# taz.de -- Streit um Kabarettistin Lisa Eckhart: Vergrößern ist nicht spiegeln
       
       > Manche behaupten, die Kabarettistin Lisa Eckhart wolle der Gesellschaft
       > einen Spiegel vorhalten. Das ist Schönrederei, denn ihrer Show fehlt die
       > Distanz zur Figur.
       
 (IMG) Bild: Lisa Eckhart bei einem Interviewtermin mit der Österreichischen Presseagentur im August
       
       Der jüdische Witz ist frech, tieftraurigkomisch und manchmal derb, weil das
       Leid, das Juden über Jahrtausende immer und immer wieder erleiden mussten,
       sich so besser aushalten lässt. Und er ist selbstkritisch, denn wenn die
       Welt einem reflexartig alles vorwirft, was in ihr schiefläuft, dann kommt
       man dem im Witz zuvor, um emotional gewappnet zu sein.
       
       Wenn Nichtjuden jüdische Witze erzählen, zucke ich innerlich immer ein
       wenig zusammen. Vor allem, wenn sie mit dem Holocaust spielen. Hier in
       Israel gibt es die geschmacklosesten Auschwitz-Ofen-Witze, die man sich
       vorstellen kann. Wenn ein Nachkomme eines Opfers einen erzählt, kann er
       befreiend wirken. Wenn aber ein Deutscher denselben Witz macht, dann zeige
       ich ihn womöglich wegen Volksverhetzung an.
       
       Der jüdische Witz greift auch Vorurteile über Juden auf, aber der Witz über
       Juden suhlt sich in ihnen und macht sie zur eigentlichen Pointe. Ein
       Beispiel: “Warum haben Juden große Nasen? Weil Luft umsonst ist.“ Ich hoffe
       ernsthaft, Sie haben nicht gelacht. Zwei Vorurteile werden hier in einem
       miesen Witz über Juden verarbeitet: die Hakennase und der angebliche Geiz.
       Doch selbst über diesen Witz kann man lachen, wenn ihn ein Jude erzählt.
       Denn der Erzähler macht sich so über die Vorurteile lustig.
       
       Die Bühnenfigur Lisa Eckhart ist jedoch keine Jüdin. Sie macht in ihrem
       Programm Witze auf dem Niveau des Luft-Nasen-Witzes, nur etwas aktueller.
       Und ihr Publikum goutiert diese billigen Pointen, die sie auf Kosten der
       Juden, PoC, Homosexuellen und trans* Menschen sowie anderer
       Marginalisierter macht. Manche ihrer Fans behaupten, [1][sie würde das tun,
       um der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten], etwa wie Sasha Baron Cohen
       mit seiner Figur Borat. Aber das ist Schönrederei. Denn ihrer Show fehlt
       die Distanz zur Figur. Der Spiegel wird zum Vergrößerungsglas.
       
       Ja, diese Frau ist wortgewandt und hat Bühnenpräsenz. Aber wenn jemand
       selbstgeschnitze Hakenkreuze verkauft, interessiert es mich auch nicht, ob
       die handwerklich gut gearbeitet sind.
       
       Sie [2][soll mit ihren rassistischen, antisemitischen und misogynen
       Flachwitzen auftreten, wo sie will]. Will sagen, wo man sie will. Nur nicht
       durch öffentliche Gelder finanziert. Lisa Eckhart ist deswegen kein Opfer
       irgend einer Cancel Culture. Lisa Lasselsberger ist einfach nur genauso
       kritikunfähig wie ihre aufgescheuchten Fans, die jetzt “Zensur“ krächzen.
       
       12 Aug 2020
       
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