# taz.de -- Forschung zu Polizeigewalt: Viel Gegenwind
       
       > Die Forschung zu Polizeigewalt macht trotz neuer Studien nur langsam
       > Fortschritte. In Hamburg haben Gewerkschaften die Datenerhebung bisher
       > blockiert.
       
 (IMG) Bild: Wenn die Polizei das Maß verliert: Reizmitteleinsatz bei einer Anti-Rassismus-Demo im Juni 2020
       
       HAMBURG taz | Gleich zwei Studien zur deutschen Polizei erschienen zuletzt,
       eine weitere – Hamburg betreffend – soll nach langem Hin und Her nun 2024
       folgen.
       
       Bislang haben missbräuchlich agierende Polizist:innen wenig zu
       befürchten, zeigt die [1][Studie „Gewalt im Amt“] der Uni Frankfurt, in der
       es um Körperverletzungen und Machtmissbrauch durch Polizeibeamt:innen
       geht.
       
       Bereits im April hatten Forschende der Polizeiakademie Münster einen
       Zwischenbericht zu Einstellungen und Berufsalltag von Polizist:innen
       veröffentlicht. [2][Diese Arbeit] war bundesweit als „Rassismusstudie“
       [3][bekannt geworden], als Horst Seehofer (CSU) noch Bundesinnenminister
       war.
       
       Das Ergebnis beider Untersuchungen: Um Problemen zu begegnen, muss man
       wissen, wo sie liegen. Diese Erkenntnis setzt sich aber nur zaghaft durch.
       
       Die Forschenden aus Frankfurt/Main befragten für ihre Studie rund 3.300
       Betroffene von [4][Polizeigewalt]. Das Ergebnis: Fälle von Amtsmissbrauch
       werden selten angezeigt. Erfolgt eine Anzeige, so kommt es in zwei Prozent
       der Fälle zu einer Anklage. Über 90 Prozent der Verfahren werden
       eingestellt.
       
       Die Polizeihochschule Münster schickte Fragebögen an die Bundespolizei, das
       Bundeskriminalamt und 14 Landespolizeien – Hamburg und Baden-Württemberg
       ließen sich nicht befragen. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft
       Hamburg kritisierte, die Studie impliziere, dass es ein Rassismusproblem in
       der Hamburger Polizei gäbe, was nicht der Fall sei. Doch wie lässt sich das
       beweisen, ohne Forschung?
       
       Noch bevor das Bundesinnenministerium die Münsteraner Studie zu
       „Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“
       (Megavo) anordnete, war in Hamburg ein weiteres Forschungsprojekt in
       Planung: „Demokratiebezogene Einstellungen und Werthaltungen innerhalb der
       Polizei Hamburg“ heißt [5][das Vorhaben] (DeWePol). Doch die Studie
       scheiterte zunächst am Widerspruch der Polizeigewerkschaften.
       
       Bei einer Podiumsdiskussion des Vereins „Polizei Grün“ in Hamburg ging es
       jüngst gerade darum. Der Verein sieht sich als „parteinahes, jedoch
       unabhängiges Expertennetzwerk“ für Innenpolitik. Vor Ort waren
       Fachpublikum, Polizist:innen und interessierte Bürger:innen. Auf dem
       Podium diskutierten Sina Imhof, innenpolitische Sprecherin der Hamburger
       Grünen mit Nadja Maurer, Forscherin an der Forschungsstelle für
       strategische Polizeiforschung in Hamburg, sowie Ulf Bettermann-Jennes,
       Leiter der Beschwerdestelle der Hamburger Polizei und Jan Reinecke,
       Vorsitzender des Bund deutscher Kriminalbeamter in Hamburg.
       
       Reinecke hatte die „DeWePol“ 2021 gemeinsam mit den Vorsitzenden zweier
       anderer Polizeigewerkschaften gestoppt. Es habe große Vorbehalte beim
       Datenschutz gegeben, sagt er. Die Fragen der Forschenden hätten
       Rückschlüsse auf die Identitäten der Beamt:innen erlaubt, kritisiert
       Reinecke.
       
       Die Sozialanthropologin Maurer betont indes auf der Bühne, wie zentral
       Strukturdaten für die Forschung seien. Also Daten wie Alter, Geschlecht,
       Dienstgrad und Dienststelle. Bettermann-Jennes pflichtet ihr bei. Seitdem
       er die [6][Beschwerdestelle der Polizei] übernommen hat, erhebe man
       deutlich mehr Daten, wenn es um Beschwerden gegen Beamt:innen geht.
       Immerhin 60 Strafanzeigen hätte man so im vergangenen Jahr gegen
       Kolleg:innen stellen können.
       
       Auch Reinecke betont, wie wichtig ihm empirische Forschung sei. Die neue
       Studie zur Polizei in Hamburg werde besser als jene, die im Auftrag des
       Bundesinnenministeriums entsteht, glaubt er heute.
       
       ## Angst vor Konsequenzen
       
       Noch vor zwei Jahren klang das anders, kurz vor Weihnachten kam das Nein
       der Gewerkschafter zur Hamburger DeWePol-Studie: Fragen zur
       „Religionszugehörigkeit und politischen Orientierung“ verletzten das Recht
       zur informationellen Selbstbestimmung der Beamt:innen, hieß es damals.
       Dabei sollte es doch genau darum gehen: die politische Einstellung der
       Hamburger Polizist:innen. Bereits 2019 liefen die Vorbereitungen zur
       Studie, also noch vor dem Beginn der bundesweiten Studie.
       
       Auch der Hamburger Senat hatte das Projekt damals unterstützt. Aus einer
       Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass die
       Teilnahme an der Hamburger Studie gegenüber der bundesweiten „priorisiert“
       werde. Dem stellte sich der Personalrat der Polizei in letzter Minute
       entgegen. Grünen-Politikerin Imhof sagt: „Die Angst ist, dass für bestimmte
       Personen Konsequenzen folgen.“ Dabei müsse die Polizei erkennen, dass sie
       von Forschungsergebnissen profitiere.
       
       Mittlerweile hat man sich scheinbar geeinigt. Die Leiterin des
       DeWePol-Projektes teilt mit, dass der Personalrat der Polizei im April
       einem Fragebogen zugestimmt habe. Die Befragungen sollen 2024 starten. Die
       Finanzierung ist bis 2024 gesichert.
       
       11 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://kviapol.uni-frankfurt.de/
 (DIR) [2] https://www.polizeistudie.de/
 (DIR) [3] /Rassismus-bei-der-Polizei/!5719908
 (DIR) [4] /Polizeigewalt/!t5708537
 (DIR) [5] https://akademie-der-polizei.hamburg.de/forschungsprojekt-dewepol-490018
 (DIR) [6] /Gruene-ueber-Beschwerdestelle-der-Polizei/!5875759
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leopold Pelizaeus
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Forschung
 (DIR) Studie
 (DIR) Polizei
 (DIR) Polizei Bremen
 (DIR) Polizeigewalt
 (DIR) Linksextremismus
 (DIR) Polizei
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Freispruch für Bremer Polizisten: „Schocktritt“ ist rechtmäßig
       
       Das Amtsgericht Bremen spricht zwei Bundespolizisten frei. Vor fünf Jahren
       haben sie im Hauptbahnhof einen Menschen ohne Fahrschein zu Boden gebracht.
       
 (DIR) Autorin über Rassismus bei der Polizei: „Eine diskrete Art der Tötung“
       
       Wenn sie einen Schwarzen Menschen sehen, greifen Polizist*innen schnell zur
       Waffe, sagt Georgiana Banita.
       
 (DIR) Kritik an Polizeieinsatz in Leipzig: „Wir kamen uns vor wie Tiere“
       
       Protest und Polizeieinsatz zum „Tag X“ in Leipzig werden im Landtag
       aufgearbeitet. Ein Betroffener berichtet von den Verhältnissen im
       Polizeikessel.
       
 (DIR) Studie zu Polizeigewalt: Weshalb Fälle ungeklärt bleiben
       
       Noch immer gibt es kaum Zahlen zur Polizeigewalt. Ein Team um den
       Kriminologen Singelnstein forschte dazu seit 2018 und legt nun einen
       Bericht vor.