# taz.de -- Neue Regierung in Italien: Vertrauensvorschuss für Draghi
       
       > In beiden Häusern des Parlaments erhält der Premier eine Mehrheit. Für
       > die Vertreter der 5-Sterne-Bewegung werden die Voten zur Zerreißprobe.
       
 (IMG) Bild: Mario Draghi vor der Abstimmung im Abgeordnetenhaus am Donnerstagabend
       
       ROM taz | [1][Italiens neuer Ministerpräsident Mario Draghi] hat bei den
       Vertrauensabstimmungen in den beiden Häusern des Parlaments am Mittwoch und
       Donnerstag jeweils überwältigende Mehrheiten erhalten: Im Senat stimmten
       262 Mitglieder für die Regierung, 40 votierten dagegen. Im Abgeordnetenhaus
       betrug das Stimmenverhältnis 535 zu 56.
       
       Überraschend kam dieses Votum nicht, weil der neue Regierungschef fast das
       ganze Parteienspektrum von links- bis rechtsaußen in einer Regierung der
       nationalen Einheit hinter sich versammeln konnte. Für ihn votierten
       einerseits die vier Parteien der Mitte-Links-Koalition, die die
       Vorgängerregierung unter Giuseppe Conte getragen hatte: [2][das
       Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung)], die gemäßigt linke Partito
       Democratico (PD), die kleine Mitte-Partei Italia Viva unter Matteo Renzi,
       der mit dem Koalitionsbruch den Sturz Contes herbeigeführt hatte, sowie die
       radikal linke Liste Liberi e Uguali (LeU – Freie und Gleiche).
       
       Auf die Seite Draghis schlugen sich auch zwei Parteien der bisherigen
       Rechtsopposition, Silvio Berlusconis Forza Italia und – einigermaßen
       überraschend – die rechtspopulistische und ultranationalistische Lega unter
       Matteo Salvini. Alle diese sechs Parteien sind im Kabinett vertreten, in
       dem jedoch zugleich acht Expert*innen wichtige Schlüsselressorts
       überantwortet wurden.
       
       Im Parlament präsentierte Draghi sich als Chef einer Regierung des
       nationalen Notstands („Einheit ist keine Option, Einheit ist Pflicht“), der
       es um die effiziente Bekämpfung der Pandemie beginnend bei einem
       beschleunigten Impfplan, sowie um die Abfederung der ökonomischen und
       sozialen Folgen der Krise gehen müsse.
       
       ## Pro-europäisch positioniert
       
       Zugleich aber schlug er programmatisch Pflöcke ein, die seine Regierung
       klar pro-europäisch positionieren sowie ökologische und soziale Ziele
       unterstreichen. Unumkehrbarkeit des Euro, weiterer nationaler
       Souveränitätsverzicht zugunsten Europas, Kampf gegen die gewachsene soziale
       Ungleichheit und die Benachteiligung von Frauen vorneweg bei den Einkommen
       sowie ökologischer Umbau beginnend bei der Elektromobilität lauteten hier
       die Stichworte. Beim Umbau helfen sollen die 209 Milliarden Euro, die
       Italien aus dem Programm „Next Generation EU“ erhalten wird.
       
       Trotz dieser für sie in vielen Punkten positiven Agenda erlebten die Fünf
       Sterne bei den Vertrauensvoten eine Zerreißprobe, die die Bewegung weiter
       schwächt: 20 Senator*innen und 31 Abgeordnete verweigerten Draghi die
       Zustimmung, entweder mit einem Nein-Votum oder indem sie der Abstimmung
       fernblieben.
       
       Die 15 Senator*innen, die mit Nein gestimmt hatten, wurden sofort aus der
       Bewegung ausgeschlossen. Sie und ihre Kolleg*innen im Abgeordnetenhaus
       begründeten ihren Dissens damit, dass der ehemalige EZB-Chef und
       GoldmanSachs-Manager Draghi die Verkörperung jenes Establishments
       schlechthin sei, gegen das die Fünf Sterne ursprünglich angetreten waren.
       
       Zudem wollten sie auch nicht die Kröte schlucken, an der Seite des
       vorbestraften Berlusconi zu regieren. Auch die Appelle des Gründervaters
       Beppe Grillo („Draghi ist ein Grillino“) konnten sie nicht zur Umkehr
       bewegen.
       
       ## „Robuste Opposition“
       
       Die Abtrünnigen planen jetzt die Gründung einer eigenen Fraktion im Senat.
       Einen Anführer für die neue Organisation könnten sie in dem an der
       Fünf-Sterne-Basis höchst populären Alessandro Di Battista finden, der in
       dieser Legislaturperiode auf eine Parlamentskandidatur verzichtet hatte.
       Die Battista war bereits vor einigen Tagen aus dem M5S ausgetreten und
       kündigte für Samstag eine Erklärung an, mit der er „die Gründung einer
       robusten Opposition“ gegen Draghi vorantreiben will.
       
       In Opposition zur neuen Regierung befinden sich ansonsten nur die radikal
       rechten Postfaschisten der Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens). Deren
       Chefin Giorgia Meloni begründete den Schritt in die Opposition damit, dass
       nur so „nordkoreanische Verhältnisse“ verhindert werden könnten.
       
       Vor allem aber hofft sie darauf, in Konkurrenz zu Salvinis Lega, die sich
       jetzt handzahm präsentiert, den sozialen Unmut im Land kapitalisieren zu
       können und FdI – die in den Umfragen bei 15-17 Prozent liegt – zur
       führenden rechtspopulistischen Partei zu machen.
       
       19 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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