# taz.de -- NSU-Entscheidung von Bundesgerichtshof: Helfer muss zittern
       
       > Am Donnerstag könnte der Bundesgerichtshof das Urteil gegen André Eminger
       > kippen. Die Bundesanwaltschaft drängt auf eine höhere Strafe.
       
 (IMG) Bild: „Nationalsozialist mit Haut und Haaren“: André Eminger vor dem Gerichtsgebäude in München 2015
       
       BERLIN taz | Es hätte für ihn kaum besser laufen können. Als im Juli 2018
       das Oberlandesgericht München nach fünf Jahren seine Urteile im NSU-Prozess
       fällt, kommt André Eminger überraschend glimpflich davon. Zweieinhalb Jahre
       Haft erhält der engste Helfer des NSU-Trios, noch im Saal wird er
       freigelassen. Auf der Tribüne jubeln Szenefreunde.
       
       Nun aber muss Eminger, den seine eigenen Anwälte als „Nationalsozialisten
       mit Haut und Haaren“ bezeichnen, noch mal zittern. [1][Am Donnerstag will
       der Bundesgerichtshof (BGH) verkünden], ob die NSU-Urteile Bestand haben.
       Denn rechtskräftig sind diese bis heute nicht, da alle Verurteilten
       Revision einlegten, im Fall Eminger auch die Bundesanwaltschaft. Die wollte
       zwölf Jahre Haft für den Neonazi. Für den 42-Jährigen steht damit nun am
       meisten auf dem Spiel.
       
       Das Gericht hatte Beate Zschäpe als Mittäterin zu einer lebenslangen
       Haftstrafe für den NSU-Terror mit zehn Morden, drei Anschlägen und 15
       Raubüberfällen verurteilt. Ihre Anwälte sehen dagegen nur eine Beihilfe, da
       Zschäpe bei den Taten nicht dabei gewesen sei. Die vier mitangeklagten
       Helfer erhielten Haftstrafen bis zu zehn Jahren. Einzig der
       [2][Waffenlieferant Carsten S.] akzeptierte seine dreijährige Jugendstrafe
       und hat diese bereits abgesessen.
       
       Im Fall Eminger waren die Opferfamilien über die milde Strafe entsetzt.
       Über sein Urteil wird der BGH nun wohl noch einmal mündlich verhandeln –
       bei Revisionen der Bundesanwaltschaft ist dies üblich. Und diese kritisiert
       in ihrer nichtöffentlichen Revisionsbegründung an den BGH das Urteil zu
       Eminger nach taz-Informationen deutlich: Dieses sei rechtsfehlerhaft und
       widersprüchlich.
       
       ## Kontakt zu NSU-Trio war nicht nur „sporadisch“
       
       Eminger hatte Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seit dem Abtauchen
       1998 bis zum Auffliegen 2011 durchgängig begleitet. Im April 1999 besorgte
       er ihnen eine Wohnung in Chemnitz, später auch Wohnmobile und Bahncards.
       Mit den Autos fuhr das Trio zu Raubüberfällen und einem Bombenanschlag 2001
       in Köln.
       
       Das Gericht glaubte dennoch, dass Eminger lange nicht in die Terrortaten
       eingeweiht und der Kontakt nur „sporadisch“ war. Erst 2007, als Eminger für
       das Trio unter falschem Alias bei der Polizei aussagte, sei er eingeweiht
       worden. Mit diesem Wissen habe er aber nur noch die Bahncards besorgt – und
       könne daher auch nur dafür als Terrorhelfer verurteilt werden.
       
       Für die Bundesanwaltschaft war der Kontakt Emingers zu den Untergetauchten
       dagegen wesentlich intensiver als von den Richtern behauptet. So habe
       dieser nicht nur die Anmietungen und Papiere gestellt, sondern das Trio
       mehrmals im Monat getroffen, auch Einkäufe übernommen, erinnert die Behörde
       in ihrer Revisionsbegründung.
       
       Dies sei mehr als ein sporadischer Kontakt. Und schon aus eigenem Interesse
       müsse Eminger – der damals arbeitslos oder geringverdienend war – gefragt
       haben, wie er das Geld für die Wohnung oder die Wohnmobile zurückbekomme.
       
       ## „Turner-Tagebuch“ an die Untergetauchten übergeben
       
       Dass er von einer legalen Beschäftigung des Trios ausging, sei lebensfremd,
       so die Bundesanwaltschaft. Für die Untergetauchten wäre das fluchtbedingt
       gar nicht möglich gewesen. Der Senat habe auch nicht dargelegt, was Eminger
       sich hier vorgestellt haben könnte.
       
       Auch seien die Wohnungen und Ausgaben des Trios mit der Zeit immer größer
       geworden, was Fragen der Finanzierung aufgeworfen haben müsse. Für Eminger
       müsse sich die Option von Raubüberfällen durch die Untergetauchten geradezu
       aufgedrängt haben. Umso mehr, da er auch laut Gericht das kriminelle
       Treiben des Trios und den Grund des Untertauchens kannte: das Beschaffen
       von Sprengstoff.
       
       Auch dass Eminger dachte, er miete die Wohnwagen nur für Ferien der
       Untergetauchten an, sei abwegig – geschah dies doch nur für kurze Zeiträume
       und jenseits der Urlaubszeit, im Herbst und Winter. Zudem waren die
       Anmietungen für Eminger ein Risiko, etwa im Falle eines Unfalls. Dass er
       dieses Risiko nur für Freizeitausflüge des Trios einging, sei fernliegend.
       
       Und die Bundesanwaltschaft erinnert auch an eine Übergabe des
       „Turner-Tagebuchs“ von Eminger an das Trio – ein in der Szene gefeierter
       Roman über einen Rechtsterroristen, in dem Überfälle, Anschläge und
       willkürliche Morde geschildert werden. Die Parallelen zum NSU-Terror müssen
       für Eminger, den überzeugten Rechtsextremen, auf der Hand gelegen haben, so
       die Behörde.
       
       ## „Stirb, Jude, stirb“
       
       Es sind Einwände, mit denen sich der Bundesgerichtshof genauer beschäftigen
       wird. Eminger selbst schweigt bis heute zu seiner Rolle beim NSU-Terror.
       
       Seine Gesinnung aber verhehlt er nicht. Auf seinen Bauch hat er sich „Die
       Jew Die“ (deutsch: „Stirb, Jude, stirb“) tätowiert. Nach seiner
       Verurteilung besuchte er weiter Szeneveranstaltungen. Erhält Eminger noch
       eine höhere Strafe, müsste er darauf wieder verzichten – und würde ins
       Gefängnis wandern.
       
       18 Aug 2021
       
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 (DIR) Konrad Litschko
       
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