# taz.de -- Innenministerkonferenz zu rechten Netzen: Der Feind in den eigenen Reihen
       
       > Gibt es rechte Netzwerke in den Sicherheitsbehörden? Innenminister und
       > Behörden wollen dem nachgehen, aber das Unterfangen ist schwierig.
       
 (IMG) Bild: Saubere Westen? Oder sind unter diesen Kommissar-Anwärtern auch Rechtsextreme?
       
       BERLIN taz | Nun kommen auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und
       seine Länderkollegen nicht mehr um das Thema herum. Ab Mittwoch werden sie
       sich in Lübeck treffen, zur halbjährlichen Innenministerkonferenz. Eines
       der drängenden Themen diesmal: rechtsextreme Vorfälle in den
       Sicherheitsbehörden.
       
       Bei dem Thema wollen die Minister nach taz-Informationen ein schärferes
       Vorgehen vereinbaren: Es solle geprüft werden, inwiefern bei Extremisten im
       öffentlichen Dienst „disziplinarrechtliche Konsequenzen bis zur Entziehung
       des Beamtenstatus ermöglicht werden können“, heißt es in einer
       Beschlussvorlage. Auch soll eine Zentralstelle zur „Aufklärung
       rechtsextremistischer Umtriebe im öffentlichen Dienst beim Bundesamt für
       Verfassungsschutz auf- und ausgebaut werden“ – parallel zu „eigenen
       Bekämpfungsansätzen“ der Länder.
       
       Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnt: „Ich sehe noch keine
       Unterwanderung der Sicherheitsbehörden durch Rechtsextreme, aber die
       Einzelfälle müssen wir sehr ernst nehmen. Auf diese Fälle muss
       disziplinarrechtlich reagiert werden.“ Auch Hessens Innenminister Peter
       Beuth (CDU) erklärte zuletzt [1][mit Blick auf die Polizei], Rassismus sei
       „unvereinbar“ mit dem Beruf. „Jeglichen Verdachtsfällen wird konsequent
       nachgegangen.“
       
       Maier hat auch Anhänger des „Flügels“ der AfD im Blick – von denen einige
       Polizisten sein sollen. „Mit der Einstufung des Flügels als rechtsextremer
       Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz ist der Rubikon für Beamte im
       Grunde schon überschritten“, so der SPD-Mann. „Wer sich dort als Beamter
       engagiert, sollte sich über Konsequenzen nicht wundern.“
       
       ## Die „Einzelfälle“ häufen sich
       
       Lange Zeit war der Tenor ein anderer. Gefragt nach Extremisten in den
       Reihen der Sicherheitsbehörden, lautete die offizielle Antwort:
       Einzelfälle. Inzwischen aber spricht auch Verfassungsschutzchef Thomas
       Haldenwang von „zu vielen Einzelfällen“. Und Holger Münch, Chef des
       Bundeskriminalamtes, fordert einen „selbstkritischen Blick“: Auch die
       Polizei sei nicht gegen Extremismus gefeit. Wer sich von der Verfassung
       entferne, habe dort nichts verloren.
       
       Tatsächlich häuften sich zuletzt die Fälle: Gerade erst wurden Ermittlungen
       gegen drei Bundeswehrsoldaten bekannt, einer vom Kommando Spezialkräfte
       (KSK), die teils Hitlergrüße gezeigt haben sollen. Insgesamt stehen in der
       Armee derzeit 500 Soldaten unter Rechtsextremismusverdacht. Gegen einen,
       [2][Franco A., wurde jüngst Terroranklage erhoben.] Er stand in Kontakt zu
       Mitgliedern des rechten [3][Hannibal-Netzwerks], das von der taz
       mitaufgedeckt wurde.
       
       Bei der Polizei wurde allein in Hessen zuletzt gegen 38 Beamte ermittelt,
       [4][in Mecklenburg-Vorpommern sollen Polizisten Waffen und Munition
       gehortet und über Umsturzpläne diskutiert haben.] Und zuletzt meldeten auch
       der Verfassungsschutz und der BND jeweils einen Rechtsextremen in den
       eigenen Reihen.
       
       Inzwischen haben die Behörden reagiert. Die von den Innenministern
       geforderte Zentralstelle beim Verfassungsschutz ist bereits im Aufbau. Ziel
       sei eine „Informationsverdichtung“ zu „Rechtsextremisten im öffentlichen
       Dienst“, heißt es intern. Die Landesämter sollen Hinweise heranschaffen,
       ebenso der Militärische Abschirmdienst (MAD), der bei der Bundeswehr
       Extremisten aufspürt. Erstellt wird ein Lagebild, das zum Jahreswechsel
       fertig sein soll.
       
       ## Beamte backten Hakenkreutz-Plätzchen
       
       Es ist ein ambitioniertes Vorhaben. Denn bisher gibt es keine Erhebungen
       über extremistische Vorfälle in den Behörden. Da es bislang allenfalls
       Einzelfälle gegeben habe, „wird keine Statistik geführt“, heißt es etwa aus
       Sachsen. Noch schwieriger ist das Aufspüren neuer Fälle. Denn der
       Verfassungsschutz erhebt bei abgespeicherten Rechtsextremisten im Regelfall
       nicht die Berufe. Alternativ müsste er Personaldaten von der Behörde
       anfragen und mit seinen Dateien abgleichen – diese Massenprüfung ist weder
       vorgesehen noch durchsetzbar.
       
       Dem Verfassungsschutz bleibt damit im Grunde nur eine Zusammenstellung
       bisher bekannter Vorfälle. Und ein zufälliges Aufstöbern von Extremisten in
       Uniform, die sich etwa im Internet zu erkennen geben. Haldenwang setzt die
       Erwartungen dennoch hoch. Am Ende, sagte er zuletzt im Bundestag, solle das
       Lagebild beantworten können, ob es tatsächlich Netzwerke im öffentlichen
       Dienst gibt – oder eben nicht.
       
       Wie schwierig das Vorgehen selbst bei bekannten Fällen ist, zeigt der Fall
       Hessen. Dort ermitteln seit Monaten rund 60 LKA-Leute zu den 38 rechten
       Verdachtsfällen in der Polizei. Es geht um Hitlerbilder in WhatsApp-Chats,
       um rassistische Sprüche oder um die Todesdrohungen gegen die
       NSU-Opfer-Anwältin Seda Başay-Yıldız. Inzwischen sind laut Innenministerium
       23 Fälle abgeschlossen – in nur 6 Fällen wurden Polizisten entlassen oder
       gekündigt, eine weitere Entlassung steht kurz bevor.
       
       In 17 Fällen dagegen habe sich strafrechtlich kein Vorwurf bestätigt, so
       das Ministerium. So wurden erst kürzlich die Ermittlungen gegen einen der
       Polizisten eingestellt: Er hatte Bilder von Hakenkreuz-Plätzchen verschickt
       – dies aber nur in einer kleinen WhatsApp-Gruppe. Eine öffentliche
       Volksverhetzung sei somit nicht erfolgt, entschied eine Staatsanwaltschaft.
       
       ## Kooperation von MAD und VS? Ein „Desaster“
       
       Diese Fragen müssen sich jetzt auch die Verfassungsschützer in ihrer
       Zentralstelle stellen: Was ist noch Meinungsäußerung? Was ist strafbar? Wo
       beginnt Extremismus?
       
       Die gleichen Fragen treiben auch den MAD um. Bereits im Herbst gab es hier
       eine Reform. Die Extremismusabwehr wurde als eigene Abteilung ausgelagert
       und personell aufgestockt, die Kooperation mit dem Verfassungsschutz
       ausgebaut. Man wolle nun nicht nur verdächtige Soldaten, sondern auch
       „Kennverhältnisse und Beziehungsgeflechte“ in den Blick nehmen, erklärte
       MAD-Chef Christoph Gram. Geschaut werde jetzt auch, wie Soldaten außerhalb
       der Kasernen und in den sozialen Medien agieren.
       
       Der Bedarf ist groß – wie nicht nur der aktuelle Fall des KSK-Soldaten und
       der zwei Stabsoffiziere zeigt. So ermittelt bereits seit Ende 2018 ein
       „Bevollmächtigter“ des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) der
       Geheimdienste im Bundestag zu möglichen rechtsextremen Netzwerken in der
       Bundeswehr. Im Frühjahr 2020 soll der Bericht vorliegen.
       
       Schon vor einigen Wochen gab der Sonderermittler in dem vertraulich
       tagenden Gremium einen Zwischenbericht. Von einem „Desaster“ für den MAD
       und Verfassungsschutz war danach die Rede. Offenbar tauschten beide
       Behörden kaum Kenntnisse aus, wurde das Umfeld verdächtiger Soldaten wenig
       beachtet und blieben rechtsextreme Vorfälle kaum geahndet.
       
       Dabei liegen im Feld der Bundeswehr offenbar durchaus Informationen vor.
       André Hahn, Linken-Vertreter im PKGr, spricht von mindestens 90
       Aktenordnern, die im Bundesinnenministerium über rechtsextremistischen
       Strukturen bei Bundeswehr und anderen Sicherheitsbehörden stehen –
       öffentlich einsehbar sind diese nicht. „Wie kann es da sein, dass die
       Bundesregierung bis heute behauptet, keine Kenntnis von rechten Netzwerken
       in diesem Bereich zu haben?“, fragt Hahn. Die aktuellen
       Aufklärungsbemühungen seien überfällig. „Es bleibt nur zu hoffen, dass das
       keine Alibi-Veranstaltung wird.“
       
       Spätestens im Frühjahr dürfte man dazu mehr wissen. Dann, wenn
       Verfassungsschutzchef Haldenwang und der PKGr-Bevollmächtigte ihre
       Lagebilder vorlegen. Schon jetzt aber wollen die Innenminister Druck
       machen. Thüringens Amtschef Maier warnt: „Wir müssen auf die Gefahr rechter
       Vernetzungen in den Behörden einen sehr genauen Blick werfen, damit uns
       dort nicht etwas entgleitet.“
       
       2 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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