# taz.de -- Wo das Geld der Pfeffersäcke herkommt: Viel Cash auf wenig Raum
       
       > Reichtum ist nicht immer sichtbar, Diskretion gehört zum Geschäft. Wir
       > zeigen Ihnen, wo das große Geld in Hamburg sitzt.
       
 (IMG) Bild: Schön hier, oder? Hotel Vierjahreszeiten an der Hamburger Binnenalster
       
       HAMBURG taz | Der Sozialwissenschaftler Gerd Pohl kennt sich gut mit
       Reichtum und sozialer Ungleichheit aus. Für die Rosa-Luxemburg-Stiftung
       macht er einmal im Jahr Rundgänge um die Hamburger Binnenalster – weil man
       da gut sehen kann, wo das große Geld sitzt und wo es herkommt. Für die taz
       hat er einen extra Rundgang veranstaltet. Folgen Sie uns!
       
       Deutschland ist ein ziemlich guter Ort für Menschen, die Geld waschen und
       krumme Geschäfte abwickeln wollen. Der Financial Secrecy Index listet die
       Bundesrepublik aktuell auf [1][Platz 14 der bedeutsamsten Steueroasen]. Nun
       gehört zu einem guten Platz, um Reichtum zu parken, einerseits Diskretion.
       Andererseits wollen Superreiche sich auch nicht lumpen lassen. Wer sich an
       der Hamburger Binnenalster umschaut, findet viele Spuren von diskret zur
       Schau gestelltem Reichtum.
       
       Doch mit leerem Magen spaziert es sich schlecht – deshalb nehmen wir zuerst
       eine Stärkung im Restaurant Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten. Das
       Fünf-Gänge-Menü kostet mit Weinbegleitung 285 Euro pro Person. Für die
       2.000 Einkommensmillionäre, die laut statistischem Bundesamt in Hamburg
       leben, dürfte das ein bezahlbarer Preis sein. Aber bitte dann auch nicht
       knausern beim Trinkgeld!
       
       Leicht angesättigt schlendern wir hundert Meter nach Norden. Am Neuen
       Jungfernstieg 19 liegt der Überseeclub. Die Mitgliederliste ist geheim, die
       Veranstaltungen sind nicht öffentlich.
       
       ## Alle waren sie da
       
       Aber seit Gründung der Bundesrepublik hat [2][jede Bundeskanzler*in und
       jeder Bundespräsident], mit Ausnahme von Johannes Rau und Theodor Heuss,
       hier vorgesprochen. Andere prominente Redner waren Kardinal Joseph
       Ratzinger, der ehemalige Palästinenserchef Jassir Arafat, VW-Chef Martin
       Winterkorn, Siemens-Chef Joe Kaeser, Daimler-Chef Dieter Zetsche und
       Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel.
       
       Überlegen Sie noch, wo Sie ihr Geld anlegen sollen? Praktischerweise klebt
       direkt am Überseeclub, quasi an der Hinterseite, die Privatbank Berenberg.
       Seit 1590 im Geschäft, ist sie die älteste Privatbank Deutschlands. In so
       vielen Jahren Geschäft häuft sich natürlich der eine oder andere
       Steuerskandal an. Die [3][Panama-Papers] sind der aktuellste.
       
       Aber wo so viel Geld liegt, ist man darauf spezialisiert, dass Kund*innen
       nicht mit lästigen Abgaben behelligt werden. Wenn Sie hier anlegen wollen,
       kommen Sie bitte nicht mit Kleckerbeträgen – ab einer Million können wir
       drüber reden.
       
       Der Hamburger Reichtum kommt auch von da her, wo seit über hundert Jahren
       die Rohstoffe geplündert werden: aus Afrika. Und siehe da, direkt neben der
       Berenberg Bank befindet sich der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft.
       Wer sein Business expandieren will oder aus anderweitigen Gründen nach
       Afrika schielt, erfährt hier Unterstützung bei Recherchen über die
       politische und ökonomische Situation afrikanischer Staaten, bekommt
       Kontakte oder Begleitung bei Delegationsreisen.
       
       Der Afrikaverein wurde 1934 am Sitz der Woermann-Reederei gegründet. Der
       1910 verstorbene, [4][extrem reiche Reedereichef Adolph Woermann] war in
       Westafrika mit einer eigenen Privatarmee gegen die Bevölkerung vorgegangen,
       hatte Menschenhandel betrieben und vom deutschen Völkermord an den Herero
       und Nama in Namibia profitiert. Drei seiner Nachfahren, Detlev, Rasmus und
       Heinrich Woermann, sind heute Gesellschafter des Afrikavereins.
       
       Wo wir gerade beim Kolonialismus sind: Die Hamburger Neumann Kaffee Gruppe
       mit Sitz in der Hafencity wurde 2013 vom Hohen Gericht Uganda gerügt, weil
       sie 4.000 Bauern gewaltsam von ihrem Land vertrieben hatte, um eine
       Kaffeeplantage zu errichten. Auf der Liste der reichsten Deutschen rangiert
       Familie Neumann mit geschätzt einer halben Milliarde auf Platz 301 – weit
       abgeschlagen hinter anderen Hamburger Dynastien wie Kühne oder Hertz.
       
       Natürlich tun viele Reiche auch Gutes! Stiftungen beispielsweise sind ein
       probates Mittel, um Reichtum umzuschichten und dabei noch Charity zu
       betreiben. Aber Augen auf bei der Standortwahl! Nicht alle Länder eignen
       sich dafür. Sehr beliebt ist zum Beispiel Liechtenstein, wegen der
       steuerrechtlichen Vorteile.
       
       Anstatt sein Geld in einer Stiftung zu parken, kann man natürlich auch in
       Gold investieren, das gilt ja als stabil. Auf der östlichen Alsterseite
       bietet sich der Goldhandel Degussa an. Er gehört einem der reichsten
       Deutschen, August von Finck Junior, wohnhaft in der Schweiz.
       
       ## Geld mit Gold gemacht
       
       Auf der „Forbes“-Liste der reichsten Milliardäre der Welt steht er mit
       einem Vermögen von geschätzten 8,6 Milliarden Dollar [5][auf Platz 167]. Er
       fördert seit Jahren Parteien und Initiativen im rechten Milieu. Dazu nutzte
       er auch den Goldhandel: Journalist*innen des Spiegel haben
       recherchiert, dass Degussa [6][an einem lukrativen Deal beteiligt war], mit
       dem die AfD in ihren ersten Jahren ihre finanzielle Basis stärkte.
       
       Die Münchner Privatbank Merck Finck & Co. nennt der Spiegel die „Keimzelle
       des Finck’schen Familienvermögens“. Im Nationalsozialismus bereicherte sich
       die Privatbank an jüdischem Vermögen, später spezialisierte sie sich auf
       Wertpapiere. Eine Hamburger Filiale liegt gleich um die Ecke, am Alstertor
       17.
       
       Ebenfalls ein Profiteur der Arisierung und gelistet unter den reichsten
       Deutschen ist Klaus-Michael Kühne, Hauptanteilseigner beim Unternehmen
       Hapag Lloyd, das nur einen Goldbarrenwurf entfernt residiert. Die Familie
       Kühne weigerte sich jahrelang, die tragende Rolle der Spedition Kühne +
       Nagel beim Abtransport jüdischen Eigentums zur weiteren „Verwertung“
       zuzugeben.
       
       Hapag Lloyd hat mit dieser dreckigen Vergangenheit nichts weiter zu tun.
       Das Schiff,- Kreuz- und Luftfahrt-Unternehmen kann sich dafür jede Menge
       aktuellen Dreck in der Atmosphäre und den Meeren auf die Fahne schreiben.
       Die Stadt Hamburg ist mit 13,9 Prozent am Unternehmen beteiligt und liegt
       damit knapp vor Qatar und Saudi Arabien mit 12,3 und 10,2 Prozent. Ganz so
       hanseatisch wie sein Image ist das Unternehmen also irgendwie doch nicht.
       
       Aber wir wollen nicht so kleinlich sein und gehen lieber weiter, zur
       ebenfalls an der Binnenalster ansässigen Warburg-Bank. Anfang des Jahres
       veröffentlichte der NDR Recherchen, nach denen das Hamburger Finanzamt
       Millionenbeträge, die die Bank den Steuerzahler*innen mittels
       Cum-Ex-Geschäften geklaut hatte, nicht zurückforderte.
       
       Für den damaligen Bürgermeister und heutigen Finanzminister Olaf Scholz
       (SPD) wurde es unangenehm, mittlerweile fordert die Stadt ihr Geld doch
       zurück. Die Warburg-Bank lässt das nicht auf sich sitzen, sie klagt
       dagegen.
       
       Mit den windigen Banken ist es hier in der Gegend allerdings so: Immer wenn
       man um die nächste Ecke biegt, steht man wieder vor einer. Jetzt zum
       Beispiel vor der ehemaligen HSH-Nordbank, die heute Hamburg Commercial Bank
       heißt. Der alte Name klang wohl nicht mehr so schön, nachdem das
       Finanzinstitut mit über zehn Milliarden Euro Steuergeldern gerettet werden
       musste.
       
       Die ehemalige Landesbank hatte sich, abgesichert durch die Länderhaushalte
       Hamburgs und Schleswig-Holsteins, auf hoch riskante Geschäfte auf dem
       internationalen Finanzmarkt eingelassen und sich dabei verzockt. Zudem
       hatten die Vorstände Bilanzen gefälscht. 2019 wurden sie dafür verurteilt,
       kauften sich aber gegen Beträge von je einer halben bis 1,6 Millionen Euro
       frei.
       
       Wie eng die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft sind, sieht man
       auf der Rückseite des Hamburger Rathauses, an das die Handelskammer, die
       Vertretung des Hamburger Unternehmertums, direkt anschließt. Man teilt sich
       den Innenhof, denn manchmal müssen Sachen eben auf dem kurzen Dienstweg
       geregelt werden. Auch Ämter können so schneller vergeben werden, wie etwa
       das des Wirtschaftssenators, das 2011 an den damaligen Kammerpräses Frank
       Horch (parteilos) ging.
       
       ## Rathaus als Anbau der Börse
       
       Das prunkvolle Gebäude ist übrigens das der Hamburger Börse, die im
       gleichen Haus sitzt. Warum ausgerechnet Handelskammer und Börse hier am
       Rathaus residieren und nicht etwa der Sozialverband oder die
       Mieterverbände? Auf die Idee ist einfach noch niemand gekommen, schließlich
       ist Hamburg immer noch eine Kaufmannsstadt, da haben die Interessen der
       Wirtschaft Priorität. Das hat sich auch Hamburgs Sozialdemokratie zum
       Grundsatz gemacht, und immerhin wählt dadurch fast niemand die Hamburger
       CDU – sie ist schlicht überflüssig.
       
       Die Handelskammer ist [7][eine Art Nebenregierung], erinnert sei hier nur
       an den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze 2013. Da
       schlug sie sich auf die Seite der beiden Großkonzerne Vattenfall und Eon
       Hanse, statt auf die der Tausenden Gewerbetreibenden, die sich den
       Marktgiganten als Kund*innen ausgeliefert sahen. Ein Jahr später
       plädierte die Kammer für Olympische Spiele in Hamburg. Beides verhinderten
       die Stadtbewohner*innen glücklicherweise per Referendum.
       
       Puuh, jetzt reicht’s aber auch langsam! So viel ehrliche hanseatische
       Kaufmannstradition geht ja auf keine Kuhhaut. Verlassen wir also diese
       glänzenden Orte der Steuer- und Finanzkriminalität und gehen am besten
       irgendwohin, wo die Verbrecher*innen nicht ganz so hoch stapeln,
       vielleicht nach St. Pauli oder so. Dieser ganze Zaster lastet doch schwer.
       Sogar wenn es nicht der eigene ist.
       
       9 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://fsi.taxjustice.net/PDF/Germany.pdf
 (DIR) [2] https://www.ueberseeclub.de/index.php/de/hoehepunkte
 (DIR) [3] /Mordfall-Daphne-Caruana-Galizia/!5646448
 (DIR) [4] /Hamburg-ehrt-bis-heute-Kolonialisten/!5691779
 (DIR) [5] https://www.forbes.com/profile/august-von-finck/?list=billionaires#26de781c7327
 (DIR) [6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-unterstuetzung-die-spur-zu-milliardaer-august-von-finck-a-1240069.html
 (DIR) [7] /Umsturz-in-der-Hamburger-Handelskammer/!5383896
       
       ## AUTOREN
       
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