# taz.de -- Italien vor den Parlamentswahlen: Italiens Rechte auf der Überholspur
       
       > Vor Italiens vorgezogenen Parlamentswahlen im September präsentiert sich
       > das rechte Lager geeint. Das Mitte-links-Bündnis hingegen wackelt
       > gewaltig.
       
 (IMG) Bild: Setzt sich in Italiens Rechter durch: Postfaschistin Giorgia Meloni
       
       ROM taz | Angesichts der [1][Parlamentswahlen] am 25. September bringen
       sich in Italien die politischen Lager in Stellung. Die favorisierte
       [2][Rechte] hat ihre Reihen geschlossen, im Mitte-links-Lager dagegen geht
       das Gezerre um ein Wahlbündnis weiter – ganz zum Vorteil der Rechten.
       
       Am Mittwochabend trafen sich die Anführer*innen der Rechtsformationen
       in Rom zu einem Gipfel, um zwei Fragen zu klären. Wer hat nach der Wahl
       Zugriff auf das Amt des Ministerpräsidenten? Und nach welchem Schlüssel
       sollen die Wahlkreise zwischen den Parteien der Allianz aufgeteilt werden?
       
       Eindeutig stärkste Kraft im rechtspopulistischen Lager ist derzeit die
       postfaschistische Partei Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) unter
       Giorgia Meloni mit 23 bis 24 Prozent in den Meinungsumfragen. Die Lega
       unter [3][Matteo Salvini] musste dagegen einen Abstieg auf 14 Prozent
       hinnehmen, und Silvio Berlusconis Forza Italia kommt nicht über 10 Prozent
       hinaus. Hinzu kommen drei kleinere Zentrumslisten, die zusammen 5 Prozent
       erreichen.
       
       Für Meloni war deshalb klar: Die Partei, die im Bündnis am Wahlabend vorne
       liegt, hat bei einem Sieg der Rechten Anspruch darauf, den oder die
       Ministerpräsident*in zu stellen. Er oder besser sie hieße dann
       Giorgia Meloni. Zum ersten Mal in Italiens Geschichte würde eine Frau
       Regierungschefin, zum ersten Mal aber auch die Anführerin einer aus der
       faschistischen Tradition kommenden, rechtsreaktionären,
       ultranationalistischen, fremdenfeindlichen und europaskeptischen Partei.
       
       ## Die Postfaschist*innen geben den Ton an
       
       Salvini und Berlusconi sträubten sich zwar dagegen, Melonis Ambitionen
       abzunicken – doch angesichts ihres Ultimatums, anderenfalls komme die
       Rechtsallianz gar nicht zustande, knickten sie ein. Klein beigeben mussten
       sie auch bei der Verteilung der Wahlkreise.
       
       Nach italienischem Wahlrecht werden 221 der 600 Sitze im Abgeordnetenhaus
       und im Senat direkt in Personenwahlkreisen vergeben, während die übrigen
       Mandate im Proporzverfahren an die Parteilisten gehen. Wie von Meloni
       gefordert, nahm die Rechte die Verteilung nach der aktuellen Stärke in den
       Umfragen vor.
       
       Die Kandidat*innen werden in 98 Wahlkreisen von der FdI gestellt, in 72
       von der Lega, in 40 von Forza Italia und in 11 von den kleinen
       Zentrumslisten. Was das Wahlprogramm der Rechten angeht, gab jedoch am
       Mittwochabend Salvini den Ton an: „Flat tax (Einheitssteuersatz auf die
       Einkommen; Anm. d. Red.) von 15 Prozent und Blockade der Ankünfte von
       Tausenden Migranten“, lautete sein Motto.
       
       Weit schwerer als die Rechte tut sich das Mitte-links-Lager in der
       Aufstellung für die Wahlen. Dort ist die gemäßigt linke Partito Democratico
       (PD) unter [4][Enrico Letta] mit etwa 23 Prozent die beherrschende Kraft.
       Am Dienstagabend hielt er vor dem erweiterten Parteivorstand eine
       leidenschaftliche Rede, in der er von einer Schicksalswahl für Italien und
       Europa sprach: „Meloni oder wir“, das sei die Alternative.
       
       ## Mitte-links-Bündnis ist der Rechten numerisch unterlegen
       
       Um die Chancen des eigenen Lagers zu erhöhen, will die PD ihre Listen für
       kleinere Kräfte der Linken öffnen. Zugleich hofft sie auf drei weitere
       Listen. Das Spektrum links von der PD soll die Liste „Neue Energien“
       abdecken, in der sich die radikal linke Sinistra Italiana (Italienische
       Linke) und die Grünen zusammengetan haben und die in den Umfragen auf bis
       zu 5 Prozent kommt.
       
       Eine zweite Liste soll vom Noch-Außenminister Luigi Di Maio aufgestellt
       werden, der sich vor einem Monat samt seinen Gefolgsleuten von den Fünf
       Sternen abgespalten hat. In den Umfragen erreicht er nur bis zu 2 Prozent.
       
       Dann wäre da noch eine Zentrumsliste unter Carlo Calenda, der 2019 für die
       PD ins Europaparlament gewählt wurde, sich dann aber mit der Partei
       überwarf und heute wirtschaftsliberale Positionen vertritt. Er kann auf bis
       zu 6 Prozent zählen – zögert aber, sich der Mitte-links-Allianz
       anzuschließen.
       
       Mit oder ohne ihn bliebe das Mitte-links-Bündnis der Rechten numerisch weit
       unterlegen. Dennoch hat PD-Chef Letta gegenüber den Fünf Sternen die Tür
       zugeschlagen, nachdem sie zum [5][Sturz der Regierung Draghi] beigetragen
       hatten. Mit den „Verrätern Italiens“ könne es kein Bündnis geben, so Letta.
       Deshalb werden die Fünf Sterne mit ihren etwa 10 Prozent der Stimmen
       separat antreten – zur Freude der Rechten.
       
       28 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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