# taz.de -- Zu wenige Prozesse gegen Nazis: Harte Kritik an deutscher Justiz > Der Vizepräsident des Auschwitzkomitees kritisiert, dass viele > NS-Täter:innen nie angeklagt und verurteilt wurden. Jüngste Prozesse > gegen KZ-Personal kämen viel zu spät. (IMG) Bild: Tatort KZ Buchenwald: Wer in der NS-Zeit mordete, kam nach dem Krieg oft glimpflich davon BERLIN afp/dpa | Das Internationale Auschwitz-Komitee hat der deutschen Justiz jahrzehntelanges Versagen bei der Verfolgung von NS-Verbrecher:innen vorgeworfen. „Zu wissen, dass die Täter aus den Lagern zumeist unbehelligt und ungefährdet ihr Leben leben konnten, ohne für ihre Untaten Rechenschaft vor einem deutschen Gericht ablegen zu müssen, hat die Überlebenden ihr ganzes Leben belastet“, sagte der Vizepräsident des Komitees Christoph Heubner den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ (Dienstag). Dass Täter:innen erst jetzt zur Verantwortung gezogen werden, sei „ein Versagen und ein Versäumnis der deutschen Justiz, das sich über Jahrzehnte erstreckt hat“, so Heubner. „Die Überlebenden, die jetzt auch alle hochbetagt sind, haben ihr ganzes Leben darauf gewartet, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden.“ Anlass für die Kritik sind zwei aktuelle Anklagen, die derzeit geprüft werden: beim Landgericht Itzehoe [1][gegen eine 95-jährige ehemalige Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof] und beim Landgericht Neuruppin [2][gegen einen 100-jährigen ehemaligen Wachmann des Lagers Sachsenhausen.] „Die Überlebenden wollten nie Rache, sie wollten und wollen Gerechtigkeit“, sagte Heubner. „Nicht nur für sie hat die Gerechtigkeit kein Verfallsdatum.“ Deshalb seien diese Prozesse noch immer wichtig, auch wenn mittlerweile die Täter:innen und die überlebenden Opfer ein hohes Alter erreicht hätten. Mittlerweile habe sich in der deutschen Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, dass jeder Mensch, der in „dem Mordsystem und Räderwerk“ eines deutschen Vernichtungslagers Dienst getan hat, auch mitverantwortlich sei für die „Demütigung, die Qual und die Ermordung der Häftlinge“. Zu diesem Räderwerk gehörten auch die angeklagte ehemalige Sekretärin und der angeklagte frühere Wachmann, sagte Heubner den Funke-Zeitungen. Für die Überlebenden wirke es „fast bizarr, dass diese Prozesse in einer Zeit stattfinden, in der neue Nazis schon wieder zu Hass aufrufen und das verherrlichen, was in den Lagern geschehen ist“, sagte Heubner. Das Internationale Auschwitz Komitee ist ein Zusammenschluss von Auschwitz-Überlebenden und ihren Organisationen. Ihm gehören Organisationen, Stiftungen und Holocaust-Überlebende aus 19 Ländern an. 16 Feb 2021 ## LINKS (DIR) [1] /Aufarbeitung-des-Nationalsozialismus/!5749663 (DIR) [2] /Konzentrationslager-Sachsenhausen/!5750829 ## TAGS (DIR) Holocaust (DIR) Shoa (DIR) Auschwitz (DIR) Holocaustüberlebende (DIR) Justiz (DIR) NS-Verbrechen (DIR) NS-Verbrechen (DIR) Buchenwald (DIR) KZ (DIR) KZ Stutthof (DIR) Holocaust (DIR) Hohenzollern ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Anklage wegen Beihilfe zum Mord: Ehemalige KZ-Sekretärin vor Gericht Der Prozess gegen die 96-Jährige Irmgard F. kann stattfinden. Die ehemalige Sekretärin im KZ Stutthof wurde für verhandlungsfähig befunden. (DIR) Kritik von der Gedenkstätte Buchenwald: Radrennen über „Blutstraße“ Die Strecke der internationalen Deutschland-Tour der Radprofis steht in der Kritik. Eine Etappe führt über ein Gelände der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. (DIR) Prozess gegen früheren KZ-Wachmann: Mit 100 auf die Anklagebank Im Herbst soll sich in Brandenburg ein früherer KZ-Wachmann vor Gericht verantworten. Ein Gutachten bestätigte die Verhandlungsfähigkeit des 100-Jährigen. (DIR) Anklage einer ehemaligen KZ-Sekretärin: Historische Tragweite Die Staatsanwaltschaft Itzehoe klagt die ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard F. wegen Beihilfe zum Mord an. Ein Urteil wäre ein Novum in der Justiz. (DIR) Konzentrationslager Sachsenhausen: Anklage gegen SS-Wachmann Die Staatsanwaltschaft Neuruppin beschuldigt einen 100-Jährigen, im KZ Sachsenhausen mitgemordet zu haben. Es geht um über 3.500 Fälle. (DIR) Hohenzollern und Nationalsozialismus: Militarismus und echte Führerliebe Historikerin Karina Urbach hat geheime Berichte einer Journalistin ausgewertet. Sie belegen: Auch die adligen Preußen-Frauen warben für Hitler.