# taz.de -- Rechter Terror in Deutschland: Auf der Feindesliste
       
       > Mitglieder der Preppergruppe Nordkreuz sollen geplant haben, politische
       > Gegner zu töten. Was tut der Staat gegen rechten Terror?
       
 (IMG) Bild: Rechte Prepper gibt es auch in der Bundeswehr
       
       ROSTOCK/SCHWERIN/LUDWIGSLUST/BERLIN taz | Als Heiko Böhringer Hilfe
       braucht, wendet er sich an die Polizei. Er hat einen Brief erhalten, am
       Computer getippt, per Post verschickt. Eine anonyme Morddrohung. Böhringer
       lebt im mecklenburgischen Ludwigslust, er ist Ingenieur, Lokalpolitiker und
       in einem Bündnis für Windkraftausbau aktiv.
       
       Nicht nur er bekommt so einen Drohbrief, sondern auch ein Landrat und der
       Energieminister des Landes. Der Staatsschutz übernimmt. Ein paar Tage lang
       erhält Böhringer Polizeischutz, die Familie des Ministers auch, aber der
       Absender der Briefe wird nicht gefunden. Das war 2015. Böhringer hatte viel
       zu tun, das mit der Morddrohung hatte er schon fast vergessen. Bis ihn das
       Bundeskriminalamt daran erinnert.
       
       Am Montag vor einer Woche haben BKA-Ermittler ihn als Zeugen zur
       Kriminalinspektion nach Schwerin gebeten, danach wird er der taz von dem
       Termin berichten. Die Beamten zeigen ihm Ausdrucke mit Fotos und
       Informationen über ihn, aber auch über andere Personen. Auf manchen
       Dokumenten sind handschriftliche Notizen.
       
       Bei den Betroffenen handelt es sich um Politiker von der Linken, von den
       Grünen und der SPD sowie Aktivisten aus der Zivilgesellschaft. Viele haben
       sich für Flüchtlinge engagiert. Der Verdacht der Ermittler: Diese
       Datensammlung, die sie bei Razzien in einem gelben Ordner und einem
       Umschlag gefunden haben, [1][sind eine Feindesliste]. Angelegt von zwei
       Männern, die geplant haben sollen, politische Gegner umzubringen.
       
       Die Ermittler zeigen Böhringer eine Skizze. Es ist der Grundriss seiner
       Wohnung. Der Staatsschutz hatte sie angefertigt, damals, nach den
       Morddrohungen. Jetzt ist sie in die Hände von zwei Männern geraten, die das
       BKA für rechtsextreme Terroristen hält.
       
       ## Schützt der Staat die Bedrohten
       
       Es ist ein ungeheuerlicher Verdacht, dem die Bundesanwaltschaft seit nun
       fast zwei Jahren nachgeht: Zwei Männer in Mecklenburg-Vorpommern sollen
       geplant haben, Personen aus dem „politisch linken Spektrum“ zu töten. Der
       eine Beschuldigte, Jan Hendrik H., ist Anwalt aus Rostock und war bis vor
       Kurzem Lokalpolitiker. Der andere, Haik J., arbeitete bis zu den
       Ermittlungen bei der Kriminalpolizei in Ludwigslust. „Vorbereitung einer
       schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ lautet der Vorwurf im
       Juristendeutsch und meint: Terror.
       
       Wenige Wochen ist der [2][Mord an Walter Lübcke] nun her, der erste
       mutmaßlich rechtsextreme Mord an einem Politiker in Deutschland seit 1945.
       Alte Fragen stellen sich jetzt noch dringlicher: Wie schützt der Staat die
       Bedrohten? Kann er das überhaupt?
       
       Seit zwei Jahren recherchiert ein Team der taz zu rechten Netzwerken in
       Mecklenburg und in ganz Deutschland. Wir haben mit vielen Beteiligten
       gesprochen, mit Quellen in Behörden und in der Politik, wir konnten
       Ermittlungsunterlagen und andere Dokumente einsehen. Damals schon schrieben
       wir von einem radikalen Netzwerk, jetzt können wir detaillierter
       beschreiben, wie die Pläne aussahen und wer die Opfer sein sollten.
       
       Es geht um Elitepolizisten, die Munition klauen und horten. Um Löschkalk
       und Leichensäcke. Um einen Landesinnenminister, der wenig weiß oder das
       vorgibt. Und um die Bundesanwaltschaft, die bislang nicht wegen Bildung
       einer terroristischen Vereinigung ermittelt.
       
       ## Vorbereitung auf „Tag X“
       
       Um zu verstehen, wie groß die Gefahr für Heiko Böhringer und die anderen
       Menschen [3][auf der Nordkreuz-Liste] ist, muss man zwei Jahre zurückgehen.
       Am 28. August 2017 durchsucht das BKA Wohnungen und Büros von Jan Hendrik
       H., Haik J. und mehreren Zeugen in Mecklenburg-Vorpommern, im April 2018
       rücken sie noch einmal aus, um bei acht Zeugen zu durchsuchen. Inhaftiert
       ist bislang keiner der Beschuldigten.
       
       Die Ermittler gehen vorsichtig vor. Die Bundesanwaltschaft misstraut den
       örtlichen Polizeikräften, informiert sogar den Landesinnenminister im
       August 2017 erst unmittelbar vor den ersten Durchsuchungen. Denn die beiden
       Verdächtigen verfügen über gute Kontakte: Sie sind Teil der rund
       30-köpfigen Gruppe Nordkreuz. Unter den Mitgliedern sind nicht nur
       Polizisten, sondern auch Anwälte, ein Malermeister, ein Kampfsportlehrer,
       Sportschützen, Reservisten.
       
       Die Menschen in der Gruppe bereiten [4][sich auf einen „Tag X“] vor, einen
       Sturm oder einen Stromausfall, das sind die Szenarien, die ehemalige
       Gruppenmitglieder beschreiben. Sie erzählen davon, dass sie
       Trinkwasseraufbereitung üben, sich von Türmen abseilen und einander warnen,
       wenn Impfstoff in einem Krankenhaus knapp wird. Sie sind Prepper. Das ist
       nicht strafbar.
       
       Unsere Recherchen haben aber auch ergeben: Die Mitglieder dieser Gruppe,
       die sich um 2015 herum gegründet hat, halten es für möglich, dass die
       öffentliche Ordnung zusammenbricht, weil Flüchtlinge nach Deutschland
       kommen. Sie misstrauen dem Staat und bezweifeln, dass er die öffentliche
       Sicherheit aufrechterhalten kann. Es ist die Aufgabe von Polizisten,
       Soldaten und Reservisten, Sicherheit herzustellen. Stattdessen haben
       Mitglieder von Nordkreuz das Gegenteil vor. Das Bundesamt für
       Verfassungsschutz beobachtet Nordkreuz nach eigenen Angaben bereits seit
       Herbst 2016 mit „vollem“ Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel.
       
       ## Aufrufe zu „inneren Unruhen“
       
       Die Geschehnisse in Mecklenburg lassen sich nicht als Einzelfall mit zwei
       mutmaßlichen Straftätern abtun, die in sich in einer Gruppe bewegen, sich
       radikalisierten. Nordkreuz ist keine isolierte Gruppe und eingebettet in
       ein weit größeres Netzwerk. Das können wir längst belegen. Die meisten
       Mitglieder sind auch Teil weiterer Telegram-Gruppen wie Nord.com und Nord.
       Daneben gibt es die Gruppen West, Ost und Süd. Was sie vereint, ist ihr
       Gründer, er nennt sich Hannibal. Sein bürgerlicher Name ist André S. Neben
       den Prepperchats führt er den Verein Uniter, der sich in sein Netz einfügt,
       in Süddeutschland sogar mit der Preppergruppe verschmolzen ist.
       
       Als André S. die Gruppen und den Verein gründet, ist er Soldat beim
       Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr. Eine Eliteeinheit, deren Aufgabe
       auch ist, Terror im Ausland zu bekämpfen. Also: den Staat zu schützen. Doch
       André S. bereitet sich auf dessen Zusammenbruch vor. In einer internen
       E-Mail riet er etwa, sich auf „innere Unruhen“ oder „Krisen an den Grenzen“
       vorzubereiten.
       
       In Chats und bei Treffen sprachen sie über Fluchtrouten, sichere
       Treffpunkte, Depots. André S. ist nicht mehr beim KSK, es läuft ein
       Disziplinarverfahren gegen ihn, auch die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil
       bei einer Durchsuchung seines Elternhauses Zünder von Übungshandgranaten
       gefunden wurden. Ob er über die Pläne der Prepper im Norden informiert war,
       ist unklar. Unter Terrorverdacht steht er nicht.
       
       Von dem großen Netzwerk und seinem Strippenzieher weiß Heiko Böhringer
       nichts, als er im Juni 2019 in Schwerin beim BKA sitzt. Die Sache mit
       Nordkreuz kennt er aus der Zeitung, die beiden Beschuldigten Jan Hendrik H.
       und Haik J. glaubt er nie getroffen zu haben.
       
       Er selbst hatte nach den Morddrohungen nie eine Rückmeldung von den
       Ermittlern bekommen. Auch nicht, als sein Wohnungsgrundriss bei den Razzien
       gefunden wurde. Hatte der Kriminalpolizist Haik J. damals mit den
       Ermittlungen zu tun oder geht der Staatsschutz so schlampig mit
       anvertrauten Daten um, dass andere Polizisten darauf zugreifen können? Das
       Innenministerium in Schwerin will dazu auf taz-Anfrage nichts sagen.
       
       ## Der Begriff „Todesliste“ fiel im Bundestag
       
       Ohnehin erklärt das Ministerium seit zwei Jahren wenig. Zwar setzte
       Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eine Prepper-Kommission ein, ihr Bericht
       ist jedoch bis heute nicht veröffentlicht. Informationen fließen spärlich.
       Oder sind unwahr.
       
       Im Innenausschuss des Landtages erklärt ein Staatssekretär noch im Januar:
       Selbst wisse man nicht viel, weil die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen
       führt. Aber auch diese habe im Dezember 2018 im Innenausschuss des
       Bundestages nicht von einer Namensliste gesprochen, sagt er laut Protokoll
       und legt sich fest: Entsprechende Medienberichte müssten „schlicht falsch“
       sein. Aber das stimmt nicht. Der taz liegt das Protokoll dieser
       nichtöffentlichen Sitzung vor. Darin ist mehrfach explizit der Begriff
       „Todesliste“ zu finden.
       
       Nach Heiko Böhringers Befragung reisen die Ermittler vom BKA weiter nach
       Rostock. Sie befragen insgesamt 29 Zeugen. Wir konnten mit einigen von
       ihnen sprechen.
       
       Daten von rund 25.000 Personen haben die Ermittler sichergestellt, der
       größte Teil stammt aus dem Hack eines Versandhandels, der seit Jahren im
       Internet kursiert. Was die 29 Personen verbindet, die als Zeugen geladen
       wurden: In ihren Fällen wurden Meldeadressen oder Geburtsdaten ergänzt. Die
       Ermittler denken, dass Haik J. seinen Zugang als Kriminalpolizist genutzt
       hat, um solche Details herauszufinden.
       
       Am Ende der Befragungen haben die Ermittler einen Querschnitt der Rostocker
       Zivilgesellschaft getroffen: Ein hochrangiger Gewerkschaftsfunktionär ist
       dabei. Landtagsabgeordnete, die ihren Wahlkreis in der größten Stadt des
       Bundeslandes haben. Eine Reihe von Abgeordneten aus der Rostocker
       Bürgerschaft, der Kommunalvertretung. Dort hatte auch Jan Hendrik H. ein
       Mandat, der beschuldigte Rechtsanwalt. Obwohl es mehrmals Anträge gab,
       wurde Jan Hendrik H. nicht aus Gremien ausgeschlossen. Es gelte die
       Unschuldsvermutung, sagten die Abgeordneten damals.
       
       Jetzt erfahren einige von ihnen, dass Jan Hendrik H. Dossiers über sie
       angelegt hat. Auch ein ehemaliger Mitbewohner von Haik J. aus Studientagen
       ist in der Sammlung vermerkt, ein Mitglied der Linkspartei. Neben seinem
       Namen steht sinngemäß: Kenne ich. Kommen gut klar. Aus dem konnte ja nichts
       werden.
       
       Was sich anhand der Zeugenliste zeigt: Die Beschuldigten haben es nicht auf
       radikale Linke abgesehen, nicht auf Spitzenpolitiker im fernen Berlin. Sie
       spähten Menschen in der Mitte der Gesellschaft aus. Ihre Nachbarn.
       
       Was das BKA ihnen gesagt hat, das berichten mehrere Befragte unabhängig
       voneinander: Das BKA habe direkt nach den Durchsuchungen im August 2017 die
       Einschätzung getroffen, dass eher keine Gefährdung vorliege. Das sei an das
       LKA in Mecklenburg-Vorpommern gegangen mit der Bitte: die Betroffenen zu
       sensibilisieren. Sprich: sie zu informieren, dass sie auf der Liste stehen.
       
       Innenminister Caffier sagte hingegen im Landtag: Er habe nicht in die
       Öffentlichkeit gehen können und von Todeslisten sprechen. „Und genauso
       schwer fällt es mir, das LKA anzuweisen, die 29 Personen zu informieren,
       obwohl doch gar keine Gefährdung vorliegt.“ Nicht einmal seine Kollegen im
       Landtag hat er informiert, die ihn mehrfach explizit um Auskunft baten.
       
       Inzwischen beschäftigten mehr als ein Dutzend parlamentarische Anfragen zur
       Nordkreuz-Gruppe und dem Hannibal-Netzwerk die Bundesregierung.
       Landtagsabgeordnete fragten nach, die Chefs der Nachrichtendienste wurden
       in Ausschüsse und Gremien bestellt. Auch dort heißt es immer wieder, es
       gebe Ermittlungen. Aber ein konspiratives Netzwerk mit dem Ziel, die
       freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen?
       
       Vergangene Woche wurde bekannt, dass bei den Ermittlungen auch eine Art
       Materialliste gefunden worden ist, handgeschrieben. Darauf nach
       taz-Informationen verzeichnet: Leichensäcke und Löschkalk, den man in
       Massengräber schüttet, um die Verwesung zu beschleunigen. Darüber
       berichtete zuerst das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
       
       Bei welchem Sturm, welchem Stromausfall sollte jemand Leichensäcke in
       großer Stückzahl benötigen? Langsam scheint der Öffentlichkeit bewusst zu
       werden: Das sind keine harmlosen Prepper.
       
       Die Bundesanwaltschaft ermittelt bislang im Norden lediglich gegen Haik J.
       und Jan Hendrik H. wegen Terrorvorwürfen. Alle anderen aus dem Netzwerk
       gelten als Zeugen. Dabei müsste den Ermittlern längst bewusst sein, dass
       nicht nur diese zwei Männer Tötungsabsichten hatten.
       
       In der Nordkreuz-Gruppe habe man davon gesprochen, gegen die als
       „Invasoren“ bezeichneten Flüchtlinge vorzugehen, notfalls mit Waffengewalt.
       So haben es die BKA-Beamten jetzt den 29 Befragten erklärt. Und es habe
       einen kleineren Personenkreis gegeben, der auch gegen diejenigen vorgehen
       wollte, die sie für das angebliche Problem verantwortlich machen.
       
       Was sie offenbar vorhatten, wird in dieser Szene deutlich: An einem Abend
       Anfang 2017 treffen sich vier Männer aus der Nordkreuz-Gruppe an einem
       Stehimbiss in Mecklenburg-Vorpommern. Sie fragen sich: Wenn der „Tag X“
       kommt und Chaos ausbricht, könnte man nicht Bundeswehr-Lkws organisieren,
       um Menschen abzutransportieren? Von Erschießungen soll die Rede gewesen
       sein. So sagen es Personen, die mit den Vorgängen betraut sind.
       
       Die vier Männer tauschen sich in einer eigenen Telegram-Chatgruppe aus, sie
       heißt „Vier gewinnt“. Laut Bundesregierung manifestiert sich bei den
       Mitgliedern dieser Gruppe „eine gefestigte rechtsextremistische
       Einstellung“. Mit dabei: ein Versicherungsvertreter aus Rostock; der
       damalige Chef einer Reservistenkompanie der Bundeswehr; Haik J., der
       beschuldigte Kriminalpolizist. Und Marko G., ein ehemaliger SEK-Beamter.
       
       ## Ein Präzisionsschütze, der Waffen hortete
       
       Marko G. hat die Nordkreuz-Gruppe gegründet und geleitet, er ist die
       Verbindungsperson zu Hannibal, dem zentralen Chatgruppen-Administrator. Und
       er sitzt seit Mitte Juni in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Verstoß gegen
       das Waffenrecht, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz.
       In diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft in Schwerin.
       
       Marko G. war früher Fernspäher, einer derjenigen, die man hinter der
       feindlichen Linie abwerfen konnte und die trotzdem überlebten. Dann ging er
       zum Spezialeinsatzkommando der Polizei, die Einheit für harte Fälle,
       Festnahme von Schwerverbrechern, Geiselbefreiung. Er ist Präzisionsschütze.
       
       Im Terrorverfahren des Generalbundesanwaltes gilt Marko G. als Zeuge,
       deshalb befragten ihn die Ermittler damals und durchsuchten sein Haus. Für
       die taz ist er nicht zu sprechen, auch nicht, als er im April bei einer
       Podiumsdiskussion in Rostock zum Thema Nordkreuz als Zuhörer erscheint.
       
       Die Nordkreuz-Gruppe hatte, das geht aus Ermittlungsunterlagen vor, für
       „Tag X“ vorgesorgt und geheime Depots angelegt, mit Treibstoff und
       Nahrungsmitteln. Jeder von ihnen hatte dafür 600 Euro gezahlt – an Marko G.
       Jetzt wird bekannt: Schon bei der Durchsuchung 2017 haben die Beamten bei
       ihm mehrere zehntausend Schuss Munition und eine Vielzahl von Waffen
       gefunden. Anfang Juni stießen sie erneut auf eine so hohe Anzahl Munition.
       Insgesamt handelt es sich um mindestens 60.000 Schuss. Auch eine
       Uzi-Maschinenpistole und ein Schalldämpfer wurden sichergestellt, beides
       besaß er illegal.
       
       Die Ermittler haben herausgefunden, dass seit 2012 Munition aus
       Polizeibeständen geklaut wurde. Doch soll es sich dabei nur um einen
       geringen Anteil der gefundenen Munition handeln. Wo der Rest herkam?
       Unklar.
       
       Beschuldigt, die Munition geklaut zu haben sind neben Marko G. drei aktive
       und ehemalige Beamte des SEK, einer ist schon kein Polizist mehr, die
       anderen sind suspendiert und sollen aus dem Dienst entfernt werden. Zwei
       von ihnen sitzen wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. In Chats sollen
       die vier „rechtsextremistisches Gedankengut“ ausgetauscht haben. Zwei der
       vier sind ehemalige Fallschirmjäger. Ob auch sie direkten Kontakt zu
       Nordkreuz oder dem weiteren Hannibal-Netzwerk hatten, ist nicht bekannt.
       
       ## Warum sehen Ermittler Einzelpersonen?
       
       Jetzt muss die Bundesanwaltschaft sich fragen lassen: Warum werden die
       beiden Verfahren getrennt behandelt? Ein Kriminalpolizist und ein Anwalt
       legen Todeslisten an. Sie sind Teil einer Gruppe, deren Leiter illegal
       Munition und Waffen hortet. Auf Landesebene und im Bundestag wundern sich
       Politiker: Warum sehen die Ermittler noch immer nur Einzelpersonen und
       keine terroristische Vereinigung? Also mindestens drei Personen, die
       schwere Straftaten begehen wollen, Schrecken verbreiten, mit einem
       politischen Ziel? Auf Anfrage der taz äußert sich die Bundesanwaltschaft
       nicht.
       
       Nachdem Ermittler, Bundestag und Nachrichtendienste sich seit zwei Jahren
       an der Nordkreuz-Causa abarbeiten, nachdem ein CDU-Politiker in der
       hessischen Provinz mutmaßlich von einem Rechtsextremen ermordet wurde, hat
       nun Innenminister Caffier Konsequenzen angekündigt. Dem Betreiber eines
       Schießplatzes in Güstrow wurde gekündigt, dort hatten Polizisten aus
       Mecklenburg-Vorpommern trainiert – aber auch welche aus anderen
       Bundesländern und auch die Nordkreuz-Mitglieder schossen dort regelmäßig.
       Der Betreiber war selbst Teil der Chatgruppe, ist dann aber ausgetreten.
       
       Vier weitere Beamte hat Caffier vorsorglich aus dem SEK versetzen lassen,
       weil sie über Chats intensiven Kontakt zu Marko G. und den anderen
       SEK-Beamten hatten. Er hat die Schießtrainings neu organisieren lassen, um
       den Diebstahl von Munition zu verhindern. Alle Bewerber der Landespolizei
       sollen künftig vom Verfassungsschutz überprüft werden, Beamte maximal zehn
       Jahre beim SEK bleiben. Eine dreiköpfige Expertenkommission wurde
       beauftragt, die Spezialeinheiten des Landes bis Ende Oktober „gründlich zu
       untersuchen“.
       
       Während der mutmaßliche Rechtsterrorist von Kassel enge Verbindungen in die
       klassische Neonaziszene hat, reichen die Kontakte von Nordkreuz bis in den
       parlamentarischen Raum. Mehr noch: Auch nachdem die Vorwürfe gegen die
       Mitglieder bekannt wurden, drängen sie in politische Ämter. Es taucht
       beispielsweise der Name eines AfD-Kommunalpolitikers als Nordkreuz-Mitglied
       in den Ermittlungsunterlagen auf, auf Anfrage verneint dieser, im Chat
       gewesen zu sein. Auch Marko G. ist AfD-Mitglied.
       
       ## „Ich will ihn hängen sehen“
       
       Der Kriminalpolizist Haik J. wurde in eine Partei-Arbeitsgruppe zur inneren
       Sicherheit berufen, da waren die Vorwürfe gegen ihn schon bekannt. Er
       arbeitete als Wahlkreismitarbeiter für den AfD-Landtagsabgeordneten Holger
       Arppe, zu dem auch der beschuldigte Anwalt Jan Hendrik H. guten Kontakt
       pflegte. Arppe wurde Anfang 2018 aus der Partei ausgeschlossen, nachdem die
       taz aus internen Chats zitiert hatte, in denen er von der Hinrichtung
       politischer Gegner sprach. „Ich will sie hängen sehen“, schrieb er. „Grube
       ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf.“
       
       Auch Arppe wurde 2018 während der Nordkreuz-Ermittlungen als Zeuge
       durchsucht. Es gibt keinen Hinweis, dass er selbst Teil von Nordkreuz war.
       Doch egal wie eng der Kontakt zwischen der Gruppe und AfD-Vertretern ist:
       Die Ideologie und die Gedankenspiele sind teils sehr ähnlich.
       
       Am 21. Mai 2015 zieht Holger Arppe in seinem Chat mit anderen
       AfD-Mitgliedern über einen Mann von den Grünen her, der sich gegen
       Rechtsextremismus engagiert. „Brauchen wir seine Adresse?“, fragt einer.
       „Da muss ich heute Nacht mal gleich meinen Dienstrechner mit seinen Daten
       füttern.“ Der Mann, über den sie sprechen, lebt in Rostock und saß in der
       Bürgerschaft. Sein Name steht auf der Feindesliste, darüber wurde er
       vergangene Woche vom BKA informiert. Auch seine Privatadresse steht dabei,
       handschriftlich notiert.
       
       6 Jul 2019
       
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       2017 geraten „Prepper“ in Mecklenburg-Vorpommern unter Terrorverdacht. Sind
       sie gefährlich? Die taz wertet interne Unterlagen aus.
       
 (DIR) taz-Recherche zu rechtem Netzwerk: Risiko im Reichstag
       
       Gegen den Bundeswehr-Offizier Maximilian T. wurde wegen Terrorverdachts
       ermittelt. Heute ist er AfD-Mitarbeiter im Parlament.
       
 (DIR) taz-Recherche zu rechtem Netzwerk: Der rechtsextreme Offizier
       
       Maximilian T. ist Bundeswehrsoldat und er arbeitet für die AfD im
       Bundestag. Er hat mehr rechtsextreme Bezüge als bisher bekannt.
       
 (DIR) Rechtes Netzwerk in Sicherheitsbehörden: „Hannibal“ muss vor Gericht
       
       Der Ex-KSK-Soldat André S. soll 120 Tagessätze Geldstrafe bezahlen. Es geht
       um Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz.
       
 (DIR) Ermittlungen zum Hannibal-Komplex: Anklage gegen „Nordkreuz“-Gründer
       
       Ein Ex-Polizist soll massenhaft Munition gehortet haben. Was er damit
       vorhatte, spielt juristisch keine Rolle.
       
 (DIR) Bei der Polizei verschwundene Waffen: Diebe in Uniform?
       
       Das niedersächsische Innenministerium hält es nicht für besorgniserregend,
       dass in der Polizei Waffen verschwinden. Es ist vielleicht auch das Beste.
       
 (DIR) Offener Brief an Horst Seehofer: Journalist*innen wollen Klarheit
       
       Sechs Medienorganisationen appellieren an Horst Seehofer. Sie wollen
       wissen, ob alle auf den „Todeslisten“ Genannten informiert werden.
       
 (DIR) Bekämpfung des Rechtsextremismus: Das BKA macht ernst
       
       Das Bundeskriminalamt will gegen Rechtsextreme vorgehen – mit neuen
       Strukturen und mehr Personal. Für diese Pläne gibt es nicht nur Lob.
       
 (DIR) FragDenStaat scheitert mit Klage: Rechte Namensliste bleibt geheim
       
       Die Transparenz-Aktivisten von FragDenStaat hatten geklagt, dass das BKA
       rechte Namenssammlungen veröffentlicht. Nun sind sie gescheitert.
       
 (DIR) Früherer AfD-Fraktionsvize verurteilt: Hass gesät, Strafe geerntet
       
       Der frühere AfD-Fraktionsvize im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern Holger
       Arppe muss wegen Beleidigungen in einem Chat 6.000 Euro zahlen.
       
 (DIR) Thüringer Polizei behindert Journalisten: Presse in Gefahr
       
       Das Thüringer Innenministerium verteidigt das Vorgehen der Polizei gegen
       Journalisten am Rande einer Neonaziveranstaltung. Katastrophal!
       
 (DIR) „Feindesliste“ der rechten Szene: Sorglose Behörde
       
       Auf der „Feindesliste“ des rechten Bündnisses „Nordkreuz“ stehen 236
       Personen aus Hamburg. Die dortigen Behörden informieren die Betroffenen
       nicht.
       
 (DIR) Bürgerschaftskanzlei schwärzt Namen: Keine Zuarbeit für Todeslisten
       
       Hamburgs Bürgerschaftskanzlei schwärzt die Namen linker Aktivisten in einer
       AfD-Anfrage: Sie wolle der rechten Szene kein Nachschlagewerk liefern.
       
 (DIR) Rechte Prepper-Gruppe „Nordkreuz“: Betroffene tappen weiter im Dunkeln
       
       Nach zwei Jahren werden Personen auf der „Nordkreuz“-Feindesliste nun doch
       benachrichtigt. Mit einem rätselhaften Schreiben.
       
 (DIR) Verfassungsschutzchefin über Polizei: „Höchste Aufmerksamkeit geboten“
       
       Rechtsradikale Vorfälle in der Polizei häufen sich. Strukturen will Beate
       Bube, Chefin des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg, aber nicht
       erkennen.
       
 (DIR) Nach Enthüllung zu rechtsextremem Netz: Hilfe für Bedrohte gefordert
       
       Politiker fordern Unterstützung für Menschen, die auf rechten Todeslisten
       stehen. Mit Einzeltäter-Theorien müsse Schluss sein.
       
 (DIR) Mord an Regierungspräsident Lübcke: Stephan E. hat die Tat lange erwogen
       
       Erst hat er den Mord an Walter Lübcke gestanden, dann widerrufen: Nun
       werden Einzelheiten der ursprünglichen Aussage von Stephan E. bekannt.
       
 (DIR) Gauland will nicht jede Meinung dulden: AfD-Spitze in NRW zerfällt
       
       Höckes rechtsnationaler „Flügel“ ruft in Thüringen zum Widerstand auf. Und
       plötzlich treten neun von zwölf AfD-Vorständen in NRW zurück.
       
 (DIR) Essay rechte Netzwerke: Herbeigesehnter Bürgerkrieg
       
       Was hat Höckes AfD mit der Hannibal-Affäre und dem Lübcke-Mord zu tun? Eine
       historische und aktuelle Spurensuche.
       
 (DIR) Prepper-Netzwerk mit Feindesliste: Betroffene werden informiert
       
       Ein Polizist und ein Anwalt aus Mecklenburg-Vorpommern sollen Todeslisten
       ausgestellt haben. Jetzt werden die ersten Betroffenen davon in Kenntnis
       gesetzt.
       
 (DIR) Rechte Umsturz-Aufrufe: „Schließt euch an!“
       
       Rechte sehen einen „Tag X“ aufkommen – und rufen Polizisten, Soldaten und
       Verfassungsschützer zum Widerstand auf.