# taz.de -- Flüchtlingsrettung im Mittelmeer: Auch künftig kein „Sophia“-Einsatz
       
       > Die EU-Operation im Mittelmeer wird vorerst nicht wieder aufgenommen. Die
       > EU-Staaten können sich nicht auf die Verteilung Geretteter einigen.
       
 (IMG) Bild: Bekommen keine militärische Unterstützung der EU: Seenotretter der SOS Mediterranee
       
       Die [1][EU-Anti-Schlepper-Mission „Sophia“] im zentralen Mittelmeer wird
       vorerst nicht wieder aufgenommen. Bei einem Treffen in Zagreb konnten sich
       die EU-Innenminister nicht auf die Voraussetzungen für eine Verlängerung
       einigen. Die Welt berichtet, vor allem Österreich und Italien lehnten einen
       Neustart der „Sophia“-Operation ab. Auch Griechenland und Ungarn hätten
       Bedenken gezeigt. Für die Wiederbelebung von „Sophia“ wäre eine einstimmige
       Entscheidung notwendig gewesen.
       
       Grund für die Ablehnung ist, dass die EU-Staaten sich nicht auf ein System
       zur Verteilung Geretteter einigen konnten. Der „Sophia“-Einsatz hatte ab
       2015 zehntausende Flüchtlinge aus Seenot gerettet und nach Europa gebracht.
       So müsste bei einem Neustart auch die Flüchtlingsaufnahme und -verteilung
       geklärt werden. Insbesondere osteuropäische Länder lehnen beides bisher
       kategorisch ab.
       
       Mehrere Politiker hatten sich zuvor für die Wiederbelebung der
       Militärmission ausgesprochen, darunter auch Bundesinnenminister Horst
       Seehofer (CSU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Deutschland sei
       bereit zur Aufnahme von Migranten, die von Schiffen einer neuaufgelegten
       EU-Marinemission „Sophia“ gerettet werden, hatte Seehofer am Freitag in
       Zagreb gesagt.
       
       Er sei bereit, die vor fünf Monaten getroffene Einigung zur Verteilung aus
       Seenot Geretteter auf eine neue „Sophia“-Mission auszuweiten. „Alles, was
       die Staatengemeinschaft tun kann, um den Frieden zu sichern, ist gut, und
       deshalb hat es meine Unterstützung.“ Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell
       hatte kürzlich erklärt, die EU wolle „Sophia“ mit Fokus auf ein seit Jahren
       gültiges Waffenembargo gegen Libyen neu auflegen.
       
       ## An der Rettung von 35.200 Menschen beteiligt
       
       Die EU hatte die offiziell EUNAVFOR MED Sophia genannte Militärmission mit
       Beteiligung der Bundeswehr 2015 gestartet, um gegen die Schlepper in Libyen
       vorzugehen. Zunächst sollten vor allem Informationen über sie, etwa per
       Drohne, gesammelt werden. Zudem sollte die Zahl der Toten auf dem Meer
       reduziert werden, indem die Rettungsleitstellen die Möglichkeit bekommen,
       die „Sophia“-Schiffe bei Bedarf für Rettungseinsätze anzufordern. Von
       Januar 2016 bis Juni 2018 waren die „Sophia“-Schiffe nach einer Zählung der
       Internationalen Organisation für Migration an der Rettung von 35.200
       Menschen beteiligt, das war etwa ein Zehntel der Rettungen in dieser Zeit
       im zentralen Mittelmeer insgesamt.
       
       Die EU versuchte stets, die Mission als „Rettungseinsatz“ darzustellen,
       obwohl dies nicht die primäre Aufgabe war. Der Name „Sophia“ stammt von
       einem Mädchen, das an Bord eines der Militärschiffe von einer geretteten
       Mutter geboren wurde. Seit einer Erweiterung des Mandats im Mai 2016 sollte
       die Mission auch auf den Aufbau einer libyschen Küstenwache vorantreiben
       und diese ausbilden.
       
       Gleichzeitig sollte das Waffenembargo gegen Libyen überwacht werden.
       Ursprünglich geplant war noch eine dritte Phase. In der sollte – per
       Zustimmung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen – auch die
       Zerstörung der Infrastruktur von Schleusern und deren Booten auf libyschem
       Territorium möglich sein. Doch dazu kam es nicht.
       
       Libyen lehnte jeden Einsatz auf seinem Territorium ab. Und Italien
       verweigerte unter der Lega-Regierung von Matteo Salvini, dass Gerettete von
       den „Sophia“-Schiffen weiter in italienische Häfen gebracht werden.
       Daraufhin [2][wurde die Mission 2019 ausgesetzt]. Seit April 2019
       beschränkt sich die Mission auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache.
       
       25 Jan 2020
       
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