# taz.de -- Rechter „Tag der Ehre“ in Ungarn: Erfolgreich beschmutzt
       
       > Mehrere Hundert Neonazis sind am Samstag in Budapest aufmarschiert.
       > Immerhin: Der Gegenprotest war laut, bunt und voller Euphorie.
       
 (IMG) Bild: Kommt Zeit, kommt Rat: Anti-Nazi-Demo am „Tag der Ehre“ in Budapest
       
       BUDAPEST taz | Ein kalter Februarsamstag im Budapester Varosmajor-Park:
       Mehrere Hundert Menschen haben sich zusammengefunden, um lautstark gegen
       den neonazistischen „Tag der Ehre“ zu demonstrieren. Und sie sind voller
       Euphorie: Denn während in den letzten Jahren nur einige Dutzend gegen den
       Neonazi-Aufmarsch protestierten, stehen den 500 Neonazis heute ebenso viele
       Antifaschist*innen gegenüber.
       
       Unter ihnen sind knapp hundert Trommler*innen. „So etwas gab es in Ungarn
       seit 20 Jahren nicht. Das ist das Event des Jahrhunderts!“, freut sich
       Gabor, der seinen tatsächlichen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Ich
       bin sehr glücklich, dass so viele Romaverbände hier sind“, erklärt
       Szabrina, die den Gegenprotest mitorganisiert hat.
       
       Seit 1997 „gedenken“ die Rechtsextremen mit ihrem Aufmarsch deutschen
       Wehrmachtssoldaten, Angehörigen der Waffen-SS und kollaborierenden
       ungarischen Truppen. Am 11. Februar 1945 versuchten diese, aus der von der
       Roten Armee belagerten Budapester Burg auszubrechen und zur Frontlinie zu
       gelangen. Nur wenige Hundert der mehr als 20.000 Soldaten überlebten.
       
       Seit 2003 übernahm die ungarische Divsion des „Blood and Honour“-Netzwerks
       die Organisation des rechtssextremen Großevents. Unter den Anreisenden sind
       alljährlich auch deutsche Neonazis.
       
       Im Anschluss an die „Gedenkstunde“ im Varosmajor-Park folgt für die
       Hartgesottenen noch eine Wehrsportübung. Auf bis zu 60 Kilometer langen
       Marschwegen stellen die Teilnehmenden den Ausbruch aus der Budapester Burg
       nach.
       
       Die Rechtsextremen haben es mit Bravour geschafft, dem „Gendenkmarsch“
       einen bürgerlichen Anstrich zu verpassen: Geschichtsinteressierten wird die
       rechtsextreme Demonstration als Wanderung durch die Buda-Hügel in
       historischen Uniformen angepriesen. Die Tour wird im offiziellen
       Verzeichnis touristischer Führungen gelistet. Die Organisator*innen
       erhalten staatliche Zuschüsse. Deutsche Neonazis nutzen die
       „Nachtwanderung“ gerne, um in Deutschland verbotene NS-Insignien zur Schau
       zu stellen.
       
       ## NGOs unter Druck
       
       Szabrina ist Budapesterin, Menschenrechtsaktivistin mit
       ägyptisch-ungarischen Wurzeln, Muslima, angehende Juristin. „Um die
       politische Situation zusammenzufassen: Orban will alle aus dem Land
       vertreiben, die nicht weiß, christlich und hetero sind“, resümiert sie. Die
       junge Frau ist als Campaignerin bei der NGO „TheVoice“ tätig. „Die
       Schwierigkeiten für Menschenrechtsorganisationen begannen im Jahr 2014, als
       Orban seine zweite Amtszeit mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament
       antrat. Stück für Stück werden seitdem die Rechte von NGOs eingeschränkt“.
       
       Seit das ungarische Parlament 2017 ein europaweit umstrittenes NGO-Gesetz
       verabschiedete, habe sich die Situation weiter verschärft. Wer mehr als
       24.000 Euro jährlich aus dem Ausland bekommt, muss sich als „aus dem
       Ausland unterstützte Organisation“ betiteln und eine Aufstellung der
       wichtigsten Geldgeber veröffentlichen. Staatliche Zuwendungen zu erhalten
       wird hingegen immer schwieriger.
       
       Die weitgehende Kontrolle der Medien durch die Regierung Orban tut ihr
       Übriges, um Aktivist*innen zu stigmatisieren: „Setzen sich
       Menschenrechtsorganisationen beispielsweise gegen die Segregation von
       Rom*njakindern in der Schule ein, wird daraus das Narrativ, dass NGOs
       Rom*nja dabei helfen, Geld von der ungarischen Arbeiterklasse zu nehmen.“
       
       ## Trotz allem: Optimismus überwiegt
       
       2018 folgte ein Gesetzespaket zur Strafverfolgung von
       Flüchtlingshelfer*innen, wenn sie „Beihilfe zur illegalen Migration“
       leisten. Es ermöglicht außerdem, dass ihnen der Zugang zu einer acht
       Kilometer breiten Transitzone im Süden Ungarns untersagt werden kann. Von
       diesem Instrument machte die Fidesz-Regierung bis dato umfassend Gebrauch.
       Nur noch zwei Organisationen haben Zugang zum Grenzstreifen des
       Schengen-Raums und können dringend benötigte Lebensmittel, Kleidung und
       Hygieneprodukte in die hoffnungslos überfüllten Lager bringen.
       
       „Wir erwarten, dass unser Handlungsspielraum nach den nächsten
       Parlamentswahlen noch einmal umfassend eingeschränkt wird“, erklärt
       Szabrina. „Dann bleibt irgendwann nur noch die Möglichkeit, das Land zu
       verlassen.“ Aber heute überwiegt bei den Demonstrierenden der Optimismus:
       „Dieser Protest ist der Beginn von etwas Großem!“
       
       9 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franziska Schindler
       
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