# taz.de -- Urteil gegen deutschen Autonomen: Kurzer Prozess in Budapest
       
       > Vor einem Jahr attackierten deutsche Autonome einen Neonazi-Aufmarsch in
       > Ungarn. Nun begann ein Prozess – und endete bereits mit einem ersten
       > Urteil.
       
 (IMG) Bild: Antifa-Proteste am 11. Februar 2023 in Budapest
       
       BERLIN taz | Für Tobias E. war es ein kurzer Prozess. Seit einem Jahr sitzt
       der Berliner [1][bereits in Budapest in Haft]. Vor einem Jahr soll er in
       der ungarischen Hauptstadt mit anderen Autonomen Angriffe auf Teilnehmende
       um den rechtsextremen Großaufmarsch „Tag der Ehre“ verübt haben. E. wurde
       damals mit zwei anderen Linken festgenommen, am Montag nun begann in
       Budapest ein Prozess gegen das Trio. Und er war für Tobias E. schnell
       vorbei.
       
       Denn der 30-Jährige räumte laut Gericht den Vorwurf der Mitgliedschaft in
       einer kriminellen Vereinigung ein und verzichtete auf sein Recht einer
       Beweisaufnahme. Im Gegenzug erhielt er bereits am Montag eine dreijährige
       Haftstrafe. Zudem darf Tobias E. für fünf Jahre Ungarn nicht mehr betreten.
       
       Der ursprüngliche Vorwurf eines Gewaltverbrechens war bereits bei der
       Anklageerhebung fallengelassen worden. Übrig blieb der Vorwurf einer
       Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Bei dieser soll es sich um
       die Gruppe um die Leipzigerin Lina E. handeln, die bereits im Mai 2023 vor
       dem Oberlandesgericht Dresden [2][zu gut fünf Jahren Haft verurteilt
       wurde].
       
       Tobias E. drohten in Budapest laut Anklage bis zu fünf Jahre Haft.
       Staatsanwaltschaft und Gericht hatten zu Prozessbeginn einen Deal
       angeboten: Geständnis und Verzicht auf seine Prozessrechte gegen einen
       Strafrabatt. Darauf ließ sich der Berliner ein.
       
       ## Verteidigung und Anklage legten Beschwerde ein
       
       Das Gericht wertete lautete einer Mitteilung das Geständnis von Tobias E.
       als strafmildernd an und auch, dass in Deutschland noch gegen ihn ermittelt
       werde. Strafverschärfend führte es die Heftigkeit der Angriffe an und dass
       diese international vorbereitet und durchgeführt worden seien. Zudem sei
       Tobias E. einer der „Anführer“ der kriminellen Vereinigung gewesen.
       
       Sowohl die Verteidigung von Tobias E. als auch die Staatsanwaltschaft
       legten Beschwerde gegen das Strafmaß ein: Erstere forderten eine geringere
       Haftstrafe, letztere eine höhere. Darüber wird nun in einer zweiten Instanz
       entschieden. Das Gericht verhängte bis dahin die Fortdauer der Haft wegen
       Fluchtgefahr.
       
       Laut Anklage gab es im Februar 2023 [3][vier Angriffe rund um den „Tag der
       Ehre“ in Budapest], zu dem sich seit Jahren Neonazis aus Europa versammeln
       und die SS und Wehrmacht verherrlichen. Bei den Attacken sollen neun
       Menschen niedergeschlagen worden sein, sechs hätten schwere Verletzungen
       erlitten. Die Angreifer hätten stets aus einer größeren Gruppe heraus
       agiert und auch Metallstangen, Gummihämmer oder Pfefferspray verwendet.
       
       ## Mitangeklagter drohen bis zu 24 Jahre Haft
       
       Neben Tobias E. standen am Montag auch die Berlinerin Anna M. und die
       Italienerin Ilaria S. in Budapest vor Gericht. Anna M. wirft die Anklage
       ebenfalls Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor, sie war
       zuletzt haftverschont. Ilaria S. werden zusätzlich noch die Beteiligung an
       drei lebensgefährlichen Angriffen vorgeworfen – ihr drohen bis zu 24 Jahre
       Haft.
       
       Die Anklage bot auch diesen beiden Deals gegen Geständnisse an – für Anna
       M. in diesem Fall dreieinhalb Jahre, für Ilaria S. 11 Jahre. Beide Frauen
       aber bestritten die Vorwürfe. Gegen sie wird nun ab dem 24. Mai
       weiterverhandelt.
       
       Lukas Theune, der Anwalt von Anna M., hatte die Vorwürfe gegen seine
       Mandantin als „absurd“ bezeichnet. Gegen sie liege nichts vor, außer dass
       sie damals in Budapest gewesen sei, [4][so Theune zur taz]. In einem
       rechtsstaatlichen Verfahren könne das nur einen Freispruch bedeuten.
       
       Seit den Festnahmen fahnden ungarische und deutsche Behörden [5][nach zehn
       weiteren deutschen Autonomen], denen sie vorwerfen, sich an den Attacken
       beteiligt zu haben. Veröffentlicht wurden dazu Fotos und Namen der
       Gesuchten – die aber sind seit Monaten verschwunden. Erst im Dezember
       gelang es sächsischen Zielfahndern in Berlin eine*n Thüringer*in
       festzunehmen. Der nonbinären Person, Maja T., droht nun die Auslieferung
       nach Ungarn. Anwälte wollen dies mit Verweis auf die zweifelhafte
       rechtsstaatliche Lage in Ungarn verhindern. Auch die Eltern von Maja T. und
       ein Solidaritätsbündnis [6][protestieren gegen eine Auslieferung].
       
       Sven Richwin, der Anwalt von Maja T., sagte der taz zum in Budapest
       begonnenen Prozess, ein frühes Geständnis sei kein Einzelfall in
       ungarischen Gerichten und „leider das Ergebnis der menschenunwürdigen
       Haftbedingungen in Ungarn und auch deren Ziel“. Für weitere Verfahren in
       Deutschland müsse nun verhindert werden, „dass Ermittlungsergebnisse, die
       nicht auf rechtsstaatlicher Grundlage erlangt wurden, in Deutschland
       Verwendung finden“.
       
       29 Jan 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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