# taz.de -- Erinnerung an die Sklaverei: Wiedergutmachung im Fokus
       
       > Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es offensive Forderungen nach
       > Reparationen für die historische Sklaverei. Die Debatte wird global
       > lauter.
       
 (IMG) Bild: Der ghanaische Präsident, Nana Akufo-Addo, hält eine Rede vor der UN-Generalversammlung, am 20. September 2023
       
       Weltweit wird die Debatte über Aufarbeitung des transatlantischen
       Sklavenhandels und Reparationszahlungen lauter. Erst Mitte April forderten
       Menschen afrikanischer Abstammung während eines Forums der Vereinten
       Nationen zusätzliche Mittel für die Wiedergutmachung der Folgen des
       transatlantischen Sklavenhandels
       
       Mehr Aufmerksamkeit hat vergangenes Jahr Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo
       erhalten. Vor den Vereinten Nationen betonte der 80-Jährige, kein
       Geldbetrag würde jemals die Schrecken des transatlantischen Sklavenhandels
       und der jahrhundertelangen kolonialen Ausbeutung wettmachen. Aber
       Entschädigungszahlungen würden deutlich machen, dass „Böses begangen wurde,
       dass Millionen produktiver Afrikaner der Arme unseres Kontinents entrissen
       und in Amerika und der Karibik ohne Entschädigung zur Arbeit gezwungen
       wurden“.
       
       Akufo-Addo hat deshalb Europa und die USA aufgefordert, endlich
       anzuerkennen, dass sich der enorme Reichtum, den sie genießen, auf Schweiß
       und Tränen des afrikanischen Kontinents stützt. Bevor allerdings die
       Debatte um Reparationszahlungen beginne, verdiene der ganze Kontinent eine
       formelle Entschuldigung von Europa und allen anderen beteiligten Nationen.
       
       In einer gemeinsamen Erklärung hatten die Europäische Union und der
       Karibikstaatenbund Celac vergangenes Jahr erstmals anerkannt, dass der
       Sklavenhandel ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ darstelle. Was
       daraus folgt, blieb allerdings hoffen. Ein Ausschuss des EU-Parlaments
       empfahl Ende 2023 die Einrichtung eines ständigen EU-Forums, um über
       „Maßnahmen restaurativer Gerechtigkeit“ zu beraten. Der niederländische
       König Willem-Alexander bat vergangenes Jahr um Verzeihung für das Unrecht,
       das Hunderttausende Menschen durch die Sklaverei erlitten haben. In
       Großbritannien haben Nachfahren von Sklavenhändlern teilweise eigene
       Initiativen ergriffen, um Wiedergutmachung zu leisten.
       
       Weiter ist die Debatte in den USA, wo bis heute Millionen von Nachfahren
       ehemaliger Sklaven leben. Bereits im Jahr 2020 hatte der US-Bundesstaat
       Kalifornien als Erster eine „Reparation Task Force“ eingesetzt, um Fragen
       zur Wiedergutmachung zu beraten. In dem nun veröffentlichten Bericht heißt
       es, dass die Sklaverei bis heute Spuren in den USA hinterlassen habe – wie
       etwa das große Wohlstandsgefälle. Empfohlen werden in dem Bericht laut New
       York Times Zahlungen in Höhe von insgesamt bis zu 800 Milliarden US-Dollar
       an Kalifornier:innen, die Nachkommen versklavter Afroamerikaner oder
       freier Schwarzer sind, die vor dem Ende des 19. Jahrhunderts in den USA
       lebten. Mittlerweile berät das Landesparlament zwar über verschiedene
       Vorschläge, nicht jedoch über direkte Zahlungen.
       
       Bisher aber weltweit kaum debattiert wird die Rolle afrikanischer Herrscher
       während der Zeit des Sklavenhandels. Die Ashanti – das frühere Reich liegt
       im heutigen Ghana – tauschten ab dem 18. Jahrhundert versklavte Menschen
       gegen Schusswaffen ein, die für Kriege in der Region genutzt wurden. Auch
       Sklaven im einstigen Königreich Dahomey, das rund 20 Prozent der
       Staatsfläche des heutigen Benin ausmacht, wurden gegen Waffen eingetauscht
       oder mussten Zwangsarbeit in der Landwirtschaft leisten. Die Sklav:innen
       gehörten häufig anderen ethnischen Gruppen an und waren bei
       Auseinandersetzungen gefangen genommen worden. Vor 20 Jahren schrieb die
       ghanaische Historikerin Akosua Perbi, dass der transatlantische
       Sklavenhandel damals den indigenen Sklavenhandel nicht verdrängt habe.
       Beide Systeme hätten nebeneinander existiert und sich gegenseitig gestützt.
       
       10 May 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sklaverei
 (DIR) US-Sklaverei-Geschichte
 (DIR) Wiedergutmachung
 (DIR) Ghana
 (DIR) Rückforderungen
 (DIR) Kolonialismus
 (DIR) Recherchefonds Ausland
 (DIR) Sklavenhandel
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Westafrika
 (DIR) Senegal
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Glückstadt im 17. Jahrhundert: Toleranz und Sklaverei
       
       In Glückstadt ist man stolz auf die Gründungsgeschichte als
       „Toleranzstadt“. Doch die Stadt war am Sklavenhandel beteiligt, zeigen neue
       Forschungen.
       
 (DIR) Erinnerung an die Sklaverei: Licht in die Dunkelheit bringen
       
       In Westafrika entstehen zunehmend Erinnerungsorte und Museen, wo engagierte
       Einheimische die historische Sklaverei erfahrbar machen. Zwei Ortsbesuche.
       
 (DIR) Journalismus in Westafrika: Die große Freiheit – vorbei
       
       Ein Stipendium hat Katrin Gänsler vor 16 Jahren nach Westafrika gebracht.
       Jetzt kehrt sie zurück nach Deutschland – und zieht ein Resümee.
       
 (DIR) Senegals neuer Präsident im Amt: Mit zwei Frauen an die Macht
       
       Senegals linker Wahlsieger Diomaye Faye wird als neuer Präsident ins Amt
       eingeführt. Er ist der jüngste gewählte Präsident in Westafrika.