# taz.de -- Buch von Ossietzky-Anwalt Alfred Apfel: Der Mann, den die Nazis hassten
       
       > Das Buch von Alfred Apfel, dem bei den Nazis verhassten Rechtsanwalt, war
       > jahrelang nur auf Französisch verfügbar. Nun wurde es endlich
       > rückübersetzt.
       
 (IMG) Bild: Carl von Ossietzky (M.) tritt 1932 seine Haftstrafe an, neben ihm (2.v.r.) Alfred Apfel.
       
       „So zogen wir denn aus zur Hermannschlacht“, beschreibt Carl von Ossietzky
       seine Reise zum „Weltbühnen-Prozess“ vor dem Reichsgericht in Leipzig am
       17. November 1931. Begleitet wurde der wegen Landesverrats angeklagte
       Publizist von vier Juristen, „die eine schwer berechenbare Summe von
       Qualität“ verkörperten: die prominenten Berliner Strafverteidiger Max
       Alsberg, Alfred Apfel, Rudolf Olden und Kurt Rosenfeld.
       
       Gemeinsam hatten die vier, dass sie brillante Juristen sowie nach der
       Rassenlehre des „Dritten Reichs“ Juden waren und überdies mit ihren
       Aktivitäten in republikanischer Zeit sich die Nazis zu Feinden gemacht
       hatten. Daher mussten sie Deutschland bald nach Hitlers Amtsantritt
       verlassen, keiner erlebte das Ende von dessen Herrschaft.
       
       Ins Ausland Geflohenen entzog das „Dritte Reich“ regelmäßig die deutsche
       Staatsbürgerschaft. In den Anfangsjahren wurde dies im Mitteilungsblatt der
       Regierung, dem Reichsanzeiger, publik gemacht. Die erste im August 1933
       dort veröffentlichte Ausbügerungsliste enthielt 33 Namen Intellektueller
       und engagierter Demokraten wie Hellmuth von Gerlach, Lion Feuchtwanger,
       Alfred Kerr, Heinrich Mann, Philipp Scheidemann, Ernst Toller, Kurt
       Tucholsky und Otto Wels; angeführt wurde sie von „Dr. Apfel, Alfred, geb.
       12. März 1882“.
       
       Wie er sich bei den Nazis so verhasst gemacht hat, beschrieb Apfel in
       seinem jetzt erstmals auf Deutsch erschienenen Buch „Hinter den Kulissen
       der deutschen Justiz. Erinnerungen eines deutschen Rechtsanwalts
       1882–1933“. Apfel war einer der prominentesten Strafverteidiger Berlins,
       Johannes R. Becher, George Grosz, Egon Erwin Kisch, Erwin Piscator und
       Friedrich Wolf waren seine Mandanten und immer wieder Carl von Ossietzky.
       
       ## Rückübersetzt und veröffentlicht
       
       Apfels Darstellung einiger politisch bedeutender Strafprozesse, an denen er
       beteiligt war, erschien 1934 im Pariser Exil unter dem Titel „Les dessous
       de la justice allemande“; 1935 folgte die englische Fassung „Behind the
       Scenes of German Justice“. Obwohl beide Ausgaben den Hinweis enthielten, es
       handle sich um eine Übersetzung des deutschen Titels „Hinter den Kulissen
       der deutschen Justiz“, blieb das deutsche Original unauffindbar.
       
       Jetzt haben Jan und Ursula Gehlsen, sie Buchhändlerin, er ehemaliger
       Kanzler der Universität Hannover, vor 45 Jahren hatte er zusammen mit Fritz
       Bauer die Zeitschrift Kritische Justiz gegründet, endlich das Buch
       rückübersetzt und unter dem Originaltitel veröffentlicht.
       
       Manches aus der Justiz der Weimarer Republik ist inzwischen bekannt, vor
       allem durch das Standardwerk des Ehepaars Elisabeth und Heinrich Hannover,
       „Politische Justiz 1918–1933“, das in wesentlichen Teilen auch auf Apfels
       Buch basiert: der Fall Max Hoelz, die Fememorde der Schwarzen Reichswehr,
       George Grosz’ „Christus am Kreuz mit Gasmaske“ oder der Fall des
       Nazimärtyrers Horst Wessel. Aber bei Apfel erfährt man doch noch etwas
       mehr, weil er eben den Blick hinter die Kulissen eröffnet.
       
       ## Enttäuschter Kriegsfreiwilliger
       
       Mindestens ebenso interessant ist, was Apfel über sich selbst offenbart.
       Als junger, assimilationsbereiter Jude aus dem Rheinland hat er
       Schwierigkeiten mit Preußen, zu dem die freiheitsliebenden Rheinländer
       damals schon seit drei Generationen gehörten. Sie hatten sich unter der
       Geltung des Code Napoleon an die Gleichheit aller vor dem Gesetz gewöhnt
       und der junge Apfel war geschockt über die Zurücksetzungen, die er als Jude
       im Studium der Rechtswissenschaften und vor allem beim Militär erfuhr. Es
       hat den Kriegsfreiwilligen, der bald nach Beginn des Ersten Weltkriegs als
       einer der Ersten mit dem Eisernen Kreuz dekoriert wurde, schwer getroffen,
       dass man ihm all seinen Bemühungen zum Trotz den Aufstieg ins
       Offizierskorps verweigerte.
       
       Apfel beschreibt die damalige Hauptströmung unter den deutschen Juden,
       unter deren Einfluss auch er selber stand, die der 1893 gegründete
       Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens repräsentierte.
       Der Verein bestand gegenüber dem anwachsenden deutschen Antisemitismus
       immer darauf, dass das Judentum nur eine Frage des Glaubens sei, und um das
       zu beweisen, rief er seine Mitglieder zu einem Übersoll an Patriotismus
       auf.
       
       Viele junge Juden ließen sich als Freiwillige rekrutieren und ihr Blutzoll
       im Weltkrieg war ungewöhnlich hoch: 12.000 von ihnen sind gefallen, mehr
       als 100.000 verwundet und verkrüppelt worden. Aber ihre Hoffnung, damit
       „die letzten Barrieren zwischen Juden und Christen beiseite“ geräumt zu
       haben, wurde bitter enttäuscht. Apfel beschreibt, wie er darunter litt und
       wie die im Central-Verein organisierten Assimilationsbereiten von zwei
       Seiten attackiert wurden, die letztlich beide das Gleiche propagierten.
       
       ## Tod im Exil
       
       Der politische Zionismus behauptete, „die maßgebliche Eigenschaft des Juden
       (sei) nicht mehr der religiöse Glaube, sondern die Überzeugung, einer
       rassenbezogenen, ihre Eigenständigkeit pflegenden Gemeinschaft anzugehören,
       die auf Bindungen der Geschichte und des Blutes beruhte“, so Apfel.
       
       Dasselbe behaupteten, ins Negative gewendet, die Antisemiten der schnell
       anwachsenden völkischen Bewegung. Vielleicht ist es damals vielen Juden so
       gegangen wie Alfred Apfel, er ist damals unter dem Einfluss der Zionisten
       und der Antisemiten sich seines Judentums erst richtig bewusst geworden.
       Der seit 1918 in Berlin als Anwalt Niedergelassene hat sich allerdings
       nicht von einer der jüdischen Strömungen vereinnahmen lassen, sondern hat
       den Central-Verein wie die zionistischen Vereinigungen unterstützt und gilt
       daher heute als zionistischer Funktionär.
       
       Apfel starb plötzlich im Februar 1941 in Marseille, wo er auf die Papiere
       zur Ausreise in die USA wartete. Sein achtzig Jahre altes Buch ist heute so
       lesenswert wie damals.
       
       8 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Müller
       
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