# taz.de -- Urteil zu linker Zeitung „Junge Welt“: Nennung ist rechtens
       
       > Der Verfassungsschutz nennt die Zeitung „Junge Welt“ seit Jahren in
       > seinen Berichten. Dagegen wehrt sich das Blatt vor Gericht. Bislang ohne
       > Erfolg.
       
 (IMG) Bild: Berlin, 18. Juni: Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer der Zeitung „Junge Welt“, zu Beginn der Hauptverhandlung
       
       BERLIN dpa | taz | Die [1][Zeitung Junge Welt] muss nach einem Urteil eine
       Nennung in Verfassungsschutzberichten hinnehmen. Die Bezeichnung
       „marxistisch-leninistisch“ für die Ausrichtung des Blattes sei zutreffend,
       entschied das Verwaltungsgericht Berlin. Aus Sicht des Gerichts gibt es
       keinen Anlass, dem Bundesinnenministerium eine weitere Verbreitung der
       Berichte zu untersagen, begründete der Vorsitzende Richter Wilfried Peters.
       
       Zwischen den Redakteuren und Autoren der Jungen Welt und der als
       linksextrem geltenden [2][Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)] gebe es
       sehr viele Bezüge, hieß es vom Gericht. Zudem bekenne sich die Junge Welt
       nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit. Früheren RAF-Terroristen biete das
       Blatt immer wieder eine Plattform.
       
       Damit blieb eine Klage des 1947 gegründeten überregionalen Blattes mit
       Hauptsitz in Berlin gegen das Ministerium ohne Erfolg. Die Zeitung war
       bereits im Eilverfahren 2022 damit gescheitert, eine Verbreitung der
       Berichte zu stoppen.
       
       Laut Verfassungsschutzbericht ist die Tageszeitung auch als „politischer
       Faktor“ zu sehen, etwa weil sie jährlich die Rosa-Luxemburg-Konferenz
       abhalte. Auch dieser Punkt ist aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden.
       „Sie sorgen nicht nur für einen Raum und Häppchen“, so Richter Peters.
       Vielmehr gehe es darum, das linksextreme Spektrum anzusprechen und einen
       politischen Prozess gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
       anzustoßen.
       
       ## Notfalls bis nach Karlsruhe
       
       Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Geschäftsführer Dietmar Koschmieder
       kündigte nach der Urteilsverkündung an, man werde weiter kämpfen und
       notfalls bis nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
       „Unsere Aufgabe bleibt, jeden Tag eine interessante, gutgemachte Zeitung zu
       machen, ein journalistisches Produkt zu machen“, sagte Koschmieder. Das
       aktive DKP-Mitglied warf dem Gericht vor, „krudes und dummes Zeug“ aus dem
       Verfassungsbericht einfach übernommen zu haben bei seiner Entscheidung.
       
       Man habe nicht mit einem Sieg in erster Instanz gerechnet, so Koschmieder.
       Da das Gericht keine grundsätzliche Bedeutung sah und keine Rechtsmittel
       gegen das Urteil zuließ, muss die Zeitung nun die Hürde nehmen, dass sich
       das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) mit dem Fall befasst.
       Diesen Versuch werde man unternehmen, so der Geschäftsführer.
       
       Die Junge Welt, die nach eigenen Angaben eine Auflage von 21.000 verkauften
       Exemplaren hat, sieht die Presse- und Meinungsfreiheit durch das Vorgehen
       des Inlandsgeheimdienstes gefährdet. Zudem entstünden durch die Erwähnung
       in den Berichten erhebliche Nachteile bei der redaktionellen Arbeit sowie
       bei Werbeerlösen.
       
       ## Eingriff in die Pressefreiheit?
       
       Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) äußerte Kritik. Vor der
       Urteilsverkündung [3][sagte er der Berliner Zeitung], dass mündige Bürger
       keine Interpretation des Verfassungsgerichts benötigten, um öffentlich
       zugängliche Texte zu interpretieren: „Der exekutive Tenor ‚Lest das nicht,
       das ist extremistisch‘, passt nicht in einen freiheitlichen Rechtsstaat.“
       
       Kritik kam auch von der außenpolitischen Sprecherin vom [4][Bündnis Sahra
       Wagenknecht (BSW)] im Bundestag, Sevim Dagdelen: Das Urteil leiste der
       Pressefreiheit und Demokratie in Deutschland einen Bärendienst. „Kritische
       Berichterstattung über Krieg und Kapitalismus ist kein Fall für den
       Verfassungsschutz, sondern als Teil der politischen Willensbildung zu
       verteidigen,“ so Dagdelen.
       
       Die Klage der Jungen Welt gegen das Bundesinnenministerium richtete sich
       zunächst gegen die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten für die
       Jahre 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2020. Inzwischen wurde sie erweitert
       auf weitere Publikationen bis 2023.
       
       19 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.jungewelt.de/
 (DIR) [2] /DKP-Chef-ueber-die-Zulassung-zur-Wahl/!5786016
 (DIR) [3] https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/schwerer-eingriff-in-pressefreiheit-warum-die-junge-welt-im-verfassungsschutzbericht-bleibt-li.2236638
 (DIR) [4] /Sahra-Wagenknecht/!6020869
       
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