# taz.de -- Grundrechtereport für 2024: Freiheitscheck im Taschenbuchformat
       
       > Der Grundrechtereport versteht sich als Bericht über den Zustand der
       > Demokratie im Land. Bei der Bilanz 2023 geht es um Zuwanderung – und
       > Amazon.
       
 (IMG) Bild: Misstrauen des Staates gegenüber Bürger*innen sei „tödlich für die Demokratie“, sagte Gerhart Baum, Ex-FDP-Minister, am Mittwoch
       
       „Nur wer selbstkritisch ist, ist auch glaubwürdig.“ Diesen Rat gab
       Alt-Bürgerrechtler Gerhart Baum (FDP) allen mit auf den Weg, die in diesen
       Tagen den 75. Geburtstag des Grundgesetzes feiern. Baum sprach am Mittwoch
       in Berlin bei der Vorstellung [1][des jährlich erscheinenden
       Grundrechtereports], den er als „wichtiges Korrektiv zur amtlichen
       Darstellung der Demokratie“ lobte. Der Grundrechtereport versteht sich als
       alternativer Verfassungsschutzbericht. Seit 1997 veröffentlichen ihn zehn
       Bürgerrechts-Organisationen – von der Humanistischen Union bis Pro Asyl –
       als Taschenbuch.
       
       Laudator Baum zeigte sich betrübt, wie wenig der Gedanke der
       Meinungsfreiheit noch in der Gesellschaft verankert sei. Bürger schrieben
       ihm etwa, warum die Werbung für ein Kalifat nicht verboten werde. „Mich
       verwundert das Erstaunen, wie groß die Freiheit bei uns ist“, sagte Baum
       dazu.
       
       Aber auch die „Gesinnungsschnüffelei“ des Staates lehnt Baum ab. „Warum
       muss ich versichern, dass ich zur freiheitlichen demokratischen
       Grundordnung stehe, wenn ich einen Antrag auf finanzielle Förderung
       stelle?“ Es genüge doch, wenn Gelder verfallen, nachdem eine Initiative
       gegen die Gesetze verstoßen hat. Das vorsorgliche generelle Misstrauen des
       Staates sei „tödlich für die Demokratie“, so Baum. „Wir sind doch der
       Souverän. Wir haben dem Staat nicht zu beweisen, dass wir Demokraten sind.“
       
       Baum zeigte „Verständnis“ für den „Abwehrkampf gegen ungeregelte
       Zuwanderung. Schließlich seien die Kapazitäten der Kommunen nach der
       [2][Aufnahme von über einer Million Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine]
       erschöpft. Baum zeigte sich dennoch „verstört“, wie die asylrechtliche
       Diskussion derzeit läuft. Insbesondere bei der CDU gehe es gar nicht mehr
       um Schutz, sondern nur noch um Abwehr.
       
       Besonders absurd findet Baum die Vorstellung der CDU, Asylverfahren in
       Ruanda oder anderen vermeintlich sicheren Drittstaaten durchzuführen.
       „Nehmen wir an, der russische Oppositionelle Alexei Nawalny hätte bei uns
       Asyl beantragt, dann wäre er nach Ruanda gebracht worden und hätte dort
       seinen Kampf weiterführen müssen, selbst wenn er als politisch Verfolgter
       anerkannt worden wäre.“
       
       In Nordhausen arbeitet Stefanie Tiepelmann-Halm als Geschäftsführerin des
       Vereins schrankenlos, der Beratung für Asylsuchende anbietet und ein
       interkulturelles Café betreibt. Sie schilderte bei der Präsentation des
       Grundrechtereports am Mittwoch, wie sich die Situation für Flüchtlinge in
       einer Thüringer Stadt verschärft habe. „Immer wieder werden sie im
       Supermarkt oder auf der Straße beschimpft und beleidigt. An den Hauswänden
       stehen Schmierereien wie ‚Deutsche, wehrt Euch‘. Bei einer Familie stand
       neulich nachts um drei ein schweigender, schwarz gekleideter Mann vor der
       Tür, um sie einzuschüchtern.“
       
       ## Die AfD verhindern
       
       Im vorigen September war es der Zivilgesellschaft in Nordhausen gelungen,
       den ersten Oberbürgermeister der AfD zu verhindern. „In den zwei Wochen bis
       zur Stichwahl haben wir ein beeindruckendes Bündnis ‚Nordhausen zusammen‘
       auf die Beine gestellt“, erinnert sich Tiepelmann-Halm. Das Bündnis gebe es
       immer noch, viele Aktive seien aber ausgebrannt – auch weil sie zu wenig
       mit den bereits bestehenden zivilgesellschaftlichen Organisationen
       zusammenarbeiteten.
       
       Hedi Toumsi wiederum ist Betriebsrat in einem Amazon-Verteilzentrum im
       niedersächsischen Winsen/Luhe. Er forderte, dass der Onlineversandhändler
       endlich einen Tarifvertrag für seine Beschäftigten abschließen muss. Die
       Politik müsse zudem die Bildung von Betriebsräten gesetzlich vorschreiben,
       statt sie der Initiative von Beschäftigten zu überlassen.
       
       23 May 2024
       
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