy Frasers Ausladung] einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit
       zu wähnen, verkehrt daher die Kausalkette und entleert den Begriff. Gleich
       noch mit einer Entwertung für den Wissenschaftsstandort Deutschland zu
       drohen suggeriert: Der nationale Erfolg bemisst sich am Grad der Verklärung
       antijüdischer Gewaltakte.
       
       Kritikwürdig bleibt indes auch, warum die Absage erst fünf Monate nach dem
       Aufruf erfolgte. Es sind Entkopplungen wie diese, die den immergleichen
       Zirkelschluss zulassen: den der Cancel Culture hinter verschlossenen Türen.
       
       8 Apr 2024
       
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