# taz.de -- Film über Ingeborg Bachmann: Tableaus einer Beziehung
       
       > In „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ umkreist Margarethe von
       > Trotta die Beziehung der Dichterin zu Max Frisch. Gerecht wird sie ihr
       > damit nicht.
       
 (IMG) Bild: Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld in „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste
       
       „Meine Wüste, meine einzige, meine sanfte Vorhölle, meine Erlösung.“ Diese
       Bachmann-Zeile ist das letzte Bild dieses Films, der damit ausklingt, oder
       damit verschwindet, dass aus dem Flimmern der Wüste eine schlanke
       Frauengestalt auf die Kamera zu schreitet, verschwommen wie eine Fata
       Morgana, bis sie in der Nähe aus diesen Schleiern der Wahrnehmung
       heraustritt und mit den Augen von [1][Vicky Krieps] direkt in die Augen der
       ZuschauerInnen blickt.
       
       Krieps spielt Ingeborg Bachmann in diesem Film von Margarethe von Trotta,
       und Ronald Zehrfeld ist Max Frisch, mit dem die Dichterin im wirklichen
       Leben eine vier Jahre währende Liebesbeziehung hatte, über deren Intensität
       und deren unglücklichen Verlauf mittlerweile auch durch die
       Veröffentlichung des Briefwechsels der beiden vor ein paar Jahren eine
       ganze Menge bekannt ist. Von Trotta – die auch das Drehbuch verfasst hat –
       begibt sich also auf sehr intimes Terrain, wenn sie Bachmanns Verhältnis zu
       Frisch als Fokus ihres Films wählt. Es ist fraglich, ob das eine gute
       Entscheidung war.
       
       [2][Von Trottas Biopics über Hannah Arendt] und Rosa Luxemburg hatten
       durchaus auch die privaten Seiten der Porträtierten gezeigt, aber diese
       Aspekte nicht in den Vordergrund gestellt. Es ließe sich einwenden, dass im
       Falle von Ingeborg Bachmann das Privatleben, also geglückte oder
       unglückliche Lieben, durchaus einen großen Einfluss auf ihr Werk hatte.
       Aber dieses Werk selbst kommt im Film nur am Rande vor; und die Bachmann,
       die er porträtiert, wird allen, denen ihr schriftstellerisches Werk bislang
       eher unvertraut war (oder wird vorausgesetzt, dass solche Menschen diesen
       Film ohnehin nicht sehen würden?), vor allem als ziemlich kapriziöse
       Schönheit in Erinnerung bleiben, die gern Italienisch sprach, von Max
       Frisch unglücklich gemacht wurde und vielleicht unbewusst unter ihrer
       Kinderlosigkeit litt.
       
       Hintergründe fehlen 
       
       Dass die Dichterin irgendwann der Lyrik abgeschworen hat, wird zwar
       wiederholt thematisiert, auch der große Erfolg von „Der gute Gott von
       Manhattan“ wird deutlich. Aber dass gerade dieses Hörspiel Frisch so
       begeisterte, dass er der Autorin einen Brief schrieb und sie unbedingt
       treffen wollte – das lässt sich als Aha-Information im Presseheft nachlesen
       –, bleibt im Film außen vor. In diesem scheint es vielmehr so, als seien
       die beiden eher zufällig in Paris aufeinander getroffen. Natürlich ist ein
       Spielfilm kein Schulfunk, aber ab und an etwas Hintergrund einzuflechten,
       muss der Kunst nicht immer abträglich sein. Und ist es nicht eigentlich von
       großer Bedeutung für die Beziehung der beiden, dass Frisch dieses Treffen
       absichtlich herbeigeführt hatte?
       
       Und dann stellt sich die Frage, wie weit man in der Fiktionalisierung des
       Liebeslebens von Menschen gehen will, die für doch recht viele der heute
       noch lebenden ZeitgenossInnen waren. Von Trotta scheint einen Zwischenweg
       zu versuchen: nicht zu nah heranzugehen, aber die wichtigsten
       Konfliktstellen deutlich genug herauszuarbeiten. Das Ergebnis ist ein
       ziemlich tableauhaftes, oft geradezu statisches Bebildern von Szenen einer
       Beziehung. Wenig Bewegung und nur sehr sparsam inszenierte Emotion wird
       gezeigt, die Dramaturgie scheint in der Aneinanderreihung von
       Schlüsselmomenten zu bestehen.
       
       Ein erzählerischer Drive sieht anders aus; aber worin die Probleme
       bestehen, versteht man immerhin gut. Sie sind nicht kompliziert, nur
       vielfältig. Er nennt sie „mein Mädchen“, will von ihr bekocht werden, ist
       aber neidisch auf ihre größere künstlerische Bedeutung, die er andererseits
       fraglos anerkennt. Sie fühlt sich von ihm nicht als gleichberechtigt
       angenommen, ist genervt von seinem Schreibmaschinengeklapper (sie selbst
       schreibt von Hand) und sehnt sich nach Rom, zieht aber trotzdem zu ihm nach
       Zürich. Später, nun in Rom, fühlt er sich außen vor, mag kein Italienisch
       lernen und wirft ihr vor, die Diva zu spielen. Er will mehr Nähe, sie
       entzieht sich. Es klappt einfach nicht. Nach dem Scheitern der Beziehung
       rettet die Dichterin sich auf eine Reise in die Wüste mit einem jungen
       Mann.
       
       Und irgendwie scheint das auch besser zu dieser Film-Bachmann zu passen.
       Die Dichterin ist mit Vicky Krieps nicht wirklich ideal besetzt. Vor allem,
       dass Krieps ihre eigene, umgangssprachliche Diktion, in der Wortendungen
       grundsätzlich verschliffen werden, nicht die Spur an den viel sorgfältiger
       artikulierenden Zungenschlag anpasst, der der von ihr Dargestellten eigen
       war, ist störend und unverständlich. Diese Eigenart fällt um so mehr auf,
       als Ronald Zehrfeld eine ganz erstaunliche Verwandlung in Max Frisch
       gelingt – oder jedenfalls in einen Frisch, wie er gewesen sein könnte: vom
       würdevoll-statuarischen Habitus über das beherrschte Mienenspiel bis hin
       zur tiefergelegten Sprechstimme.
       
       Und was soll eigentlich die Wüste? Sie stellt eine dankbare, nicht zuletzt
       sehr fotogene filmische Metapher für alles dar, was in einer Beziehung
       unerfüllt geblieben ist. Aber gerade, weil diese zeichenhafte Absicht so
       überdeutlich durch die Bilder hindurchscheint, ist der Effekt eher
       bedeutungshuberisch als poetisch.
       
       23 Oct 2023
       
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