# taz.de -- Kritik am neuen Bundesteilhabegesetz: Arbeiten erlaubt, sparen nicht
       
       > Das Arbeitsministerium hat ein Gesetz vorgelegt, das Einkommen und
       > Vermögen Behinderter regelt. Es macht sie zum Sozialfall.
       
 (IMG) Bild: Mitarbeiter der Lebenshilfe bei Zusammenbauen von Kabelbäumen
       
       BERLIN taz | Jahrelang wurde daran herumgebastelt, jetzt ist immerhin ein
       erster Referentenentwurf fertig. Nur glücklich sind die Betroffenen mit dem
       neuen Bundesteilhabegesetz aus dem Haus von Bundessozialministerin Andrea
       Nahles (SPD) nicht. „Die Anrechnung von Einkommen und Vermögen sollte
       abgeschafft werden“, sagt die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung,
       Verena Bentele. „Die Herausführung aus dem System der Fürsorge ist nicht
       gelungen“, rügt Sigrid Arnade, Geschäftsführerin der Interessenvertretung
       Selbstbestimmt Leben den Vorschlag.
       
       In dem mehr als 300 Seiten starken Gesetzentwurf wird unter anderem die
       Anrechnung von Einkommen und Vermögen eines Behinderten und seines Partners
       auf Sozialleistungen neu geregelt. Wer die sogenannte Eingliederungshilfe
       bekommt, also Hilfe bei der Aufnahme einer Arbeit, in der Mobilität oder
       für betreutes Wohnen, darf laut Gesetzentwurf ab 2017 einen Freibetrag von
       25.000 Euro an Vermögen selbst behalten, der nicht mit der
       Eingliederungshilfe verrechnet wird.
       
       Der Freibetrag kommt zu früheren, kleineren Freibeträgen dazu. Der
       Vermögensfreibetrag für einen Leistungsberechtigten und seinen Ehegatten
       oder Lebenspartner betrage daher ab 2017 insgesamt 28.214 Euro, so eine
       Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums. Ab dem Jahr 2020 soll der
       Vermögensfreibetrag auf einheitlich 50.000 Euro angehoben werden.
       
       Das Problem: Wer zusätzlich zur Eingliederungshilfe oder auch als alleinige
       Leistung Hilfe zur Pflege bekommt, etwa durch persönliche Assistenten im
       Haushalt, für den bleibt es bei der alten Anrechnung des Vermögens auf die
       Sozialleistungen. Dabei gilt ein Freibetrag an Barvermögen von 2.600 Euro.
       Darauf wies die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen, Corinna
       Rüffer, hin. „Von gleichberechtigter und selbstbestimmter Teilhabe können
       Menschen mit Behinderungen weiter nur träumen“, so Rüffer.
       
       Es gibt in dem neuen Gesetz zwar den Passus, dass der Vermögensfreibetrag
       von 25.000 Euro auch für Pflegebedürftige gilt, wenn er aus
       Erwerbstätigkeit selbst angespart wurde. Dies aber dürfte nur für einen
       sehr kleinen Teil der Behinderten gelten. Ein großer Teil der Menschen mit
       Behinderung findet keinen Arbeitsplatz und lebt von der Grundsicherung bei
       dauerhafter Erwerbsminderung, auch dort gelten die
       Vermögensanrechnungsregeln der Sozialhilfe, die immer auch den Partner mit
       einbeziehen. Das neue Gesetz ändert daran nichts.
       
       ## Mehrkosten für Bund und Kommunen
       
       Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes Vdk, begrüßt allerdings die
       Verbesserungen, die das Gesetz beinhaltet. So werden die Freibeträge beim
       monatlichen Einkommen von Behinderten für einen Teil der Betroffenen
       großzügiger gestaltet, das Einkommen des Partners wird nicht mehr mit
       einbezogen. „Wir hätten uns aber gewünscht, dass Einkommen und Vermögen
       ganz anrechnungsfrei bleiben“, sagte Mascher.
       
       Die Verbesserungen im Gesetz haben für den Bund Mehrkosten von 693
       Millionen Euro im Jahr 2020 zur Folge, bei den Kommunen steigen die Kosten
       um bis zu 154 Millionen Euro. Das Gesetz befindet sich noch in der
       Ressortabstimmung. In Deutschland leben mehr als zehn Millionen Menschen
       mit Behinderung, davon sind 7,5 Millionen Schwerbehinderte.
       
       Am 4. Mai ist ein Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit
       Behinderung geplant. Bundesweit soll es Demonstrationen geben.
       
       4 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bundesteilhabegesetz
 (DIR) Behinderte
 (DIR) Menschen mit Behinderung
 (DIR) Sozialleistungen
 (DIR) Eingliederungshilfe
 (DIR) Leben mit Behinderung
 (DIR) Leben mit Behinderung
 (DIR) Sozialhilfe
 (DIR) Bremen
 (DIR) Teilhabegesetz
 (DIR) Schwerpunkt Abtreibung
 (DIR) Bundesteilhabegesetz
 (DIR) Andrea Nahles
 (DIR) Bundesteilhabegesetz
 (DIR) Bundesteilhabegesetz
 (DIR) Inklusion
 (DIR) Linksfraktion
 (DIR) Große Koalition
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sozialhilfe für EU-Ausländer: Nahles will Zugang begrenzen
       
       Für Nicht-EU-Bürger in Deutschland soll der Anspruch auf Sozialhilfe
       frühestens nach fünf Jahren bestehen. Das sieht ein Gesetzentwurf der
       Arbeitsministerin vor.
       
 (DIR) Bremens Grüne und das Bundesteilhabegesetz: „Das schränkt Teilhabe ein“
       
       Mit dem geplanten Teilhabegesetz der Bundesregierung würde die
       Behindertenrechtskonvention ad absurdum geführt. Die Grünen wollen es jetzt
       per Bundesrat stoppen.
       
 (DIR) Kabinett diskutiert Teilhabegesetz: Lieben, ohne mitzuhaften
       
       Der Entwurf für das Bundesteilhabegesetz steht. Das Vermögen des Partners
       bleibt bei vielen Betroffenen ab dem Jahre 2020 anrechnungsfrei.
       
 (DIR) Regisseurin über Leben mit Behinderten: „Ich will runter vom Sockel“
       
       Freude, Zweifel und Trauer: Tabea Hosche geht es nicht um
       HeldInnengeschichten, sondern um eine ehrliche Darstellung des Alltags mit
       behinderten Menschen.
       
 (DIR) Grüne übers Bundesteilhabegesetz: „Im Rollstuhl auf Hilfe angewiesen“
       
       Menschenrechte und gesellschaftliche Teilhabe dürfen nicht von
       Kostenerwägungen beschnitten werden, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete
       Corinna Rüffer.
       
 (DIR) Privatwirtschaft und Behinderung: Nahles hofft auf guten Willen
       
       Die Opposition und die Bundessozialministerin sind nicht zufrieden:
       Privatunternehmen sind von den neuen Behindertengesetzen ausgenommen.
       
 (DIR) Nachtprotest am Reichstag: Barrierefrei dazugehören
       
       Über Nacht haben sich AktivistInnen am Reichtagsufer angekettet. Sie
       fordern Barrierefreiheit in Betrieben und mehr Geld für Assistenz.
       
 (DIR) Rollifahrer_innen gegen Teilhabegesetz: Demo-Übernachtung vor Bundestag
       
       Viele behinderte Menschen halten das Bundesteilhabegesetz für ungerecht.
       Seit Mittwochabend kampieren Aktivist_innen vor dem Bundestag.
       
 (DIR) Großreformentwurf für Behinderte: Autonomie und Gleichberechtigung
       
       Die Koalition will die Rechte Behinderter stark reformieren. Nun liegt ein
       erster Entwurf auf dem Tisch. Ein Aktivist spricht von einem „trügerischen
       Traum“.
       
 (DIR) Kosten müssen selbst bezahlt werden: Behinderte als Hartz IV-Empfänger
       
       Wer schwer behindert ist, muss sein Einkommen fast komplett abgeben, wenn
       er Hilfe beantragt. Die Regierung hatte eine Neuregelung versprochen.
       
 (DIR) Union und SPD in der Großen Koalition: Warten auf die Sozialdemokratie
       
       Diese Regierung wird großartig, verkündet die zukünftige Regierung.
       Eigenlob ist nötig, denn die SPD-Mitglieder müssen noch „Ja“ sagen.
       
 (DIR) Sparen an der Eingliederungshilfe: Integration ist Schwarzer Peter
       
       Senat und Bundesregierung loben das Bremer Integrationsnetz, das
       Flüchtlingen zu Jobs verhilft. Die Projektmittel laufen aus. Zahlen soll
       jeweils der andere.