# taz.de -- UN-Bericht zu strukturellem Rassismus: Wiedergutmachung gefordert
       
       > Menschen mit afrikanischer Abstammung werden systematisch benachteiligt.
       > Dazu legte das UN-Menschenrechtsbüro einen Bericht vor.
       
 (IMG) Bild: In New York wurde eine Statue zum Gedenken an den vor einem Jahr ermordeten George Floyd aufgestellt
       
       GENF ap/dpa | Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für
       Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat die Nationen der Welt zur
       Überwindung von Diskriminierung, Gewalt und systematischem Rassismus gegen
       Menschen afrikanischer Abstammung aufgerufen. Bachelet legte am Montag in
       Genf einen nach dem Mord an George Floyd vor einem Jahr in Auftrag
       gegebenen Bericht vor, in dem sowohl finanzielle als auch ideelle
       Wiedergutmachung für rassistisches Unrecht nicht nur in den USA, sondern
       auch in rund 60 weiteren Ländern gefordert wird.
       
       Heute biete sich eine wichtige Gelegenheit, einen Wendepunkt für Gleichheit
       und Gerechtigkeit zu erreichen, erklärte Bachelet wenige Tage nachdem
       [1][der weiße Polizist Derek Chauvin für den Mord an Floyd zu 22,5 Jahren
       Gefängnis] verurteilt wurde. „Ich rufe alle Staaten auf, damit aufzuhören,
       Rassismus zu leugnen – und damit zu beginnen, ihn abzubauen; Straflosigkeit
       zu beenden und Vertrauen zu schaffen, den Stimmen von Menschen
       afrikanischer Abstammung zuzuhören, Hinterlassenschaften der Vergangenheit
       entgegen zu treten und Wiedergutmachung zu leisten“, sagte Bachelet in
       einer Video-Erklärung.
       
       Wiedergutmachung mit Geld sei nicht ausreichend. „Reparationen sollten
       nicht nur mit finanzieller Kompensation gleichgesetzt werden“, schrieb
       Bachelet in dem Bericht, der auf Diskussionen mit 340 Menschen meist
       afrikanischer Abstammung basiert, aber auch Stellungnahmen von Regierungen
       und Fachkräften enthält. Es gehe auch um Rehabilitation, Anerkennung von
       Ungerechtigkeiten, Entschuldigungen, Erinnerung, Bildungsreformen und
       Garantien, das solches Unrecht nie wieder geschehen könne.
       
       ## Eingeständnis von Unrecht ist nötig
       
       In dem UN-Bericht wird der gewaltsame Tod von 190 Menschen afrikanischer
       Abstammung meist in den USA analysiert. Nicht nur die USA, sondern auch
       rund 60 weitere Länder müssten sich ihrer Verantwortung für den
       transatlantischen Sklavenhandel stellen, unter anderem Kanada, Brasilien,
       Belgien, Frankreich, Großbritannien und Kolumbien. Die Leiterin einer für
       Diskriminierung zuständigen Abteilung im UN-Menschenrechtsbüro, Mona
       Rishmawi, sagte, sie habe nicht ein einziges Beispiel für einen Staat
       finden können, der sich umfassend zu seiner Verantwortung für den Umgang
       mit Menschen afrikanischer Abstammung bekannt habe. „Unsere Botschaft ist
       deshalb, dass die Situation unhaltbar ist“, sagte sie.
       
       Wiedergutmachung müsse kollektiv und individuell geleistet werden, sagte
       Rishmawi. Das fange mit dem Eingeständnis begangenen Unrechts an. In dem
       UN-Bericht wird „Wiedergutmachung für Jahrhunderte der Gewalt und
       Diskriminierung“ gefordert. Verurteilt wird eine „Entmenschlichung von
       Menschen afrikanischer Abstammung“, die „in falschen sozialen
       Konstruktionen von Rasse“ wurzelten, um Versklavung, rassistische
       Stereotypen, Gewalt, Ungerechtigkeiten und Diskriminierung zu
       rechtfertigen.
       
       In vielen Ländern seien Menschen mit afrikanischen Wurzeln sozial,
       wirtschaftlich und politisch an den Rand gedrängt. Vor allem in Nord- und
       Lateinamerika und Europa lebten unverhältnismäßig viele von ihnen in Armut
       und hätten es schwer, grundlegende Menschenrechte wie etwa auf Bildung,
       Gesundheitsdienste, Arbeit, angemessenen Wohnraum und sauberes Wasser
       durchzusetzen.
       
       Stereotype entstünden teils schon in der Kindheit, wenn Lehrerinnen und
       Lehrer Kindern mit afrikanischen Wurzeln weniger zutrauten als anderen und
       sie auf Bildungswege lenkten, die ihnen weniger Chancen einräumen. Wenn es
       um Leistung gehe, würden Schwarze oft nur in Bereichen wie Sport, Musik und
       Tanz erwähnt. Als herabwürdigend wird in dem Bericht eine Aussage von
       Ex-US-Präsident Donald Trump kritisiert, der Teilnehmer*innen an
       Protesten gegen Rassismus als „kranke und geistesgestörte Anarchisten und
       Agitatoren“ bezeichnet hatte.
       
       Es gebe in verschiedenen Ländern Wiedergutmachungsinitiativen, aber nicht
       genug, heißt es in dem UN-Bericht. Lobend erwähnt wird, dass die
       Bundesregierung vor Kurzem die Gräueltaten der deutschen Kolonialmacht an
       den Volksgruppen der [2][Herero und Nama] im heutigen Namibia als
       Völkermord anerkannt hat und offiziell um Vergebung bitten will.
       Deutschland will die Nachfahren in den kommenden 30 Jahren mit 1,1
       Milliarden Euro unterstützen.
       
       28 Jun 2021
       
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