# taz.de -- Britischer Asyl-Deal: Nach Ruanda, fertig, los
       
       > Großbritanniens Parlament verabschiedet das Gesetz, das Abschiebungen
       > illegal eingereister Asylsuchender nach Ruanda ermöglichen soll.
       
 (IMG) Bild: Mit britischem Geld entstandene Modellunterkunft für Asylsuchende am Rand von Ruandas Hauptstadt Kigali, besichtigt im März 2023 von der damaligen britischen Innenministerin Suella Braverman
       
       BERLIN taz | Nach monatelangem Gezerre hat das britische Parlament
       endgültig das [1][Gesetz beschlossen], das Abschiebungen von Asylsuchenden
       nach Ruanda ermöglicht. Das Oberhaus verzichtete in der Nacht zu Dienstag
       auf Einsprüche gegen die Ablehnung seiner neuesten [2][Änderungsanträge]
       durch das Unterhaus. Der Gesetzentwurf [3][„Safety of Rwanda (Asylum and
       Immigration) Bill“] kann damit in Kraft treten, sobald der König ihn
       demnächst unterschreibt.
       
       Premierminister Rishi Sunak jubelte Dienstagfrüh über eine „grundlegende
       Veränderung des globalen Migrationssystems“. Das Gesetz werde Migranten von
       der gefährlichen Überquerung des Ärmelkanals abhalten und „das
       Geschäftsmodell der kriminellen Gangs brechen, die sie ausbeuten“, sagte
       er. Man mache den Menschen klar: „Wenn du illegal herkommst, kannst du
       nicht bleiben.“
       
       Konkret ermöglicht das [4][Ruanda-Gesetz] die Umsetzung des
       Asylpartnerschaftsabkommens zwischen Großbritannien und Ruanda, sobald auch
       dieses vom britischen Parlament ratifiziert worden ist – ein Schritt, der
       noch aussteht, aber nun als Formsache gilt.
       
       Der Flüchtlingsdeal geht auf den 13. April 2022 zurück, als die Regierungen
       in London und Kigali eine erste [5][Absichtserklärung] unterzeichneten.
       Diese umfasste einen „Mechanismus zur Umsiedlung von Asylsuchenden, deren
       Gesuche das Vereinigte Königreich nicht behandelt, nach Ruanda, das ihre
       Anträge behandeln und die Personen nach Entscheidung entweder ansiedeln
       oder entfernen wird, im Einklang mit den ruandischen Gesetzen, der
       Flüchtlingskonvention und geltenden internationalen Standards“.
       
       ## Triumph für Sunak nach Jahren der Mühe
       
       Ein erster Flug nach Ruanda im Juni 2022 wurde aber vom Europäischen
       Gerichtshof für Menschenrechte im Eilverfahren gestoppt. Im November 2023
       [6][kippte der Oberste Gericht]shof in London die Vereinbarung komplett, da
       Ruanda wegen Mängeln in seinem Asylsystem nicht als sicheres Drittland
       einzustufen sei. Um diese Bedenken auszuräumen, entstand [7][im Dezember
       2023] das neue [8][Asylpartnerschaftsabkommen].
       
       Anders als die Vereinbarung von 2022 sieht das Abkommen von 2023
       ausschließlich internationales Recht zur Behandlung von Asylanträgen der
       aus Großbritannien nach Ruanda zu bringenden Asylsuchenden vor. Es schließt
       ihre Abschiebung in ein Drittland aus, schreibt hohe Standards für
       Asylverfahren in Ruanda fest und richtet eine multinationale
       Commonwealth-Berufungsinstanz ein.
       
       Auf dieser Grundlage entstand das neue britische Gesetz, das in der
       Hauptsache Ruanda zum sicheren Drittland erklärt. Einwände gegen mögliche
       Abschiebungen nach Ruanda sind dann nur noch aufgrund der persönlichen
       Umstände einzelner Asylsuchender möglich, nicht mehr grundsätzlich.
       
       Für Premierminister Sunak ist das ein Triumph nach Jahren vergeblicher
       Mühe. Seit seinem Amtsantritt 2022 steht er unter Druck des rechten Flügels
       der Konservativen, weil die Zahl von Migranten und Flüchtlingen, die mit
       Schlauchbooten aus Frankreich nach Großbritannien kommen, massiv gestiegen
       ist, auf inzwischen mehrere Zehntausend im Jahr. Bei Kriegsflüchtlingen aus
       Ländern wie Syrien, Irak und Afghanistan stieß dies noch auf Verständnis,
       nicht aber bei den jüngsten Einreisewellen von Arbeitsmigranten aus Ländern
       wie Albanien und Vietnam.
       
       ## Ruanda bekommt für die Umsetzung sehr viel Geld
       
       Unter anderem deswegen erlebt die rechtspopulistische Partei Reform UK,
       gegründet von [9][Nigel Farage,] einen Höhenflug in den Umfragen zulasten
       der Konservativen, die in der Wählergunst hoffnungslos abgeschlagen hinter
       der Labour-Opposition liegen. Labour lehnt den Ruanda-Deal ab, will
       „illegale“ Migranten aber auch nicht hineinlassen, sondern setzt auf
       Abkommen mit den Herkunftsländern und mit der EU.
       
       Bei den bevorstehenden Wahlen dürfte das ein Hauptthema werden. Die
       Regierung hofft, schon in den nächsten Tagen die ersten Abschiebebescheide
       ausstellen zu können. Die ersten Flüge nach Kigali könnte es dann nach
       Abschluss der gerichtlichen Einzelfallprüfungen in zehn bis zwölf Wochen
       geben, also im Juli. Es könnte aber auch noch weitere Klagen geben.
       
       Für die Umsetzung des Asylabkommens bekommt Ruanda sehr viel Geld.
       Großbritannien hat [10][nach offiziellen Angaben] einen mit 370 Millionen
       Pfund (430 Millionen Euro) dotierten Economic Transformation and
       Integration Fund (ETIF) für Ruanda aufgesetzt, der unter anderem in Bildung
       und Gesundheit fließt. 220 Millionen wurden bereits ausbezahlt. Zum
       Vergleich: Ruandas laufender Staatshaushalt umfasst umgerechnet rund 3,65
       Milliarden Euro.
       
       Weitere 120 Millionen Pfund bekommt Ruanda nach Aufnahme der ersten 300
       Asylsuchenden, dazu 20.000 Pfund pro Person. Die laufenden Kosten des neuen
       Asylsystems sind darin noch gar nicht enthalten. Für Unterbringung und
       Unterhalt erhielt Ruanda 2022 einen Vorschuss von 20 Millionen Pfund, womit
       erste Modellunterkünfte erworben und gebaut wurden; ansonsten sieht die
       britische Regierung Zahlungen von bis zu rund 150.000 Pfund pro Person über
       fünf Jahre vor, was auch die Kosten der Asylverfahren decken soll.
       
       23 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Britisches-Parlament-fuer-Abschiebeplan/!6006477
 (DIR) [2] /Grossbritanniens-Asylpolitik/!5995887
 (DIR) [3] https://bills.parliament.uk/bills/3540/
 (DIR) [4] /Streit-ueber-Asylgesetz-in-Grossbritannien/!5986506
 (DIR) [5] https://www.gov.uk/government/publications/memorandum-of-understanding-mou-between-the-uk-and-rwanda
 (DIR) [6] https://www.supremecourt.uk/cases/docs/uksc-2023-0093-etc-judgment.pdf
 (DIR) [7] /Grossbritanniens-Ruanda-Deal/!5978500
 (DIR) [8] https://assets.publishing.service.gov.uk/media/656f51d30f12ef07a53e0295/UK-Rwanda_MEDP_-_English_-_Formatted__5_Dec_23__-_UK_VERSION.pdf
 (DIR) [9] /Neues-rechtes-Buendnis-in-Grossbritannien/!5987314
 (DIR) [10] https://www.nao.org.uk/reports/investigation-into-the-costs-of-the-uk-rwanda-partnership/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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