# taz.de -- Missbrauch in der katholischen Kirche: Komplizen der Täter
       
       > Kardinal Marx sagt kein Wort zu den Vorwürfen gegen Ex-Papst Benedikt.
       > Das muss er nachholen.
       
 (IMG) Bild: Sollte sich dringend äußern: der emeritierte Papst Benedikt XVI
       
       War das der noch dröhnendere Paukenschlag, den die katholische Kirche
       brauchte? Sprengt das Wissen um die „Bilanz des Schreckens“, wie Anwalt
       Ulrich Wastl das [1][Gutachten zum Missbrauch im Erzbistum München] und
       Freising nannte, endlich das System der Vertuschung und des Wegschauens?
       
       Das Vokabular nach der Vorstellung des Gutachtens war ähnlich wie nach den
       vorherigen fünf Studien zu sexueller Gewalt in katholischen Bistümern:
       Erneuerung, unfassbares Leid, mehr Transparenz. In der Zivilgesellschaft
       reichten die bereits bekannt gewordenen Fälle systematischer Vertuschung
       von sexualisierter Gewalt längst, um das Vertrauen in die katholische
       Kirche zu verlieren. [2][Zahlreiche Kirchenaustritte waren die Folge.]
       
       Doch dieses Mal hat das Gutachten aus München noch mehr Gewicht. Schwere
       Vorwürfe gegen den emeritierten Papst Benedikt stehen im Raum. Er soll in
       seiner Funktion als Erzbischof von München von 1977 bis 1982 in mindestens
       vier Fällen nichts gegen Kleriker unternommen haben, die der Gewalt
       gegenüber Minderjährigen beschuldigt wurden. Nichtstun bei vier Tätern
       bedeutet zugleich eine deutliche höhere Opferzahl. Davon gehen auch die
       Ersteller*innen des Gutachtens aus.
       
       Besonders schmerzhaft ist dies im Fall des Priesters Peter H., der 1980 aus
       dem Bistum Essen nach München versetzt wurde. Versetzt, weil er
       nachgewiesen Kindern und Jugendlichen sexualisierte Gewalt antat. In
       München sollte er sich einer Therapie unterziehen – mehr Schritte erwog die
       katholische Kirche nicht. Dass Peter H. weiter jahrelang als Pfarrer
       arbeitete und weiteren Menschen sexualisierte Gewalt antun konnte, obwohl
       seine Vorgeschichte bekannt war, ist unfassbar.
       
       Als der Fall 2010 bekannt wurde, waren viele Menschen aus dem Umfeld der
       katholischen Kirche und des Vatikans empört, dass der amtierende Papst
       Benedikt in die „Geschichte hineingezogen“ werde. Das unabhängige Gutachten
       der Anwaltskanzlei über das Münchner Bistum legt jetzt aber nahe, dass der
       damalige Erzbischof Ratzinger von der Vorgeschichte des Priesters gewusst
       haben muss. Entgegen seiner Behauptung zeigt das Protokoll der Sitzung, in
       der über den Verbleib von Peter H. entschieden wurde, dass der spätere
       Papst Benedikt an dieser teilnahm. Hat er darüber wissentlich gelogen?
       
       ## Kein Wort zu Benedikt von Marx
       
       Zu diesen und den anderen schwerwiegenden Vorwürfen müssen sich
       Verantwortliche der Kirche verhalten, hierzu muss sich auch der inzwischen
       94-jährige Ex-Papst äußern. Der agierte als Komplize der Täter und darf
       nicht länger von hochrangigen Kirchenmitgliedern geschützt werden. Er sei
       erschüttert, er bitte um Entschuldigung und er fühle sich
       mitverantwortlich, sagte Reinhard Marx, Erzbischof von München in seinem
       kurzen Statement zu dem Gutachten. Doch zu den Vorwürfen gegen Benedikt
       äußerte sich Marx nicht.
       
       Es bleibt zu hoffen, dass er das am kommenden Donnerstag nachholt. Die
       Praxis des Nichtssagens, um den Ruf von hochrangigen Kirchenmitgliedern
       nicht zu schaden, muss endlich der Vergangenheit angehören. Das massive
       Fehlverhalten von Verantwortlichen, das in dem Gutachten aufgezeigt wird,
       kann und darf die katholische Kirche nicht mehr mit wohlfeilen Beteuerungen
       wegwischen. Im Namen der Opfer, die ihr Leben lang an den Folgen der
       sexualisierten Gewalt leiden.
       
       21 Jan 2022
       
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 (DIR) Linda Gerner
       
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