# taz.de -- Rechtes Netzwerk in Sicherheitsbehörden: Ein Kumpel wie jeder andere
       
       > Der erste Prozess im Komplex Franco A. ist gestartet. Ein Freund hat
       > Waffen und Munition für den rechtsradikalen Soldaten gelagert.
       
 (IMG) Bild: In Gießen läuft der erste Prozess im Franco-A.-Komplex
       
       GIEßEN/BERLIN taz | Um den Angeklagten geht es zunächst gar nicht im Saal
       227 des Gießener Landgerichts. Der heißt Mathias F., er hält sich einen
       Schreibblock vor das Gesicht, um die Kameras der Journalisten abzuwehren.
       Derweil nimmt ein anderer in der letzten Reihe des Zuschauerbereichs Platz,
       unbeachtet zunächst. Es ist [1][Franco A., der Bundeswehrsoldat, der sich
       als syrischer Flüchtling ausgab]. Ihm werfen Ermittler vor, rechtsextreme
       Attentate geplant zu haben. Man könnte meinen, einer wie er habe gute
       Gründe, nicht in diesem Gerichtsprozess zu erscheinen. Schließlich geht es
       auch um seine möglichen Terrorpläne, die Ermittler seit über zwei Jahren zu
       verstehen versuchen. Und nun sitzt er hier.
       
       Die Verhandlung ist der erste Prozess im Franco A.-Komplex. Mathias F. wird
       vorgeworfen, Munition, Übungshandgranaten und Waffenteile bei sich verwahrt
       zu haben, die Franco A. ihm gab. Es geht im Kern um den Verstoß gegen das
       Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Diese Taten hat F. vor
       Gericht zugegeben.
       
       Franco A. ist der spektakulärste Fall eines rechtsradikalen
       Bundeswehrsoldaten seit langem. Als Student hatte er der Bundeswehr eine
       antisemitische Masterarbeit vorgelegt, offenbar über Jahre hinweg
       Sprengstoffkörper, Patronen und ganze Munitionskisten bei der Armee
       entwendet, sich einer rechten Prepper-Gruppe angeschlossen – und kein
       Vorgesetzter, kein Geheimdienst, kein Ermittler will davon etwas
       mitbekommen haben. Es ist eine Wiener Putzfrau, die seine kriminellen
       Aktivitäten schließlich auffliegen ließ.
       
       ## Eines der Bücher: „Mein Kampf“
       
       Am 3. Februar 2017 geht Franco A. am Wiener Flughafen in eine Toilette,
       öffnet ein Versteck, holt eine Pistole heraus. Eine Putzfrau soll die Waffe
       schon vor Tagen gefunden haben, sie ist nun mit einem Alarm versehen – die
       österreichische Polizei nimmt Franco A. fest.
       
       Mathias F. kennt Franco A. aus Jugendzeiten in Offenbach, sie haben
       zusammen im Verein gerudert. F. bleibt in Hessen und studiert, Franco A.
       absolviert bei der Bundeswehr die Offiziers-Laufbahn, wird ins französische
       Illkirch versetzt. Sie schreiben sich regelmäßig Nachrichten mit Inhalten,
       die der Vorsitzende Richter rassistisch nennt.
       
       Franco A. sei ein Kumpel wie jeder andere, sagt Mathias F. vor Gericht.
       Aber er berichtet auch: Einmal habe ihm A. auf dem Offenbacher Marktplatz
       eine Pistole gezeigt, in Straßburg ein Gewehr. A. erzählte ihm sogar von
       seiner Scheinidentität als syrischer Geflüchteter. Als A. ihm nach seiner
       ersten Festnahme im Februar 2017 zwei Bücher übergibt, glaubt F., es sei
       wegen dessen Freundin, die nun bei Franco A. lebt. Eines der Bücher: „Mein
       Kampf“.
       
       Am 13. April 2017 treffen sich die beiden Freunde wieder auf ein Bier in
       Offenbach. Später fahren sie zu A.s Elternhaus, steigen in den Keller
       hinab, dort lagern zwei Holzkisten mit Munition, ein Eimer mit
       Patronengürteln, Plastikbehälter, manches davon eindeutig erkennbar als
       Bundeswehreigentum. A. fragt, ob F. sie bei sich lagern könne. Am selben
       Tag unterschreibt ein Frankfurter Amtsrichter einen Haftbefehl für Franco
       A., die Ermittler wissen bereits von der Zweitidentität als Syrer, sie
       bereiten Durchsuchungen an 16 Orten in Deutschland, Frankreich und
       Österreich vor.
       
       F. nimmt die Munition, die Sprengkörper und Waffenteile im Auto seiner
       Mutter mit und verstaut sie in einem Regal in seinem Zimmer im
       Studentenwohnheim.
       
       ## Eine Liste mit Namen von Politikern
       
       Die Ermittlungen lösen eine Krise in der Bundeswehr aus. Die damalige
       Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lässt Kasernen nach
       Wehrmachtsdevotionalien durchsuchen, Franco A.s Vorgesetzte müssen zugeben,
       dass sie antisemitischen Inhalte der Masterarbeit ignoriert haben. Der
       Bundeswehrgeheimdienst MAD gerät in die Kritik, weil er von nichts gewusst
       haben will. Die Bundesanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen und arbeitet
       sich an einer Frage ab: Ist es möglich, dass Franco A. seine Terrorpläne
       nicht alleine ersponnen hat und dass Mathias F. nicht nur ein naiver Kumpel
       vom Ruderclub ist? Ist es möglich, dass hier eine rechte Terrorzelle
       aufgeflogen ist?
       
       Ein Anhaltspunkt ist der Kamerad Maximilian T., der Franco A. unter
       Vorwänden bei ihrem Vorgesetzten entschuldigt, als der zu Terminen in
       seiner Flüchtlingsidentität muss. Bei ihm finden Ermittler Listen mit Namen
       von Bundespolitikern, die Ziel der Attentatspläne sein könnten. Auch er
       muss damals in Untersuchungshaft. Inzwischen wurden alle Ermittlungen gegen
       ihn eingestellt, er arbeitet nun für einen Verteidigungspolitiker der AfD
       im Bundestag.
       
       Ein anderer Hinweis ist eine Whatsapp-Gruppe, in der Franco A., Maximilian
       T., ein Reservist, der in Wien lebt, und ein weiterer Offizier chatten.
       Dorthin postet Franco A. ein Foto vom Waffenversteck am Wiener Flughafen.
       Gegen den Reservisten wird bis heute ermittelt.
       
       Schließlich wird Franco A. Teil eines bundesweiten Prepper-Netzwerkes, in
       dem sich unter anderem Soldaten, Polizisten und Behördenmitarbeiter auf
       einen Tag X vorbereiten, ein Katastrophenszenario. Franco A. nimmt an
       Treffen teil, ist Mitglied in der süddeutschen Gruppe [2][des Netzwerks,
       lernt den Gründer kennen, ein Elitesoldat, der sich „Hannibal“ nennt].
       Maximilian T. war nach Recherchen der Welt kurzzeitig in der Ost-Gruppe.
       Zur gleichen Zeit fantasieren auch im norddeutschen Ableger Männer von
       Feindeslisten und Tötungsszenarien, [3][gegen mehrere Männer der
       „Nordkreuz“-Gruppe wird inzwischen ebenfalls ermittelt]. Das Bundesamt für
       Verfassungsschutz hält sie für rechtsextrem. Auch Franco A. und sein Umfeld
       seien rechtsextrem, so ein Geheimdienst-Vertreter im Innenausschuss des
       Bundestages.
       
       ## Chats und wahre Gedanken
       
       Der Fall ist inzwischen so verworren, dass die Geheimdienstkontrolleure im
       Bundestag mit großem Aufwand an der Aufklärung arbeiten. Das
       Parlamentarische Kontrollgremium hat seinen Ständigen Bevollmächtigen mit
       der Untersuchung beauftragt, ob es ein rechtes Netzwerk gibt, das bis in
       die Bundeswehr reicht. Ein Bericht wird im Herbst erwartet. Schon jetzt
       aber übt das geheim tagende Gremium öffentlich harsche Kritik. Es erwarte,
       dass die Bundesregierung die Nachrichtendienste mehr denn je dazu anhalte,
       „auch bei der Extremismusabwehr Hand in Hand zusammen zu arbeiten“,
       [4][heißt es in einer „öffentlichen Bewertung“].
       
       Was aber im Fall Franco A. offenbar fehlt: Konkrete Attentatspläne. Die
       Bundesanwaltschaft hat zwar Franco A. wegen der „Vorbereitung einer
       schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ angeklagt, das Frankfurter
       Oberlandesgericht sah für ein Terror-Verfahren aber nicht ausreichend
       Anhaltspunkte. Nun muss der Bundesgerichtshof entscheiden: Wird es im
       Prozess gegen Franco A. um Rechtsextremismus und Terror gehen oder nur um
       Munition, Waffen und Sozialbetrug? Eine Entscheidung steht seit Monaten
       aus.
       
       Franco A. sucht derweil die Öffentlichkeit. Nach taz-Informationen war er
       bei einem Treffen eines linken Gesprächskreises in Berlin und besuchte
       vergangenen Sonntag beim Tag der offenen Tür den Bundestag. Den Prozess
       gegen Mathias F. in Gießen verlässt er, als der Verteidiger auf ihn
       aufmerksam macht. F. gibt an, seit seiner Verhaftung keinen Kontakt mehr zu
       Franco A. gehabt zu haben.
       
       Mathias F. bekommt rote Flecken, wenn er erzählt. Er sackt trotz seiner
       breiten Rudererschultern zusammen. Der Richter fragt nach den
       Verschwörungstheorien, über die er sich mit Franco A. ausgetauscht habe.
       Der Angeklagte antwortet: In Chats provoziere er bewusst, um zu sehen, wie
       andere reagieren. „Hätte ich gewusst, dass das irgendwann mal gegen mich
       verwendet werden kann, hätte ich immer darauf geachtet, dass meine reale
       Identität nicht mit meiner imaginären verwechselt werden kann.“
       
       Dann trägt die Staatsanwältin eine Nachricht vor. Mathias F. schreibt darin
       von einer angeblichen jüdischen Unterwanderung, von Terroristen, die
       gezielt geschickt würden und dass er fürchte, die Deutschen würden
       verschwinden. Er schließt die Nachricht mit: „Hitler hat so hart für unsere
       Ethnie gekämpft“.
       
       Am Montag wird der Prozess fortgesetzt.
       
       13 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Anklage-gegen-Bundeswehrsoldaten/!5470349
 (DIR) [2] /Schwerpunkt-Hannibals-Schattenarmee/!t5549502/
 (DIR) [3] /Rechter-Terror-in-Deutschland/!5608261
 (DIR) [4] https://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2019/pm-190911-bewertung-pkgremium-657214
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christina Schmidt
 (DIR) Sebastian Erb
       
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