# taz.de -- Die Wahl für Betroffene rechter Gewalt: Kampf gegen rechts – aber wie?
       
       > Das BKA zählt über 1.000 rechtsextreme Gewaltdelikte für 2020. Im
       > Wahlkampf spielt das kaum eine Rolle. Dabei haben die Parteien durchaus
       > Ideen.
       
 (IMG) Bild: Wenn Rechtsextremismus und Rassismus tödlich endet: Erinnern an den Anschlag von Hanau
       
       BERLIN taz | Es ist ein Hass, der viele trifft. [1][1.092 rechtsextreme
       Gewaltdelikte] zählt das BKA für 2020, ein Anstieg um 10 Prozent –
       Opferverbände kommen auf noch höhere Zahlen. Auch [2][antisemitische
       Vorfälle nehmen zu], Rassismus ist im Alltag weit verbreitet. Die tödlichen
       Anschläge von Hanau, Halle und auf Walter Lübcke liegen noch nicht lange
       zurück. Bei dieser Dimension ist es erstaunlich, wie wenig präsent die
       Gefahr von rechts im Wahlkampf ist.
       
       Dabei thematisieren die Parteien diesen Hass in ihren Wahlprogrammen
       durchaus und erklären ihn unisono als demokratiegefährend. Mit Ausnahme der
       [3][AfD], bei der Rechtsextremismus nur in einem Halbsatz auftaucht – dass
       jüdisches Leben in Deutschland nicht nur von Rechtsextremisten, sondern
       auch von „juden- und israelfeindlichen Muslimen“ bedroht werde.
       Überraschend ist das nicht: Die Partei ist selbst von Rechtsextremen
       geprägt, der Verfassungsschutz wollte sie [4][entsprechend einstufen].
       
       Selbst die CDU äußert sich, anders als früher, dagegen klar: „Der
       Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für unsere offene Gesellschaft.“
       Dem Bundestag sollen künftig regelmäßig Extremismusberichte vorgelegt
       werden, Opfer von Hass mehr Hilfe erhalten. Die Grünen wollen für
       Betroffene rechter Gewalt einen Hilfsfonds auflegen, die Linke ein
       humanitäres Bleiberecht erwirken, wenn es Menschen ohne festen
       Aufenthaltsstatus trifft. Auch die FDP fordert mehr Schutz für gefährdete
       Gruppen und ihre Einrichtungen.
       
       Was aber tun gegen den Hass? Einig sind sich die Parteien, dass – wo immer
       möglich – [5][rechtsextreme Gruppen verboten] gehören, die [6][Szene
       entwaffnet] werden soll und Hass im Netz strenger verfolgt. Die CDU setzt
       auf den starken Staaten: Gefährder, auch rechtsextreme, sollen strenger
       überwacht und bei der ersten Straftat in Sicherungsverwahrung gesteckt
       werden. Ihnen drohen „Grundrechtsverwirkungen“.
       
       Interessant für Jamaika: Auch Grüne und FDP schließen sich einer schärferen
       Überwachung rechtsextremer Gefährder an. Die SPD will rechte Straftaten
       besser erfassen und ahnden, mit einer Bund-Länder-Kommission und
       Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Die Linke fordert zwar auch
       „Ermittlungsschwerpunkte“ bei BKA und Bundesanwaltschaft, setzt sonst aber
       weniger auf den Staat: Sie will vielmehr „antifaschistische Arbeit in der
       Zivilgesellschaft fördern“ – die oft früher als die Behörden vor rechten
       Gefahren warne und „dahin geht, wo es wehtut“.
       
       Neu ist ein Fokus auf [7][rechte Umtriebe in den Sicherheitsbehörden]. So
       bekennt die Union zumindest für die Bundeswehr, dass dort für Extremisten
       „kein Platz“ sei. Die SPD will diese auch bei den anderen
       Sicherheitsbehörden „konsequent bekämpfen“, etwa mit Weiterbildungen und
       guten Arbeitsbedingungen. Grüne und Linke plädieren darüber hinaus für
       Studien über Rechtsextremismus in den Behörden und ein Ende des [8][Racial
       Profiling]. Die FDP will einen Beirat „Innere Führung“ bei der Polizei.
       „Für Menschen mit gefährlichen rechtsextremen Einstellungen ist im
       öffentlichen Dienst kein Platz“, heißt es dort.
       
       ## Streit um Verfassungsschutz und Demokratiefördergesetz
       
       Der [9][Verfassungsschutz], der den Rechtsextremismus als Frühwarnsystem
       bekämpfen soll, bleibt dagegen umstritten. Die Linke will ihn weiter
       abschaffen und durch eine „unabhängige Beobachtungsstelle“ ersetzen – das
       Amt sei „nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“. Die Grünen
       wollen nur noch einen Rumpfdienst für Terrorbekämpfung und Spionageabwehr
       behalten, den Rest soll ein wissenschaftliches Institut erledigen. Die FDP
       will ein paar Landesämter einsparen. Die SPD setzt dagegen auf den Status
       quo. Und die CDU betont explizit: „Jede Form einer Schwächung des
       Verfassungsschutzes lehnen wir ab.“
       
       Selbst bei der Prävention gegen rechte Gewalt – die im Prinzip von allen
       gefordert wird – herrscht keine Einigkeit. SPD, Grüne und Linke wollen die
       [10][Förderung von Demokratieprojekten] ausbauen, auch mittels eines
       Demokratiefördergesetzes. Auch die FDP zeigt sich hierfür offen, plädiert
       „für eine verlässliche finanzielle Grundlage“ der Projekte.
       
       Die Union ließ solch ein Gesetz in der vergangenen Legislatur [11][dagegen
       scheitern] – und will von den Initiativen künftig wieder mit einer
       „Demokratieklausel“ ein Bekenntnis zur Verfassung verlangen. Die gab’s
       schon mal. [12][2014 wurde sie wieder abgeschafft] – nachdem die Projekte
       gegen einen Generalverdacht protestierten.
       
       Grüne und Linke wollen dagegen auch aus der Vergangenheit lernen. Die Linke
       fordert einen Untersuchungsausschuss zu rechtem Terror und die Offenlegung
       aller NSU-Akten. Die Grünen wollen ein Archiv über rechten Terror anlegen,
       ebenfalls mit den NSU-Akten – in Hessen hat die Partei eine Offenlegung der
       Akten [13][zuletzt indes blockiert].
       
       ## Gesellschaftswandel als Gegenmittel zum Hass
       
       Die linken Parteien sehen eine Lösung des Problems letztlich aber nur in
       einem grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel. Die SPD fordert hier
       wolkig eine Gesellschaft, „die von gegenseitigem Respekt getragen wird“.
       Die Linke will „den Rechten den sozialen Nährboden entziehen“. Dafür
       brauche es eine Politik gleicher Rechte für alle und „massive
       Investitionen“ in öffentlichen Wohnraum, Gesundheitsversorgung oder Bildung
       – da sonst Spaltungen und Ausgrenzung fortbestünden. Auch müsse
       Antidiskriminierung staatlich forciert werden, mit einem
       Bundesbeauftragten, einer Migrantenquote in der öffentlichen Verwaltung
       oder einem eigenen Bundesministerium für Migration und Partizipation.
       
       Auch die Grünen fordern, Migrant:innen mehr Teilhabe und Repräsentanz zu
       ermöglichen, etwa mit einem gesetzlich verankerten Leitbild einer
       Einwanderungsgesellschaft. Die Gesellschaft müsse Vielfalt endlich als
       „Reichtum“ begreifen – dann „schützen wir uns gegenseitig vor Gewalt“.
       
       22 Sep 2021
       
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