# taz.de -- Programm für Brennpunktschulen: Später Startschuss für Startchancen
       
       > Bund und Länder einigen sich auf ein 20-Milliarden-Paket für
       > Brennpunktschulen. Doch nicht alle Ministerien sind begeistert.
       
 (IMG) Bild: Das Startchancen-Programm soll helfen, die soziale Ungleichheit abzufedern. 4.000 Schulen bundesweit sollen profitieren
       
       BERLIN taz | Es ist vollbracht. Nach monatelangen Verhandlungen haben sich
       Bund und Länder auf die Details zum „Startchancen-Programm“ geeinigt. Die
       entsprechende Verwaltungsvereinbarung, die der Bund Ende Dezember an die
       Bildungsministerien verschickt hat, wollen die Länder am Freitag
       abschließend beraten. Nach Informationen der taz sind alle strittigen
       Punkte ausgeräumt.
       
       Im Anschluss stellen Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP)
       und Vertreter:innen der Kultusministerkonferenz (KMK) das Ergebnis
       offiziell in Berlin vor. Damit kann das zentrale Bildungsvorhaben der
       Ampelregierung wie geplant in diesem Jahr starten.
       
       Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP versprochen, 4.000 Schulen
       in „herausfordernder sozialer Lage“ über zehn Jahre finanziell und
       personell zu unterstützen. Ziel des Programms ist es, die anhaltend hohe
       soziale Ungleichheit im Land zu verringern. Nun steht fest: Für das
       Programm stellen Bund und Länder insgesamt 20 Milliarden Euro bereit. Und:
       Ein Großteil der geförderten Schulen sollen Grundschulen sein.
       
       Damit reagieren Bund und Länder auf den wachsenden Anteil von
       Schüler:innen, die die Mindeststandards im Rechnen, Lesen und Schreiben
       verfehlen. Die [1][Ergebnisse der Pisa-Studie] hätten überdeutlich gezeigt,
       dass der Handlungsdruck „noch nie so groß war wie jetzt“, sagte
       Stark-Watzinger im Dezember mit Blick auf die fehlenden Grundkompetenzen.
       Die sich schon damals abzeichnende Einigung zwischen Bund und Ländern beim
       „Startchancen-Programm“ bezeichnete sie als „Meilenstein“.
       
       ## Abkehr von Königsteiner Schlüssel
       
       Bis dahin war es allerdings ein weiter Weg. Vor allem um zwei Punkte
       [2][wurde hart verhandelt]: nach welchen Kriterien die Mittel verteilt
       werden sollen – und wie stark sich die Länder an den Kosten beteiligen.
       
       Die Einigung sieht nun vor, dass sich eine der drei Programmsäulen nach dem
       Anteil der armutsgefährdeten Minderjährigen sowie dem Anteil mit
       Migrationshintergrund richtet. Auch das Bruttoinlandsprodukt der Länder
       wird mit berücksichtigt. Es ist das erste Mal, dass die Gelder nicht rein
       nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt werden, wie sonst üblich bei
       Bund-Länder-Programmen.
       
       „Bei der Abkehr vom Königsteiner Schlüssel ist uns etwas Großes gelungen“,
       sagt die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Ria
       Schröder, der taz. Durch die Mittelvergabe nach sozialen Kriterien komme
       das Geld „genau dort an, wo es gebraucht wird“. Schröder hofft, dass sich
       das Modell durchsetzt. Bisher verteilen längst nicht alle Ministerien ihre
       Ressourcen nach sozialen Kriterien. Auch Grüne und SPD feiern die Abkehr
       vom Prinzip Gießkanne als „Meilenstein“ beziehungsweise „Durchbruch“.
       
       Beim zweiten strittigen Punkt – der Kofinanzierung – kommt der Bund den
       Ländern entgegen. Sie müssen zwar zur Milliarde des Bundes pro Jahr eine
       weitere Milliarde dazugeben. Allerdings dürfen sie sich bereits bestehende
       Bemühungen für sozial benachteiligte Schulen anrechnen lassen. Hamburg oder
       Hessen haben bereits vorgerechnet, dass sie bereits ein Vielfaches dessen
       für sozial benachteiligte Schüler:innen ausgeben, was sie nun vom Bund
       überwiesen bekommen
       
       ## Nicht nur Begeisterung
       
       „Das Startchancen-Programm ist grundsätzlich richtig“, heißt es aus dem
       CDU-geführten Hessischen Kultusministerium. Sonderlich viel werde sich
       dadurch in Hessen aber nicht ändern. Klar ist jedenfalls: Durch den
       Kompromiss, eigene Ausgaben anrechnen zu können, wird deutlich weniger
       „frisches“ Geld ins System gehen.
       
       Aus Sicht der Linkspartei ist das Startchancen-programm auch deshalb „nicht
       der große Wurf, für den sich die Ampelfraktionen ständig gegenseitig auf
       die Schultern klopfen“, wie die bildungspolitische Sprecherin Nicole Gohlke
       es formuliert. Sie fordert „wesentlich mehr Ambitionen“ vom Bund bei der
       Bildungspolitik.
       
       Markus Warnke, Geschäftsführer der Wübben Stiftung Bildung, wertet die
       Einigung überwiegend positiv. „Es stimmt, dass es idealerweise noch mehr
       Mittel für das Startchancen-Programm gegeben hätte“, sagt er zur taz.
       Wichtig sei aber auch das Signal für Schulen im Brennpunkt, dass ihre Nöte
       gesehen werden. „Das hat es in diesem Umfang bisher nicht gegeben“. Die
       Wübben Stiftung Bildung begleitet rund 250 Brennpunktschulen aus vier
       Bundesländern.
       
       Aus Warnkes Erfahrung benötigt eine Schule, die in in ein neues Programm
       aufgenommen wird, ein Jahr, um zu reflektieren, wo sie steht. Den Zeitplan
       beim „Startchancen-Programm“ nennt er deshalb ambitioniert. Im Herbst
       sollen die ersten 1.000 Schulen profitieren.
       
       2 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pisa-Schock-fuer-deutsche-Schuelerinnen/!5974146
 (DIR) [2] /Ampelplaene-fuer-Bildungsgerechtigkeit/!5895419
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Pauli
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schule
 (DIR) Bildungschancen
 (DIR) Bettina Stark-Watzinger
 (DIR) Föderalismus
 (DIR) Bildung
 (DIR) Schule
 (DIR) Grundschule
 (DIR) Schule
 (DIR) Longread
 (DIR) KMK
 (DIR) Bildung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Schülersprecher über Bildungskrise: „Wir haben fatale Zustände“
       
       Florian Fabricius von der Bundesschülerkonferenz fordert, dass die Politik
       Schüler:innen ernster nimmt. Vor allem zur psychischen Gesundheit.
       
 (DIR) Rektorin über das Startchancen-Programm: Vom Brennpunkt zum Bildungspreis
       
       Trotz vieler Probleme hat eine Rektorin in Mülheim einen guten Lernort
       geschaffen. Erhält ihre Grundschule nun Geld aus dem neuen
       Startchancen-Programm?
       
 (DIR) Einigung auf Startchancen-Programm: 20 Milliarden für die Bildung
       
       Bund und Länder einigen sich am Freitag auf ein Bildungspaket. Für das
       Vorhaben der Ampelregierung sollen 20 Milliarden Euro an Schulen fließen.
       
 (DIR) Fehlende Plätze in Kitas: Und raus bist du!
       
       In Deutschland fehlen hunderttausende Kita-Plätze, besonders für die ganz
       Kleinen. Wie gehen Betreuer:innen mit der angespannten Lage um?
       
 (DIR) SPD-Politikerin über Bildung und Kultur: „Das wühlt mich auf“
       
       Die neue KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot (SPD) beklagt fehlende
       Bildungsmilliarden. Die Schulpolitik im Saarland lobt sie hingegen.
       
 (DIR) Bildungsmisere in Deutschland: Wo bleibt der Wumms?
       
       Die Schulen könnten nach dem jüngsten Pisa-Schock wieder mal den Notstand
       beschreiben. Oder endlich ein Zeichen setzen und den Laden schließen.