# taz.de -- Nachruf auf Gunilla Palmstierna-Weiss: Zeitlebens engagiert > Gunilla Palmstierna-Weiss ist gestorben. Erst kürzlich erschien die > Autobiografie der engagierten Zeitgenossin und Feministin auf Deutsch. (IMG) Bild: Gunilla Palmstierna-Weiss (1928–2022) in Berlin Die Biografie von Gunilla Palmstierna-Weiss liest sich wie ein Polit- und Emanzipationsroman. Der Vater gehörte einer der mächtigsten schwedischen Familien an. Die Mutter aber wurde dort schnell verstoßen: Sie stammte aus einer jüdischen Buchdruckerfamilie und war nach Wien zu Sigmund Freud gegangen, um Psychoanalytikerin zu werden. Die 1928 geborene Gunilla verbrachte die zerrüttenden Kriegsjahre in Rotterdam beim zweiten Mann ihrer Mutter und erlebte dort 1948 deren Suizid. Danach landete sie wieder in Schweden und begann Kunst zu studieren. Als sie in der unter kärglichen Umständen agierenden Stockholmer Boheme den zwölf Jahre älteren Emigranten Peter Weiss kennenlernte, trafen sich zwei auf ähnliche Weise entwurzelte, von den Zeitläuften des 20. Jahrhunderts hin und her geworfene Existenzen. Einen entscheidenden Anstoß gab dem Paar ein Parisaufenthalt 1952 und die Begegnung mit der surrealistischen und avantgardistischen Kunstszene. Gunilla Palmstierna-Weiss hat neben ihrem monomanischen Ehemann kompromisslos ihre eigenen künstlerischen Aktivitäten verfolgt. ## „Solche Frauen wie du“ Jahrzehntelang war sie Bühnen- und Kostümbildnerin bei Ingmar Bergman, arbeitete aber auch mit Regisseuren wie Peter Brook oder Götz Friedrich zusammen, und sie bildete natürlich vor allem auch mit Peter Weiss ein enges Team, so bei dessen Welterfolg „Marat/Sade“ 1964 am Berliner Schiller-Theater. 1965 reisten sie zusammen nach Auschwitz, als Vorbereitung auf die Inszenierung des Stücks „Die Ermittlung“. Zeitlebens engagierte sie sich als linke Feministin, und als sie das dem Weiss-[1][Verleger Siegfried Unseld] klarmachte, der ziemlich verdutzt auf ihre Rolle und ihre Ansprüche reagierte, sagte dieser irritiert: „Solche Frauen wie du machen einen Mann impotent.“ Ihre [2][Autobiografie „Eine europäische Frau“,] im schwedischen Original 2013 erschienen, gibt es seit Kurzem auch auf Deutsch: ein beeindruckendes Panorama des 20. Jahrhunderts, aus dem Blickwinkel einer engagierten Künstlerin und bewussten Zeitgenossin. Am 20. November ist Gunilla Palmstierna-Weiss im Alter von 94 Jahren gestorben. 22 Nov 2022 ## LINKS (DIR) [1] /Reiseberichte-von-Siegfried-Unseld/!5699792 (DIR) [2] /Autobiographie-einer-Buehnenbildnerin/!5885506 ## AUTOREN (DIR) Helmut Böttiger ## TAGS (DIR) Feminismus (DIR) Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg (DIR) Theater (DIR) Auschwitz (DIR) Schweden (DIR) Literatur (DIR) Roman (DIR) Bildhauerei (DIR) Peter Weiss ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Literarische Stadtspaziergänge: Heimlich mit Literatur versorgt Am 1. Dezember vor 300 Jahren wurde Anna Louisa Karsch geboren. Sie gilt als erste Dichterin, die von ihrer Kunst leben konnte. (DIR) Wiederentdeckter DDR-Roman: Die Kräuselschrift der Böen Der Roman „Die Alleinseglerin“ aus der DDR ist wiederentdeckt worden. Darin zeichnet Christine Wolter eine Beschwörung widerspenstiger Schönheit. (DIR) Autobiographie einer Bühnenbildnerin: Emanzipation und freie Liebe „Eine europäische Frau“ heißt die Autobiografie der Bühnenbildnerin Gunilla Palmstierna-Weiss. Ihr Blick ist unbestechlich, aber versöhnlich. (DIR) Zum 100. Geburstag von Peter Weiss: Beschreibungen als Befreiung „Abschied von den Eltern“: In den frühen Büchern von Peter Weiss schreiben Ich-Erzähler mit weit aufgerissenen Augen.