# taz.de -- Kunsthändlerin der Moderne: Sie schreckte vor nichts zurück
       
       > Im Berlin der Weimarer Republik war sie die wichtigste Kunsthändlerin.
       > Eine Ausstellung in der Liebermann-Villa erinnert an Grete Ring.
       
 (IMG) Bild: Blick in die Ausstellung in der Liebermann-Villa am Wannsee
       
       In den 1920er Jahren sorgte [1][ein Fälschungsskandal in der Kunstwelt] für
       Aufsehen. Falsche Van Goghs waren von einem Otto Wacker in Umlauf gebracht
       worden. Maßgeblich beteiligt an deren Enttarnung war die Berliner
       Kunsthändlerin Grete Ring. Auf den ersten Blick hatte sie die unechten
       erkannt: Als „hilf- und gnadenlos wie Baumwollflicken auf einem
       Brokatgewand“ im Vergleich zu Originalen des Malers beschrieb sie diese.
       Die Bilder waren damals für eine Van-Gogh-Ausstellung im Kunstsalon
       Cassirer vorgesehen gewesen, wo Ring als Kunsthändlerin arbeitete.
       
       Erfahren kann man über diese Episode aus dem Leben Rings momentan in der
       ihr gewidmeten Sonderausstellung „Grete Ring. Kunsthändlerin der Moderne“
       in der Liebermann-Villa am Wannsee. Grete Ring, geboren 1887 in Berlin,
       verstorben 1952 in Zürich, war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich.
       
       Sie war eine der ersten Frauen, die in Kunstgeschichte promovierten, und zu
       ihrer Zeit in Berlin die einzige Frau, die sich im Kunsthandel behauptete,
       was auch international kaum eine andere ähnlich erfolgreich tat. Die
       Fotografin Marianne Breslauer-Feilchenfeldt charakterisierte sie einmal als
       „wirklich unwiderstehlich […] von allen bewundert, wenn auch gelegentlich
       ein wenig gefürchtet, denn sie schreckte vor niemandem und nichts zurück“.
       
       Ab Anfang der 1920er Jahre arbeitete Ring für den Kunstsalon Cassirer,
       handelte dort mit Kunst, organisierte Ausstellungen, schrieb Texte, war ab
       1924 dort gemeinsam mit Walter Feilchenfeldt Partner*in. Nach Paul
       Cassirers Freitod übernahmen die beiden den Kunstsalon, betrieben ihn
       weiter, solange das noch möglich war.
       
       Eine Nichte [2][Liebermanns] war Grete Ring auch. Thematisiert wird diese
       Verwandtschaft in der Ausstellung jedoch nur am Rande. Genug Interessantes
       gibt es schließlich über sie selbst zu erzählen. Auf dem begrenzten Raum
       [3][in der Liebermann-Villa] zeichnen die Kuratorinnen Lucy Wasensteiner
       und Viktoria Bernadette Krieger ein vielschichtiges Bild von der Person,
       der Kunsthändlerin und der Sammlerin.
       
       ## Alleinstehend, unabhängig, selbstbewusst
       
       Bekanntschaft macht man dort mit einer modernen Frau, alleinstehend,
       unabhängig, selbstbewusst und bestens vernetzt in der Kunstwelt. Man sieht
       sie, wie sie mit ihrem Königspudel posiert, Bilder von ihrem herrlichen
       Sommerhaus in Sacrow, erbaut von Walter Büning, ausgestattet mit
       geradlinigen Einbaumöbeln und einer Tischgruppe von [4][Mies van der Rohe].
       
       Auszüge aus ihrer bemerkenswerten Sammlung sind ebenfalls zu sehen – sie
       befinden sich seit Rings Tod im Besitz des Ashmolean Museum in Oxford.
       Werke großer Namen wie Caspar David Friedrich, Edgar Dégas, Auguste Renoir,
       Paul Cézanne, Adolph von Menzel. Grete Ring sammelte Papierarbeiten,
       Zeichnungen, die sie bei ihrer späteren Flucht aus Nazideutschland im
       Koffer mitnehmen konnte. Ring war Jüdin, 1938 verließ sie Deutschland, zog
       nach England und eröffnete in London die britische Dependance „Paul
       Cassirer Ltd.“. 1949 erschien dort auch ihre einzige Monografie, „A Century
       of French Painting“ über französische Malerei zwischen 1400 und 1500, noch
       heute ein Standardwerk.
       
       Kaum zu glauben ist, wie wenig bekannt Grete Ring trotz all dem ist. Ändern
       wird das die Ausstellung nun hoffentlich. Eine Förderung des Hauptstadt
       Kulturfonds ermöglichte viele Leihgaben, sogar ein kleiner Film entstand,
       für den die Orte aufgesucht wurden, in denen Ring sich während ihres Exils
       in England aufhielt, Bilder von heute, ergänzt mit Auszügen aus Rings
       Korrespondenzen. Ein lesenswerter Katalog zur Ausstellung ist ebenfalls
       erhältlich.
       
       Im ersten Raum der Ausstellung hängt ein Porträt Grete Rings, eine
       Aquarellzeichnung Oskar Kokoschkas aus dem Jahr 1923. Mit klarem Blick
       schaut die Kunsthändlerin darauf den Betrachter*innen entgegen. Wie
       eine Aufforderung kann man ihn lesen. Man sollte es sich ansehen, das Bild
       und die Ausstellung.
       
       19 Oct 2023
       
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