# taz.de -- Life-Sleep-Balance: Zu müde zum Schlafen
       
       > Eine aktuelle Studie zeigt: Ein gesundes Immunsystem braucht ausreichend
       > Schlaf. Doch woher soll die Zeit dafür kommen?
       
 (IMG) Bild: Jede Nacht acht Stunden Schlaf? Ja, wann denn? Schließlich gibt es ja Arbeit, Care-Arbeit und Hobbys
       
       Zum Glück gibt es ein paar Gewissheiten im Leben, an denen sich nicht so
       einfach rütteln lässt: Der Tag hat 24 Stunden, irgendwann scheint wieder
       die Sonne, und bei schlechter Laune hilft ein Blick auf [1][Markus Söders
       Instagram-Account]. Um das zu wissen, braucht es keine Studien, es ist eben
       einfach, wie es ist.
       
       Über andere Dinge weiß die Menschheit noch nicht so gut Bescheid. Manchmal,
       weil es noch so viel zu erforschen gibt (Beispiel: Ozeane), manchmal aber
       auch nur deswegen, weil Menschen entscheiden, sich nicht weiter mit einem
       Thema auseinandersetzen zu müssen (Beispiel: Rassismus). Und dann sind da
       noch diese alltäglichen Dinge, über die wir alles Mögliche zu wissen
       glauben und für die sich für fast jede Überzeugung eine Studie heranziehen
       lässt, um die eigene Glaubhaftigkeit zu steigern. Eines dieser Themen ist
       der Schlaf.
       
       Für gesunden Schlaf gibt es viele Gebote, und viele davon widersprechen
       sich. Das liegt vor allem an der Leistungsgesellschaft: Du sollst jede
       Nacht acht Stunden schlafen, aber Arbeit wird halt auch nicht weniger. Du
       sollst dein Smartphone nicht mit ins Schlafzimmer nehmen, aber teste doch
       mal diese tolle MeditationsApp, die deiner gestressten Seele beim
       Einschlafen hilft. Du sollst vor Mitternacht ins Bett gehen, aber
       vielleicht hast du den [2][Biorhythmus einer Eule] und kannst nachts viel
       produktiver arbeiten. Nur in einem Punkt scheinen sich alle einig:
       [3][Nichts ist so gesund wie schlafen]. Schlaf ist die beste Medizin. Das
       ist jetzt erneut wissenschaftlich erwiesen.
       
       Wissenschaftler*innen der Universitäten Tübingen und Lübeck konnten in
       einer Studie, [4][die jetzt im Journal of Experimental Medicine
       veröffentlicht wurde], nachweisen, dass Schlaf das menschliche Immunsystem
       stärkt, weil er die Arbeit sogenannter T-Zellen unterstützt. T-Zellen
       wandern durch den menschlichen Körper, um nach krankhaften Veränderungen
       wie zum Beispiel Virusinfektionen zu suchen. Ist eine kranke Zelle
       gefunden, zerstören bestimmte T-Zellen diese direkt, indem sie sogenannte
       Integrine aktivieren.
       
       ## Freizeit ist nicht drin
       
       Für die Studie verglichen Forscher*innen Blutproben von insgesamt 15
       Männern und Frauen – tagsüber, nachts und während einer Nacht mit
       Schlafentzug. Dabei fanden sie in den Proben, die in einer normalen Nacht
       um 2 Uhr morgens entnommen wurden, deutlich mehr Integrine als in der
       Blutprobe, die sie zur gleichen Zeit während des Schlafentzugs nahmen. Laut
       Studie genügen zudem schon wenige Stunden Schlafverlust um die Kräfte der
       T-Zellen zu mindern. Kurzum also: Ein gesundes Immunsystem braucht
       ausreichend Schlaf. Aha. Viel schlafen, viel trinken – das sagen
       Hausärzt*innen und die eigenen Eltern ja schon ewig.
       
       Selbstverständlich spricht das der Studie nicht ihre Aussagekraft ab. Die
       Frage ist aber: Was machen wir damit? Wenn wir die heilende Wirkung von
       Schlaf jetzt auch wissenschaftlich bestätigt wissen, schlafen wir dann auch
       mehr? Praktisch gesehen bedeuten acht Stunden Schlaf, dass der Tag nur noch
       16 Stunden hat. Davon geht ein wesentlicher Teil für Lohnarbeit drauf und –
       laut Studien – etwa ein Drittel mehr Zeit für unbezahlte Care-Arbeit als
       für den bezahlten Job.
       
       Ab hier geht die Rechnung kaum noch auf, besonders für Alleinerziehende und
       Frauen. Freizeit ist nicht drin, deswegen lernen wir eben unseren Job so zu
       lieben, wie einst unsere Hobbys. Und wer dann doch mehr will vom Tag, muss
       eben am Schlaf sparen. Oder streiken, um das Recht auf Schlaf im
       Arbeitsrecht zu verankern. Aber dafür sind wir doch eigentlich auch viel zu
       müde.
       
       17 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/markus.soeder/
 (DIR) [2] /Nachdenken-ueber-die-innere-Uhr/!5451663
 (DIR) [3] /Medizinnobelpreis-fuer-Genetiker/!5451618
 (DIR) [4] http://jem.rupress.org/content/early/2019/02/11/jem.20181169
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lin Hierse
       
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