# taz.de -- Pressefreiheit bei der AfD: Freie Berichterstattung unerwünscht
       
       > Die AfD schließt unliebsame Medienvertreter aus und zeigt damit, wie
       > ernst sie Pressefreiheit nimmt. Mit rechtextremen Medien spricht sie
       > dagegen gern.
       
 (IMG) Bild: Die AfD fühlt sich von der Presse wenig beachtet, will gleichzeitig aber nicht mit ihr sprechen
       
       Der Anblick beim Parteitag der AfD Sachsen ist ein Sinnbild für den Umgang
       der extrem rechten Partei mit der Presse: Journalist*innen müssen am
       Katzentisch sitzen, Dutzende Meter hinter einem Absperrband, rundherum viel
       Sicherheitsabstand in einer riesigen, ansonsten leer wirkenden Halle. Der
       Vorsitzende der sächsischen Landespressekonferenz [1][Kai Kollenberg hat
       das Bild getwittert], weil die AfD Sachsen im Vorfeld unter anderem mit
       Platzmangel den Ausschluss eines unliebsamen Journalisten begründet
       hatte. Das Bild zeigt: Die AfD hat gelogen.
       
       Ausgeschlossen hat die AfD Tobias Wolf, einen Korrespondenten der
       sächsischen Freien Presse, der schon länger über die AfD berichtet. Wolf
       recherchierte 2019, dass die damalige Leiterin des Bundestagsbüros des
       AfD-Chefs Tino Chrupalla [2][offenbar Verbindungen zur Identitären Bewegung
       hatte], und schreibt der Partei eine [3][Mitverantwortung für
       rechtsextremen Terror zu]. Bereits 2017 wurde Wolf per Antrag [4][von einem
       Parteitag ausgeschlossen] und dazu gezwungen, den Saal unter dem Applaus
       der AfD-Mitglieder zu verlassen. Danach entschuldigte sich der damalige
       sächsische AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer persönlich beim Journalisten
       und gelobte Besserung. Die AfD müsse noch dazulernen, so Wurlitzer damals.
       
       Mittlerweile ist Wurlitzer ausgetreten und die AfD Sachsen schließt Wolf
       explizit und ungeniert aus. Die Freie Presse könne jemanden anderes
       schicken, [5][hieß es aus der AfD]. Das lehnte die Redaktion jedoch ab:
       „Das widerspricht der in dieser Demokratie festgeschriebenen Freiheit der
       Presse“, sagte Chefredakteur Torsten Kleditzsch.
       
       Auch die sächsische Landespressekonferenz kritisierte die versuchte
       Einflussnahme: „Die sächsische AfD möchte wie jede andere Partei behandelt
       werden. Dieses Vorgehen gegen die Pressefreiheit zeigt aber, dass sie nicht
       wie jede andere Partei ist.“ Der [6][Deutsche Journalistenverband mahnte]:
       Der „dezidierte Angriff auf die freie Berichterstattung“ zeige, „wie wenig
       die AfD mit demokratischen Grundprinzipien anzufangen weiß.“
       
       ## Jenseits der Bubble
       
       Hinzu kommt: Die AfD stellte unbelegte Behauptungen von angeblichen „engen
       Verknüpfungen zur gewalttätigen Antifa“ Wolfs auf, welche dieser vehement
       bestreitet. Eine taz-Anfrage zu Belegen für ihre Darstellung beantwortete
       die AfD Sachsen nicht. Ebenso wenig, warum zunächst von Platzmangel die
       Rede war, wieso Journalist*innen nur in einem abgesperrten Bereich
       arbeiten durften und ob die Partei künftig weiter Presse ausschließen
       wolle.
       
       Eine indirekte Antwort gab die Parteichefin Alice Weidel vergangenes
       Wochenende beim Landesparteitag in Baden-Württemberg. Just während die
       Journalist*innen draußen warten mussten, weil die AfD-Mitglieder über
       den kompletten Ausschluss der Presse abstimmten, behauptete Weidel
       gegenüber den Reporter*innen, dass es [7][keine unabhängigen Medien mehr
       gebe].Die Presse wurde am Ende nicht ausgeschlossen, aber Weidels
       Kampfansage bleibt: Die „Journaille“ sei „grün-links besetzt“. Darum müsse
       die AfD „alternative Medienkanäle“ gründen. Sie schloss auch nicht aus,
       sich bei Medienhäusern einzukaufen. Ihre Kritik, von etablierten Medien zu
       wenig berücksichtigt zu werden, äußerte sie paradoxerweise gegenüber
       [8][der dpa] und [9][dem SWR.]
       
       Dass es oftmals eher andersherum läuft, zeigte nicht erst der Umgang mit
       Wolf. Er ist nicht der erste Journalist, den [10][die AfD ausgeschlossen
       hat], 2018 organisierte die Partei ganze [11][Parteitage ohne
       Medienöffentlichkeit]. Auch im Zusammenwirken mit Pegida bereitet die AfD
       [12][seit 2014 mit „Lügenpresse“-Narrativen] den Boden für zunehmende
       medienfeindliche Proteste und Übergriffe auch durch die
       verschwörungsideologische Querdenken-Bewegung. Mittlerweile ist Deutschland
       im [13][Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen] abgerutscht, was
       auch mit der Gewalt bei den Demonstrationen begründet wird.
       
       Dabei war bislang vielfache Auffassung in der AfD, dass man insbesondere
       die Reichweite der Öffentlich-Rechtlichen brauche, um jenseits der eigenen
       Bubble durchzudringen. AfD-Linie im Bundestagswahlkampf war, freundlich zu
       sein. Sogar der Begriff „[14][Lügenpresse“ landete auf dem Index].
       
       ## Drohungen und Konsequenzen
       
       Die nun offenbar wieder verschärfte Gangart ist wohl auch Konsequenz
       daraus, dass Medien vorsichtiger geworden sind, wem sie eine Bühne bieten.
       Weitgehend widerspruchslos wie einst der Thüringer AfD-Chef [15][Höcke bei
       Günther Jauch] kommt außer bei [16][Bild TV] selten noch ein AfD-Politiker
       davon. Die Sommerinterview-Reihe des RBB wurde nach einem allzu seichten
       [17][Interview mit dem Rechtsextremisten Andreas Kalbitz sogar
       eingestellt].
       
       Höcke brach sogar selbst [18][ein ZDF-Interview unter Drohungen ab], weil
       ihm die Fragen nicht passten. Weidel rannte [19][schäumend aus einer
       Talkshow] und war zuletzt sprachlos, als sie vor laufender ARD-Kamera mit
       dem Infostand der [20][rechtsextremen Zeitschrift Zuerst] auf dem
       AfD-Parteitag samt Werbung für einen [21][Waffen-SS-Kalender konfrontiert
       wurde]. Weidel bestritt, das Magazin zu kennen, [22][obwohl sie der Zeitung
       mehrfach Interviews gegeben hat].
       
       Auch weil die mediale Normalisierung der AfD so ausbleibt und sie bei
       Wahlen weiter verliert, setzt die Partei verstärkt auf Medien aus dem
       rechten Umfeld. Höcke bewarb kürzlich das offiziell in der Schweiz sitzende
       [23][Webradio Kontrafunk], dessen Adresse laut einer [24][Recherche von
       Blick] aber nur zu leerstehenden Büros führt, die unter anderem dem rechten
       Schweizer Verschwörungsideologen Andreas Thiel gehören sollen. Als
       Kontrafunk-Gründer zeichnet sich [25][Burkhard Müller-Ullrich
       verantwortlich] – ein ehemaliger SWR-Redakteur, der mittlerweile auch für
       das rechte Portal Achse des Guten schreibt und der rechtsradikalen Jungen
       Freiheit Interviews gibt.
       
       Kontrafunk verfügte nach eigenen Angaben über ein Startkapital von 1,2
       Millionen Euro und will wohl so etwas wie ein rechtsradikaler
       Deutschlandfunk sein. Es läuft Jazz und Klassik zwischen den Wortbeiträgen,
       in denen die üblichen Verdächtigen aus der rechten Bubble wahlweise
       Endzeitdiskurse herbeireden oder gegen Minderheiten agitieren. Höcke
       bewirbt Kontrafunk auf seinem Telegram-Kanal als „Radio des bürgerlichen
       Widerstands“ und merkt genüsslich an, dass der Sender aufgrund seines
       Schweizer Sitzes nicht dem Medienstaatsvertrag unterliege, durch die
       angeblich „der bundesdeutsche Journalismus gegängelt“ werde. Die in
       Deutschland geltenden Qualitätsauflagen sollen auch [26][Desinformationen
       eindämmen].
       
       ## Ein spezielles Verhältnis
       
       Höckes [27][Avancen an das rechte Vorfeld] schließen aber auch weitere neue
       rechtsextreme Medien ein: So verbreitete er zuletzt auch Beiträge des
       [28][österreichischen Compact-Pendants Auf1-TV], das kürzlich ankündigte,
       [29][fest nach Deutschland expandieren zu wollen].
       
       Teilweise verschmilzt die Partei auch gerade mit den sogenannten
       „Alternativmedien“: Für Auf1 interviewte AfD-Mitglied Marie-Thérèse Kaiser
       beim Parteitag den Vorsitzenden Chrupalla gleich selbst. Und der
       [30][Brandenburger Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck] prahlt regelmäßig
       damit, Teile seiner Diäten direkt dem „neurechten“ Kampagnen-Netzwerk „Ein
       Prozent“ oder dem „Filmkunstkollektiv“ des [31][Identitären Simon Kaupert]
       zu spenden.
       
       AfD-Parteichef Chrupalla hat seinerseits ein spezielles Verhältnis zur
       etablierten Presse. Nachdem 2019 [32][mehrere Berichte über internen
       Streit] in dessen Kreisverband Görlitz erschienen waren, verpasste
       Chrupalla seinem Kreisverband [33][per Rundbrief einen Maulkorb] oder wie
       er es in dem Schreiben nannte: einen „Leitfaden“ im Umgang mit Medien.
       Niemand außer Vorstände und Abgeordnete sollte mehr mit der Presse reden.
       Die Sprache des Briefes lässt tief blicken: Chrupalla nennt Medienberichte
       darin „Feindpropaganda“. Ebenso wollte er eine „schwarze Liste für
       unseriöse Pressevertreter“ einführen und rief dazu auf, Daten zu sammeln:
       „Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten
       sind natürlich immer willkommen.“
       
       22 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/kollenbergkai/status/1545736024076296192
 (DIR) [2] http://(http://wolftobias.com/?p=706
 (DIR) [3] http://wolftobias.com/?p=727
 (DIR) [4] https://www.saechsische.de/afd-entschuldigt-sich-bei-der-sz-3601473.html
 (DIR) [5] https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/freie-presse-reporter-von-afd-parteitag-ausgeschlossen-artikel12287107
 (DIR) [6] https://www.flurfunk-dresden.de/2022/07/08/afd-parteitag-ausschluss-von-journalisten-sorgt-fuer-aerger/
 (DIR) [7] https://twitter.com/mediathoms/status/1548237296134025217
 (DIR) [8] https://www.rnd.de/politik/alice-weidel-afd-soll-alternative-medien-aufbauen-SFXM4RH2YDGAGBF37W7CU7JVPY.html
 (DIR) [9] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/afd-weidel-alternative-medien-antrag-100.html
 (DIR) [10] /AfD-schliesst-Bremer-Redakteur-aus/!5563827
 (DIR) [11] /AfD-gegen-Journalisten/!5511529
 (DIR) [12] https://trends.google.de/trends/explore?date=all&geo=DE&q=l%C3%BCgenpresse
 (DIR) [13] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2022
 (DIR) [14] /Wie-AfDler-Wahlkampf-machen-sollen/!5781303
 (DIR) [15] /Thueringens-AfD-Chef-Bjoern-Hoecke/!5250115
 (DIR) [16] http://(https://twitter.com/niggi/status/1544563451657338880
 (DIR) [17] https://www.spiegel.de/kultur/tv/rbb-schafft-sommerinterviews-nach-kritik-an-gespraech-mit-andreas-kalbitz-ab-a-1e52541f-221b-4126-991d-bb525e17b7c5
 (DIR) [18] https://www.youtube.com/watch?v=YfTo4jgPveE
 (DIR) [19] https://www.zdf.de/nachrichten/heute-sendungen/videos/alice-weidel-von-afd-verlaesst-talk-im-zdf-100.html
 (DIR) [20] /Rassismus-in-der-AfD/!5032321
 (DIR) [21] https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2FyZC1zb25kZXJzZW5kdW5nL2EyYzMwMDk2LTRmMzktNGZkMC05NzRjLTc5YzA2ODY2MmRlOA?xtor=CS1-231
 (DIR) [22] https://twitter.com/AndreasKemper/status/1538729104656281600
 (DIR) [23] https://twitter.com/julia__klaus/status/1539598583837638656
 (DIR) [24] https://www.blick.ch/schweiz/spuren-fuehren-zu-leeren-raeumen-in-cham-zg-und-satiriker-andreas-thiel-afd-nahes-radio-hat-sitz-in-der-schweiz-id17648058.html?fbclid=IwAR3hFJ6ocMq87K7L8XMq-M1sFDq-KzKyNXzo9iEfwAJ9hJmPWca9TxMdHj4
 (DIR) [25] https://twitter.com/ChristianFuchs_/status/1540314613253906436
 (DIR) [26] https://netzpolitik.org/2020/medienstaatsvertrag-der-lange-kampf-gegen-desinformation/
 (DIR) [27] /AfD-Parteitag-in-Riesa/!5859327
 (DIR) [28] https://www.belltower.news/rechtsalternative-medien-der-verschwoerungssender-auf1-tv-126097/
 (DIR) [29] /Rechter-TV-Sender-expandiert/!5865413
 (DIR) [30] /AfD-Fraktion-besetzt-Ausschuesse/!5821732
 (DIR) [31] /Identitaere-gegen-Fluechtlingsrettung/!5428808
 (DIR) [32] https://www.saechsische.de/plus/afd-austritt-5027573.html
 (DIR) [33] https://www.saechsische.de/plus/das-schreibt-chrupalla-an-die-afd-mitglieder-5029479.html%20//%20https://www.saechsische.de/plus/afd-austritt-5027573.html
       
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