# taz.de -- Aktivismus in Baumkronen: Die Bäume denen, die drin wohnen
       
       > Waldbesetzungen haben derzeit Konjunktur. Aber sind sie immer legitim?
       > Und ab wann zählen ein paar Bäume überhaupt als Wald?
       
 (IMG) Bild: „Die Bäume denen, die drin wohnen!“, forderten Aktivist*innen im Dannenröder Wald
       
       HAMBURG taz | Bäume sind die neuen Häuser. Oder sagen wir: Was [1][in den
       1980ern Hausbesetzungen waren], sind in den 2020ern Waldbesetzungen. Nicht
       dass sich das Wohnraum-Problem in den Städten erledigt hätte, im Gegenteil.
       Gründe, Häuser zu besetzen, gibt es heute mehr denn je. Aber
       Hausbesetzungen sind nur in sehr seltenen Fällen länger als 24 Stunden zu
       halten und ziehen oft massive Repressionen nach sich.
       
       Anzunehmen, Waldbesetzungen seien die bequemere Protestform, wäre aber auch
       falsch. Schließlich richten sie sich [2][nicht nach den Jahreszeiten mit
       Wohlfühltemperaturen]. Außerdem erfordern sie die Bereitschaft, sich
       handwerklich zu betätigen, und den Mut oder das körperliche Vermögen,
       festen Boden zu verlassen und sich in einiger Höhe zurecht zu finden.
       
       Ein Grund, warum Waldbesetzungen seit einiger Zeit in der deutschen
       Klimabewegung Konjunktur haben, ist, dass das Bewusstsein für die
       Klimakatastrophe langsam in breiten Bevölkerungsschichten ankommt.
       
       Nachdem Aktivist*innen den Hambacher Forst sechs Jahre lang besetzt
       hielten und am Ende einen Teilerfolg erzielten, kamen in den Dannenröder
       Forst auch junge, unerfahrene Aktivist*innen, die sich gerade erst mit
       „Fridays for Future“ politisiert hatten. Auch ihre Eltern und Großeltern
       kamen und stellten sich der Polizei entgegen.
       
       Die neuen und alten Waldaktivist*innen tragen Baum für Baum dazu bei,
       dass es nicht mehr selbstverständlich als legitim durchgeht, wenn Wälder
       für Braunkohletagebau, Autobahnen und Parkhäuser abgeholzt werden. Die
       Verkehrswende, dieses staubige und trockene Thema, ist in den vergangenen
       Monaten durch sie lebendiger und präsenter geworden.
       
       ## Auch baumhaltiges Gestrüpp ist schützenswert
       
       Deshalb ist es auch egal, ob der Flensburger Bahnhofswald eigentlich gar
       kein richtiger Wald ist, ganz zu schweigen vom Wilden Wald in
       Hamburg-Wilhelmsburg. In Flensburg hatten Umweltschützer*innen
       vergeblich versucht, den [3][Miniwald neben dem Bahnhof vor der Abholzung
       für ein Parkhaus und ein Hotel zu schützen]. In Wilhelmsburg bereiten sich
       die Waldretter*innen noch auf die eigentliche Besetzung der
       vollgewucherten Fläche vor.
       
       Während beim Dannenröder Forst noch offensichtlich war, dass es Unsinn ist,
       einen alten, gesunden Mischwald durch eine Autobahntrasse zu ruinieren, ist
       die Argumentation in Wilhelmsburg, wo ein Wohnquartier gebaut werden soll,
       nicht ganz so leicht.
       
       Aber von der Größe einer bedrohten Waldfläche sollte man sich nicht
       irritieren lassen. In der städtischen Betonwüste kann auch ein baumhaltiges
       Gestrüpp als schützenswerter Lebensraum verstanden werden. Das mit der
       Wohnfläche ist, na ja, ein Argument. Aber wie viel Wohnfläche würden wir
       erst gewinnen, wenn wir anfingen, Autobahnen zu bebauen?
       
       11 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /30-Jahre-Hausbesetzungen-in-Ostberlin/!5675173
 (DIR) [2] /Raeumung-des-Dannenroeder-Forsts/!5734763
 (DIR) [3] /Flensburger-Baumbesetzung/!5750266
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Dannenröder Forst
 (DIR) Wald
 (DIR) Schwerpunkt Hambacher Forst
 (DIR) Prozess
 (DIR) [tazze]IG
 (DIR) Polizei
 (DIR) Extinction Rebellion
 (DIR) klimataz
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Hambacher Forst
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Fahrrad
 (DIR) Ökologie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gericht in Schleswig hebt Freispruch auf: Hausfrieden wichtiger als das Klima
       
       Nachdem er einen Baum besetzt hatte, wurde ein Aktivist erst angeklagt,
       dann freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein – mit
       Erfolg.
       
 (DIR) Urteil zu Baumbesetzung: Klimaschutz schlägt Eigentum
       
       In Flensburg wurde ein Waldbesetzer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs
       freigesprochen. Die Richterin beruft sich auf die Verfassung.
       
 (DIR) Nach Räumung des Bahnhofswald Flensburg: Rechnungen für Aktivist*innen
       
       Nach der Räumung des Flensburger Bahnhofwaldes schickt die Polizei nun
       Rechnungen an Klimaaktvist*innen. Sie sollen für den Einsatz zahlen.
       
 (DIR) Anonymität von Aktivist:innen: Innenminister gegen Fingerkleberei
       
       Aktivist:innen verkleben bei Protesten ihre Fingerkuppen, um nicht
       identifiziert zu werden. Die Innenminister wollen dagegen nun vorgehen.
       
 (DIR) Waldbesetzungen in Deutschland: Das Halbjahr auf den Bäumen
       
       Waldbesetzungen sind inzwischen fest im Repertoire der Klimaschutzbewegung
       verankert. Allein 2021 wurden mehr als ein Dutzend Wälder okkupiert.
       
 (DIR) Waldbesetzungen in ganz Deutschland: Baumhäuser fürs Klima
       
       Hambi, Danni – einige Waldbesetzungen sind bundesweit bekannt geworden.
       Doch an vielen Orten gibt es auch kleinere Aktionen gegen Rodung.
       
 (DIR) Braunkohleabbau bedroht Siedlungen: Die Verkohlten
       
       Ein gefräßiges Loch droht sechs Dörfer in NRW zu verschlingen. RWE baggert
       weiter Braunkohle ab, Klima hin oder her. Doch jetzt keimt Hoffnung auf.
       
 (DIR) „Global Forest Watch“ und Abholzung: Regenwälder in Flammen
       
       2020 ist die Abholzung des Regenwalds um 12 Prozent gestiegen, sagt die
       Umweltplattform „Global Forest Watch“. Verantwortlich sei Landwirtschaft.
       
 (DIR) Hochschulforschung in Darmstadt: Stadt der Zukunft
       
       Die Hochschule in Darmstadt will eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung.
       Dafür arbeiten Forscher gemeinsam mit Verwaltung und Aktivisten.
       
 (DIR) Ökoakustikerin über Biodiversität: „Das Insektensterben ist hörbar“
       
       Sandra Müller erforscht die Klangbilder von Biotopen. Sie erklärt, wie
       Veränderungen in der Umwelt durch Tonaufzeichnungen erkennbar sind.