# taz.de -- Cem Özdemir über Graue Wölfe: „Dieses Verbot ist überfällig“
       
       > Der Bundestag will, dass die türkischen Rechtsextremisten Graue Wölfe
       > verboten werden. Cem Özdemir von den Grünen hätte den Antrag gern klarer
       > formuliert.
       
 (IMG) Bild: Der Wolfsgruß: Zeichen der türkischen rechtsextremistischen Graue Wölfe
       
       taz: Herr Özdemir, Sie haben sich im Bundestag für einen
       fraktionsübergreifenden Antrag zu den Grauen Wölfen starkgemacht. Der
       Innenminister soll ein Verbot der türkischen Rechtsextremisten prüfen,
       [1][wie in Frankreich]. Warum jetzt? 
       
       Cem Özdemir: Dieses Verbot ist überfällig, aber jetzt gibt es ein
       Zeitfenster für eine Mehrheit. Der letzte Anlass waren die Bilder aus Lyon,
       wo das Mahnmal für die Opfer des Völkermords an den Armeniern und anderer
       christlicher Völker durch die Grauen Wölfe geschändet wurde. Diese Bewegung
       ist auch in Deutschland aktiv, sie versucht Menschen einzuschüchtern, die
       eine andere Meinung haben. Zudem gibt es ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wir
       haben in Deutschland die PKK verboten, aber diese Bewegung nicht – wohl aus
       Rücksichtnahme auf die türkische Regierung.
       
       Was macht die Gefahr der Grauen Wölfe aus? 
       
       Es ist eine ultranationalistische, rassistische und gewalttätige Bewegung
       mit antisemitischer Ideologie. In der Türkei ist sie [2][für Hunderte Morde
       verantwortlich] – an Linken, an Kurden, an Aleviten, an Andersdenkenden.
       
       Wie sind die Grauen Wölfe in Deutschland aufgestellt? 
       
       Es gibt mehrere Dachverbände mit Hunderten lokalen Organisationen. Manche
       Quellen gehen von mindestens 18.500 Mitgliedern allein der größten drei
       Dachverbände aus, damit wären die Grauen Wölfe die stärkste rechtsextreme
       Organisation hierzulande. Auch in Deutschland kämpfen sie für die Idee des
       Panturkismus, also eines Reiches der Turkvölker vom westlichen China bis
       zum Balkan. Und dabei stören die anderen. Was stören bedeutet, konnte man
       1915 am Schicksal der Armenier sehen.
       
       Welchen Einfluss haben die Grauen Wölfe auf die AKP, die Partei des
       türkischen Präsidenten Erdoğan? 
       
       Sie sind mit der MHP de facto eine Art Koalitionspartner in der Türkei und
       die eigentliche Macht im Staate. Denn Erdoğan kann sich nur noch an der
       Macht halten, weil er einen Pakt eingegangen ist mit dem türkischen
       Ultranationalismus. Das geht so weit, dass er und Leute aus der AKP-Spitze
       immer häufiger mit dem Wolfsgruß gesichtet werden, selbst in Deutschland.
       Das ist ein sehr klares Signal, dass die extreme Form des Nationalismus bis
       in die Spitze des türkischen Staates Unterstützung findet. Das war auch
       eines der Probleme bei der Erstellung des gemeinsamen Antrags im Bundestag.
       
       Inwiefern? 
       
       Der Auftrag an die Bundesregierung hinsichtlich der Grauen Wölfe ist
       deutlich formuliert. Aber Sie können sich vorstellen, dass ich die
       Verbindungen der Grauen Wölfe zur türkischen Regierung gerne klarer benannt
       hätte. Warum das nicht möglich war, müssen Sie die SPD-Fraktion fragen.
       
       Es gibt immer wieder Berichte, zuletzt bei den Kommunalwahlen in NRW, dass
       Anhänger der Grauen Wölfe versuchen, Einfluss zum Beispiel auf die CDU zu
       nehmen. Gehört das zur Strategie? 
       
       Ja, alle Parteien haben sicher mal Mitglieder aus diesem Bereich gehabt. In
       meiner Zeit als Bundesvorsitzender habe ich versucht, da bei uns massiv
       Druck zu machen, um diese Einflussnahme zu verhindern. Bei den
       Kommunalwahlen in NRW gab es einige krasse Fälle bei der CDU, zum Beispiel
       einen vermeintlichen Anhänger der Grauen Wölfe in Duisburg und einen
       Erdoğan-Lobbyisten und Leugner des Genozids an den Armeniern in
       Gelsenkirchen.
       
       Sind Sie selbst von den Grauen Wölfen schon bedroht worden? 
       
       Es gab bereits die eine oder andere Begegnung mit Anhängern dieser
       Bewegung. Es gibt schon Gründe, warum ich bei Veranstaltungen, und wenn ich
       unterwegs bin, durch das Bundeskriminalamt geschützt werde.
       
       17 Nov 2020
       
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