# taz.de -- Mit Kroaten bei Türkei gegen Holland: Revanche für die Krbava-Schlacht
       
       > Schlimm, schlimm, schlimm – so musste es ja zugehen beim vom Wolfsgruß
       > geprägten EM-Spiel. Stimmt halt nur nicht, fand auch der Besuch vom
       > Balkan.
       
 (IMG) Bild: Haben Spaß: Fans der Niederlande und der Türkei vor dem Olympiastadion in Berlin am 6. Juli
       
       Kroaten, insbesondere Dalmatiner sind aus historischen Gründen nicht gut
       auf Türken zu sprechen. Sie sagen: „Euch Deutschen haben die Türken 60
       Jahre das Klo geputzt. Gegen uns haben sie 500 Jahre Krieg geführt.“
       
       Letztes Wochenende hatte ich zwei U-30-Jungs aus Dalmatien zu Gast. Extra
       fürs EM-Viertelfinale waren sie angereist, der eine saß dafür zum ersten
       Mal im Flugzeug, der andere würde zum ersten Mal in einem Fußballstadion
       sein und beide zum ersten Mal in Berlin. Auf dem Weg zum Olympiastadion
       standen wir dicht gedrängt in einem stickigheißen S-Bahn-Waggon, in dem
       alle in riesige Türkei-Flaggen gehüllt waren, Wangen und Waden in Rot-Weiß
       bemalt hatten und irre laut riefen: „Türkiye! Türkiye!“
       
       „Holland! Holland“, riefen dagegen vier Oranje-Jungs in den Brüllpausen und
       brachten damit alle zum Lachen, auch sich selbst.
       
       Den sonst sehr coolen Gesichtern meiner U-30-Dalmatiner allerdings sehe ich
       an, dass sie sich unter den „Türkiye!“-Fans nicht so richtig wohlfühlen.
       Ich spreche den Typ an, der direkt vor mir steht und immer am lautesten
       brüllt: „Werden die Holländer das überleben?“ „Wir sind alle total
       gechillt“, antwortet er in einem überaus verkehrsfähigen Ton, berichtet,
       dass er aus Bielefeld kommt und scherzt mit einem kleinen Mädchen, das auf
       Kniehöhe zwischen uns steht. „Und wenn der Wolfsgruß gezeigt wird?“ „Chill,
       Schwester. Immer wird alles gegen uns gewendet. Nur weil wir Türken sind.
       Wir wollen Spaß haben. Wie alle anderen auch.“ Bommbommbomm haut er seine
       Hand gegen die Waggondecke: „Türkiye! Türkiye!“ „Holland! Holland!“,
       antwortet die orangene Mitte. Lachend verlassen wir alle den Zug.
       
       ## Respektvolle Distanz
       
       Meine U-30-Dalmatiner und ich haben das Wochenende in Kreuzberg verbracht,
       die Crack-Zombies in meinem Kiez fand der eine „ekelhaft“, der andere
       „Großstadtprogramm“. Dass der Kiez so türkisch geprägt war, hatten sie
       nicht geahnt, sagten zu jedem Kreuzberger Kebabverkäufer und jeder anderen
       Kreuzberger Kuriosität „çok güzel“, blieben aber sichtbar auf respektvoller
       Distanz. Bald forderten sie dann auch, endlich mal ein paar echte
       Brandenburger, Bratwürste und Biere zu Gesicht zu bekommen – dafür waren
       sie ja schließlich hergekommen.
       
       Fanmeile, Späti, Curry 36, Zoologischer Garten und das rein vegetarische
       Angebot in der taz-Kantine – „Danke, Doris, wir haben jetzt genug
       Deutschland gesehen“, lautete schnell ihr Fazit.
       
       Am Samstag dann auf dem Weg zwischen Bahn und Stadion setzen wir uns ins
       Olympia-Eck, das von „Türkiye!“-Fans belegt ist, hier und da wird das
       Wolfszeichen gezeigt. Ich gehe aufs Klo und hoffe, dass meine
       U-30-Dalmatiner in der Zwischenzeit nicht irgendwelche Türken dazu
       auffordern, die [1][Schlacht auf dem Krbava-Feld] von 1493 nachzustellen,
       um die historische Niederlage der Kroaten zu rächen.
       
       Als ich vom Klo zurückkomme, traue ich meinen Augen nicht: Die beiden haben
       neue Biere vor sich, liegen sich mit zwei „Türkiye!“-Fans in den Armen,
       scherzen, machen Selfies, tauschen Handynummern aus.
       
       Als das Spiel zu Ende ist, sind meine beiden U-30-Dalmatiner dann doch sehr
       glücklich über den Sieg der Oranjes. Wir stehen zwei Stunden vor dem
       U-Bahnhof in einem orangenen Block, aus dem hier und da Türkei-Fahnen
       wehen. Hier sind sich alle einig: ein großer Abend.
       
       Erst am nächsten Morgen sehen wir die Reaktionen auf unsere
       Social-Media-Posts aus dem Stadion. „Oha“, „Krass“, „Passt auf euch auf“.
       Wo ich hinklicke, sehe ich Häme und Abscheu gegen „Türkiye!“ – gerade auch
       von den Linken in meiner Bubble.
       
       Meine U-30-Dalmatiner schütteln den Kopf. „So ein Quatsch. Das Einzige, was
       gestern nicht ‚çok güzel‘ war, waren die Zombies vor deiner Haustür.“
       
       13 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_auf_dem_Krbava-Feld
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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