# taz.de -- MDR-Podcast über Rechtsextremismus: Aufmerksamkeitsgeiler Neonazi
       
       > Versagt der Rechtsstaat, wenn es um Rechtsextreme geht? Ein MDR-Podcast
       > geht am Beispiel des Neonazis Sven Liebich aus Halle der Frage nach.
       
 (IMG) Bild: Ein Mann beschäftigt konstant Polizei und Justiz: Sven Liebich
       
       Wer sich mit Rechtsextremismus in Ostdeutschland beschäftigt, wird ziemlich
       schnell dem Namen Sven Liebich begegnen. Liebich ist Neonazi,
       Dauer-Demo-Anmelder, Geschäftsmann. Und die zentrale Figur eines neuen
       MDR-Podcasts, der herausfinden will, ob und wenn ja, wie
       Rechtsextremist*innen den Rechtsstaat an seine Grenzen bringen.
       „[1][Extrem rechts – Der Hass-Händler und der Staat]“ erzählt in sechs
       Folgen, die in der ARD-Audiothek zu hören sind, wie Liebich sein
       rassistisches, antisemitisches, sexistisches und verschwörungsmythisches
       Weltbild seit Jahrzehnten in seinem Wohnort Halle an der Saale in die
       Öffentlichkeit trägt – auf Kundgebungen, auf Social Media, in Livestreams
       und über seinen Online-Shop.
       
       Eine schwindelerregende Zahl von 342 Ermittlungsverfahren, Stand März 2023,
       gibt es zu seiner Person, wie im Podcast zu erfahren ist. In der
       Vergangenheit wurden die meisten Verfahren gegen Liebich eingestellt. Nur
       wenige Male wurde er verurteilt, in diesem Jahr erstmals zu einer
       Bewährungsstrafe. Das Landgericht Halle hatte ihn unter anderem wegen
       Verleumdung schuldig gesprochen, nachdem er die [2][Grünen-Politikerin
       Renate Künast] auf Facebook bewusst falsch zitiert und damit einen
       Shitstorm gegen sie ausgelöst hatte.
       
       Es ist kein Zufall, dass die Podcast-Autor*innen Liebich ausgewählt haben,
       um rechtsextreme Aktivitäten und den Umgang der Behörden zu analysieren.
       Nach Auffassung des Verfassungsschutzes ist Liebich „einer der bekanntesten
       Einzelakteure der rechtsextremistischen Szene im südlichen Sachsen-Anhalt“,
       der sich seines Status „sehr wohl bewusst“ sei.
       
       Dass ein aufmerksamkeitsgeiler Neonazi auf die große öffentlich-rechtliche
       Bühne geholt wird – der Podcast gibt an mehreren Stellen Liebichs
       rechtsextreme Tiraden wörtlich wieder –, ist in diesem Fall gerechtfertigt.
       Denn mit dieser untypischen personenzentrierten Erzählstrategie können die
       Hosts Jana Merkel, Thomas Vorreyer und Tim Schulz einleuchtend erklären,
       wie ein einzelner Mann öffentliche Räume mit menschenverachtenden Inhalten
       füllt, eine bedrohliche Atmosphäre schafft und Polizei und Justiz
       dauerbeschäftigt.
       
       ## Gute Entscheidung des MDR
       
       In der ersten Folge kommen Personen zu Wort, die von Liebich in seiner
       typisch vulgären, verletzenden Art wiederholt öffentlich beleidigt wurden:
       der schwarze SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby, eine „Omas gegen
       Rechts“-Aktivistin und Igor Matviyets, Mitglied der Jüdischen Gemeinde
       Halle. Alle drei haben Liebich angezeigt, doch alle Verfahren wurden
       eingestellt. Ihre Berichte verdeutlichen, wie jahrelange rechtsextreme
       Agitation in einer kleinen Großstadt wie Halle wirkt. Etwa dann, wenn
       Liebich den Abgeordneten Diaby bei seiner Mittagspause entdeckt und ihn
       spontan mit gezückter Handykamera rassistisch beleidigt, Diaby beschreibt
       die Situation als „bedrohlich“. Neben solchen Aktionen macht Liebich mit
       jeder seiner Montagsdemos auf dem Halle’schen Marktplatz rechtsextreme
       Positionen buchstäblich ein Stückchen hoffähiger.
       
       2020 hat der MDR mit „Das Leben danach“ erstmals einen klassischen
       Recherchepodcast produziert, der ein nichttagesaktuelles Thema in mehreren
       Folgen behandelt. Darin geht es um den rechtsextremen Anschlag in Halle
       2019. Nun knüpft der Sender mit „Extrem rechts“ an die Thematik an. Eine
       gute Entscheidung, denn der MDR ist beim Thema Rechtsextremismus in den
       vergangenen Jahren mit [3][verharmlosender Berichterstattung] aufgefallen.
       
       Auch der [4][irritierende Umgang mit dem Kabarettisten Uwe Steimle] hat dem
       MDR nicht gerade zum Image eines verantwortungsbewussten Senders verholfen,
       der menschenverachtendes Gedankengut beim Namen nennt. Mit Blick auf die
       Konkurrenz unter den ARD-Anstalten tut der MDR gut daran, sein Angebot an
       Recherchepodcasts auszubauen. Der NDR beispielsweise produziert solche
       Formate bereits seit 2017 und hat mittlerweile knapp 20 Recherchepodcasts
       in seinem Repertoire.
       
       Dass Liebichs Einschüchterungsstrategie Früchte trägt, zeigt sich auch im
       Outro des Podcasts: Die Namen der mitwirkenden Redaktionsmitglieder werden
       aus Sicherheitsgründen nicht genannt.
       
       29 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ardaudiothek.de/sendung/extrem-rechts-der-hass-haendler-und-der-staat/12693367/
 (DIR) [2] /Prozess-wegen-rechtsextremer-Hetze/!5890058
 (DIR) [3] /Bildmanipulation-beim-MDR/!5661312
 (DIR) [4] /MDR-schmeisst-Uwe-Steimle-raus/!5647787
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luise Mosig
       
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