# taz.de -- Happy Birthday, Monika Döring: Die Szeneveteranin
       
       > Musikalisch bewegt von den Neubauten bis Goa-Trance: Die
       > „Veranstalterlegende“ und Loft-Macherin Monika Döring feiert am Sonntag
       > ihren 80.
       
 (IMG) Bild: Monika Döring 2017 in Berlin
       
       Sie mag es heiß. Zwischen dem Lächeln des Buddhas und dem Plätschern des
       Brunnens kann man Goa erahnen auf diesem Dach in Neukölln. Im Duft von
       Datura und Oleander, unter einer dicken Schlange in Schwarzlichtfarben
       sitzt ein Paradiesvogel mit einem platinblonden Haarschopf. Stadtbekannt
       ist der, von Berghain bis Radialsystem und Volksbühne. Stadtgeschichte hat
       sie geschrieben, diese Frau, eine Ikone war Monika Döring schon in den
       1980er Jahren.
       
       Es ist heiß. Schwitzende Körper wälzen sich in einem Gemisch aus Mehl und
       Eiern, tanzen Pogo vor der Bühne, bis sie wieder im Schlamm landen. Fun
       Punk der Marke King Kurt. Welcher Veranstalter bucht bitte wissentlich das
       Chaos? Oder die Sache mit den Kettensägen. La Fura dels Baus laufen
       schreiend mit Mordwerkzeugen durchs Publikum, die vorderen Reihen werden
       mit Stierblut besudelt.
       
       Zwei von 800 Bands aus 19 Ländern in 500 Konzerten, die Monika Döring ab
       1983 in ihren sechs Jahren Loft Concerts promotet hat, vor allem im Loft,
       dem Club über dem Metropol am Nollendorfplatz. Tuxedomoon, Cabaret
       Voltaire, Sonic Youth, Wire, Cocteau Twins, Diamanda Galas, natürlich Nick
       Cave und die Einstürzenden Naubauten: Zehnmal haben sie für Monika
       gespielt.
       
       Immer wurden Berliner Bands (Die Ärzte!) mit den Stars gepaart, so schafft
       man Szene. „Das war schon der aufregendste und beglückendste Teil meines
       Lebens“, sagt sie – ihre Begeisterung teilen zu können für diese
       „unverbrauchte Energie, gegen alle Normen“, größtmögliches „Sharing“ bei
       kleinem Eintritt.
       
       Gerade der retro-orientierte Betrachter von heute steht staunend vor diesem
       in Konzertdaten gegossenen Zeitgeist. Wie muss das wohl gewesen sein, den
       sagenumwobenen Residents ins Auge geblickt zu haben? Die junge Björk,
       strumpfsockig, Bad Brains, Swans, Abwärts als Vorband von Johnny Thunders …
       1983 die Toten Hosen und die ersten Rapper: Newtrament, später Public Enemy
       und Run DMC. Dazu Monikas Abenteuerlust. Sie fliegt nach Moskau, in der DDR
       entdeckt sie AG Geige, das Folgeprojekt Raster Noton ist heute ihre
       Lieblingsmusik.
       
       ## Salon Döring
       
       Ein opulentes Buffet, ausgelassene junge Menschen mit interessanten
       Frisuren. Ein paar hungrige Stars, Ratten-Jenny sitzt mit zerlöcherten
       Strümpfen an der Wand. Ein Mann mit Bart und strahlenden Augen: Heiner, der
       Mann an ihrer Seite. Hinter ihm lacht die Frau an ihrer Seite: Irmgard
       „Irmchen“ Schmitz, Assistentin und beste Freundin. Ein platinblonder
       Haarschopf über einer sprudelnden Sektflasche. Das Backstage des Loft.
       
       Weltweit eilte diesem der Ruf voraus, dass Musiker dort verwöhnt werden und
       auch sonst alles möglich ist. Eigentlich ist es ein Salon wie im Paris des
       18. Jahrhunderts, wo philosophiert, gegessen (das Buffet ist von Monika)
       und getrunken wird – und dieser Salon setzt sich zu Hause fort in der
       Döring’schen Wohnung.
       
       „Ich habe darüber nachgedacht, warum ich so alt geworden bin“, sagt sie.
       „Es sind die Glücksmomente. Glück durch Entdeckungen. Ich bin ständig auf
       der Jagd nach neuen Impulsen, eine Glücksjägerin aus Leidenschaft.
       Leidenschaft für neue Töne, für gute Bücher, für bildende Kunst.“
       
       Kein Wunder – die Großmutter hatte eine Musikalienhandlung, Vater und
       Schwester waren Opernsänger, Tante und Onkel Maler, sie stammt aus dem
       weiteren Familienkreis des ungarischen Poeten Endre Ady. Aufgewachsen mit
       klassischer Musik, verfiel Monika bald dem Freejazz, war Schauspielerin,
       Das Kollektiv „Das politische Buch“ und das Schwarze Café am Savignyplatz
       sind weitere Stationen.
       
       Den Freejazz entdeckt sie dann im Punk wieder und holt ab 1981 Blurt,
       Adrian Sherwood, Neneh Cherry und Caspar Brötzmann für Konzerte in die
       Steglitzer Music Hall. Ehemann Heiner kannte sie aus der Studentenbewegung,
       er unterstützt sie bedingungslos. Als Kunstlehrer teilt er ihre Vorlieben,
       in der Wohnung der beiden sitzt man unter riesigen wilden Gemälden von
       Jürgen Zumbrunnen und Das Lotron.
       
       Einmal steht um zwei Uhr morgens Winston Tong von Tuxedomoon vor der Tür,
       eine Torte in den Armen. Wie sich das für einen guten Salon gehört, wird
       die auch gleich von allen zusammen verspeist – und zwar im Döring’schen
       Bett.
       
       ## Die Jungs
       
       „Halbzeit, Monika!“ steht groß und fett auf den Plakaten. Die ganze Stadt
       ist zugeklebt damit.
       
       Das war vor genau dreißig Jahren, ein Geburtstagsgeschenk von „meinen
       Jungs“, wie Monika ihre Plakatierer, Stagehands, Bandbetreuer, Einlasser
       und Security nannte. Es waren drei, die all das machten, alle drei hatten
       eine eigene Band. Einer davon ist Mark Reeder, über den man alles aus der
       Doku „B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979–1989“ weiß. Chaos, auch ein
       Punk-Blondschopf, residiert heute in seinem Szene-Lokal Pinguin-Club.
       
       Und Michael Schäumer, Veranstalter des ersten New-Order-Konzerts in
       Deutschland. Mit seiner Birthday-Party-Tour macht er 1981 in der Music Hall
       bei Monika Station. „Wir waren wirklich wie eine Familie“, sagt er, „wir
       hatten alle die gleiche Begeisterung für die gleiche Musik.“ Unter seinen
       Favoriten ist das „Mythen, Monster, Mutationen“-Festival, das „Atonal vor
       dem Atonal“, wie er es nennt, das Monika im Tempodrom ihrer guten Freundin
       Irene Moessinger abhielt.
       
       Schäumer hilft auch bei der Ausrichtung von Monikas Geburtstagsparty in
       einem Club heute am Samstag, um reinfeiern zu können in den Sonntag, wenn
       sie dann wirklich 80 wird. Trance-DJs werden auflegen. Als Schäumer mal
       fragt, ob sie nicht auch eine Band will, kommt die Antwort: „Um Himmels
       willen.“
       
       ## Next Stop San Fran Goa
       
       „Ich kann auch Kapitel abschließen“, meint Monika, und sie meint damit
       nicht, dass sich ihr Geschmack verändert, nein, er erweitert sich. Wenn die
       Innovation nicht mehr da ist, die Impulse nicht mehr feuern, dann muss die
       Glücksjägerin weiterziehen. 1988 konnte sie keine Gitarren mehr hören, auch
       sie war infiziert vom Dance-Virus und übergab ihr Loft an Irmchen und an
       Axel Schulz.
       
       Urlaub stand an, aber daraus wird mehr. San Francisco wird zur neuen
       Lebensetappe. Die Szene der Stadt nimmt sie gefangen, besonders die
       Goa-Trance-Szene: „Sehr hart, sehr schnell, sehr spirituell.“ Auch dort
       wird ihre Bleibe wieder zum Salon, Treffpunkt für die deutschen Künstler in
       San Francisco wie Peter Ziegelmeier, der mit Goa Gil die Band Kode IV hat.
       
       Goa Gil ist ein hochverehrter Mann dieser Musik, Psy-Trance-DJ und
       Begründer der Full Moon Partys in Goa. Monika hat eine neue Mission, sie
       holt Goa Gil nach Berlin und taucht ganz in den Psy-Trance-Underground ab.
       Seit 1996 kommt Gil jeden Sommer und spielt in ganz Europa, Magnet für alle
       Goa-Jünger sind die drei Tage im Berliner Umland „auf dem Acker“, Gil
       spielt 25 Stunden am Stück.
       
       Seit 1996 verbringt Monika fast jeden Winter in der Hitze Goas, nur dieses
       Jahr nicht. Sie schenkt dafür ihren Freunden eine Party zur Feier von 80
       Jahren voller Power. Der Freundeskreis ist bunt und groß, denn das sind die
       Freunde von heute, von gestern … und von vorgestern. Wer weiß, vielleicht
       taucht auch Winston Tong mit Torte auf.
       
       4 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Monika Dietl
       
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