# taz.de -- Hanau-Gedenken in Berlin: Erinnern heißt verändern > Polizei, Ressentimentpolitik und auch die Medien Marke Springer – sie > sind mit verantwortlich für das rassistische Klima. In Berlin gibt es > Demos. (IMG) Bild: Rassismus tötete sie. Die Mordanschläge von Hanau jähren sich am 19. Februar 2021 So schnell war die Springerpresse da wieder. In der Nacht zum Montag schoss ein Unbekannter in Halensee auf ein einparkendes Auto, und der Springersche „Nachtfloh“ twitterte sogleich: [1][„Wieder Schüsse im Berliner Clan-Milieu“]. Von der Polizei hatte „BERLINS HÄRTESTE POLIZEIREDAKTION“ (Großbuchstaben im Original) den Zusammenhang zwischen den realen Schüssen und dem Buzzword „Clan-Milieu“ nicht. Zumindest behauptete die Polizei das [2][wenig später]. Doch wie ein Sack freigelassener (Nacht-)Flöhe hüpfte die „Nachricht“ bereits durch die digitale Welt, und schon waren die ersten Klicks kassiert. Wie nun aber noch mehr Wind erzeugen mit einem Fall, über den fast noch nichts bekannt ist? Springers Strategie: Im Tweet jene Berliner Law-and-Order-Gernegrößen verlinken, denen jede „Clan-News“ in die politische Agenda passt, ob sie nun wahr ist oder nicht. Denn vielleicht lassen sich Tom Schreiber (SPD), Burkard Dregger oder Falko Liecke (beide CDU) ja zu einem vorschnellen Statement hinreißen. Das gäbe dann neue „Clans-News“ und noch mehr Klicks – ganz ohne die mühsame Verifizierung von Fakten. ## Selbstgemachte „Clan-News“ Wenn es in der Vergangenheit gerade keine Springer-„Clan-News“ gab, hat Liecke übrigens schon von sich aus welche [3][produziert]. Und selbst die Coronapandemie weiß der Neuköllner Gesundheitsstadtrat [4][zu nutzen], um islamfeindliche Ressentiments zu schüren. Wenn Sie jetzt beim Lesen gestolpert sind und sich geärgert haben, dass hier wiederum „Clan“ und „Islam“ in einen vorschnellen Zusammenhang gebracht wurden, dann alle Achtung. Ressentimentempfänglichen Menschen würde das nicht auffallen. Auch bei Springer gehörten „Clan-News“ schon vor einem Jahr zum Markenkern. Bereits zwei Stunden nach den rassistischen Morden an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nessar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov berichtete Bild mit einer [5][Live-Sendung aus Hanau]. ## Deutschland der Krokodilstränen Mit wachsender Sicherheit wurde dabei spekuliert, dass es sich vermutlich um Taten in einem „kriminellen Milieu“ handele. „Es kann ja auch sein, dass die Betreiber der Bars schlicht und ergreifend kein Schutzgeld bezahlen wollten“, war da zu hören, und schon waren in Kombination mit der Chiffre „Shisha“ die rassistischen Flöhe aus dem Sack. „Deutschland weint um euch.“ So titelte die Bild am Tag danach. Doch das „Clan-News“-Business, das in den Jahren zuvor den Hass des Täters gefüttert hatte, ging weiter bis zum heutigen Tag. Und noch immer dürfen über [6][1.000 Rechtsextreme] in diesem Deutschland der Krokodilstränen Waffen besitzen. Hoffnung können allein die Angehörigen, Freund*innen und Überlebenden machen, die in den letzten zwölf Monaten die Erinnerung an Hanau wach gehalten haben. Diejenigen, die der latent rassistischen Mehrheitsgesellschaft nicht den Rücken zugewandt, sondern ihren Verlust und Schmerz in [7][Aufklärungs-, Bildungs- und Recherchearbeit von unten] gesteckt haben. Während Springer weiter das Ressentiment befeuert und darin die Polizei noch überholt, während die Schreibers, Dreggers, Lieckes weiter ihr gefährliches Spiel treiben, halten jene, deren Kinder und Geschwister dem Hass zum Opfer fielen oder von ihm bedroht sind, die Fehler von Polizei und Politik in der Aufmerksamkeitsökonomie. Gerade in Berlin, gerade in Neukölln sollten sie am Jahrestag des Attentats die größtmögliche Rückendeckung bekommen. Denn [8][rechter Terror] ist auch hier ein Thema. ## Gedenken in Berlin In Neukölln, in Kreuzberg und im Wedding werden Gedenkorte die Möglichkeit zum gemeinsamen Erinnern geben (Freitag, 19. Februar, ab 16 Uhr, Rathausplatz, Oranienplatz, Leopoldplatz). In Neukölln will einen Tag später eine Demo das Andenken in politische Forderungen übersetzen (Samstag, 20. Februar, 14 Uhr, S-Bahnhof Hermannstraße). Denn, so heißt es in dem entsprechenden Aufruf: „Rassismus und rechte Vernichtungsideologien sind weder das Problem einer Handvoll, noch sind sie ausschließlich Randerscheinungen.“ Polizei, Ressentimentpolitik und auch die Medien Marke Springer – sie sind mit verantwortlich. 18 Feb 2021 ## LINKS (DIR) [1] https://twitter.com/BZ_NachtFloh/status/1361276599270838275 (DIR) [2] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2021/02/berlin-halensee-auto-schuss-polizei-kriminalitaet.html (DIR) [3] /Wahlwerbewahnsinn-der-CDU/!5720489 (DIR) [4] /Interreligioeses-Zeichen-in-Neukoelln/!5675170 (DIR) [5] https://uebermedien.de/46385/morde-im-milieu-was-bild-ueber-hanau-spekulierte/ (DIR) [6] /Legaler-Waffenbesitz-fuer-Neonazis/!5720551 (DIR) [7] https://19feb-hanau.org/ (DIR) [8] /Rechter-Terror-in-Berlin-Neukoelln/!t5612550 ## AUTOREN (DIR) Stefan Hunglinger ## TAGS (DIR) taz Plan (DIR) Kolumne Bewegung (DIR) Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau (DIR) Rechtsextremismus (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Rechter Terror (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau (DIR) Kolumne Flimmern und Rauschen (DIR) Lesestück Recherche und Reportage (DIR) Rechter Populismus (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) taz Plan ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Neuer Jugendstaatssekretär Falko Liecke: Vornamen-Abfrage kein Ausrutscher Die CDU will Neuköllns Stadtrat Falko Liecke zum Staatssekretär machen. Das bedient Ängste vor einer Partei, die Silvester rassistisch ausschlachtete. (DIR) Umgang mit rechter Gewalt: Eine Frage der Verantwortung Rechte Gewalt geht nicht nur von jenen aus, die sie ausführen, sondern auch von denen, die das Klima für sie bereiten. Ein Umgang damit fehlt bislang. (DIR) Black History Month in Berlin: Der Zukunft zugewandt Schwarze Initiativen erinnern an das koloniale und rassistische Erbe Berlins. Sie kämpfen für die Auseinandersetzung mit Schwarzen Perspektiven. (DIR) Gedenken an Hanau in Berlin: Zärtlich-zornige Migrantifa Selten war der Hermannplatz so still. Trotz Pandemie gehen 10.000 Menschen auf die Straße. Sie erinnern an die Ermordeten in Hanau. (DIR) Medien und Political Correctness: Büttenrede aus dem Homeoffice Dogmatismus ist genauso schlimm wie das, was er zu bekämpfen vorgibt. Denn er teilt die Welt in zwei Lager, ohne Chance auf faire Debatte. (DIR) Rassistische Morde in Hanau: Ein Jahr danach Hat das Attenat von Hanau innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft ein Umdenken ausgelöst? Sechs Menschen berichten. (DIR) Umgang mit Rassismus: Aus Hanau nichts gelernt Selbst nach Hanau und dem NSU haben sich die Sicherheitsbehörden nicht konsequent entwickelt. Doch gegen strukturellen Rassismus helfen nur neue Strukturen. (DIR) Angehörige zum Jahrestag in Hanau: „Wir werden keine Ruhe geben“ Vor einem Jahr tötete ein Rassist in Hanau zehn Menschen. Die Betroffenen kritisieren die Behörden scharf und fordern mehr politische Konsequenzen. (DIR) Queerfeminismus in Berlin: Selbsthilfe und Kampf Strukturen des Sexismus und der Gewalt gegen FLINT* verschärfen sich im Lockdown. Doch es gibt Widerstand.