# taz.de -- Neuer Kinofilm von Stephane Brizé: Die große Liebe in der Nachsaison
       
       > In „Zwischen und das Leben“ gibt es ein Wiedersehen in einem Badeort.
       > Nach zuerst langen Kamerafahrten gibt es später eine überraschende
       > Wendung.
       
 (IMG) Bild: Der Schauspieler Mathieu (Guillaume Canet) trifft seine alte Liebe Alice (Alba Rohrwacher) wieder
       
       Mathieu (Guillaume Canet) ist ein erfolgreicher Schauspieler, so berühmt,
       dass er immerzu auf Leute trifft, die sich mit ihm auf einem Selfie
       verewigen wollen. Zum Beispiel die Masseurin, er ist schon hingestreckt und
       entkleidet im Hotel an der nördlichen Küste, in dem er sich aufhält. Nicht
       zum Urlaub, sondern zur Thalassotherapie.
       
       Mathieu ist in eine Lebenskrise geraten, in der [1][Mitte des Lebens,] bei
       den Proben zu einem Theaterstück auf einer der großen Bühnen in Paris. Er
       kommt vom Film, wollte etwas Neues wagen, hat eine Panikattacke erlitten
       und die Flucht ergriffen.
       
       Nun ist er hier, im Hotel, an der Küste, außerhalb der Saison, was der
       beziehungsreiche französische Titel „Hors-saison“ bereits annonciert. Aber
       auch die Bilder führen es vor: langsame Kamerafahrt an den Häusern und
       Straßen des Badeorts entlang, wo im Moment keiner badet. Die Fenster
       verrammelt, kein Mensch zu sehen, verlassene Gegend, verlorene Seelen,
       Mathieu, zerknautscht und angegraut, schleicht durch einsame Gänge und
       entsättigte Bilder, ist noch nicht einmal dem schlichten Kaffeeautomaten
       auf dem Zimmer gewachsen.
       
       Seine Partnerin ist in Paris, eine extrem beschäftigte Fernsehperson, sie
       findet am Telefon kaum eine Minute und in der Minute keine Geduld für seine
       Probleme.
       
       Dann aber gerät unversehens eine andere Frau ins Bild: Alice [2][(Alba
       Rohrwacher).] Mit ihr war Mathieu vor langer Zeit, 15 Jahre sind es,
       zusammen; er war es, der sie damals verließ. Sie lebt in diesem abgelegenen
       Ort, hat einen Mann und eine Teenagertochter, hat von der Anwesenheit des
       berühmten Schauspielers gehört.
       
       ## Meer, Wellen, Naturgewalten
       
       Sie treffen sich, sie erzählen sich, was geschah, und beide merken, dass
       das, was sie damals verband, noch existiert. Am Strand spazieren sie als
       einsames Paar, von ganz hoch droben gottgleich blickt die Kamera auf das
       Meer, die Wellen, Naturgewalten, wie auch die Liebe.
       
       Darum nun geht es dem Film, der den Ton vom Komödiantischen in Richtung
       Drama verschiebt, der einen Abschied, der keiner ist, an den anderen fügt.
       Man verliert ein wenig den Sinn für die Zeit, wie die beiden, Mathieu und
       Alice, hier nun gestrandet in ihren angebrochenen, halb vergangenen Leben,
       hineingewurzelt in Biografien, in denen für den anderen und die andere kein
       Ort sein kann: Er als Star in Paris, sie als Mutter, die Klavierunterricht
       gibt und im Altenheim tätig ist.
       
       An dieser Stelle, mitten in der Verlorenheit einer starken, aber
       unerfüllbaren Liebe, [3][macht Stephane Brizé] (Drehbuch gemeinsam mit
       Marie Drucker) einen überraschenden und großartigen Zug. Er bringt eine
       andere Frau ins Spiel, Emmy (Emmy Boissard Paumelle), ja er übergibt ihr
       und bereitet ihr die ganz große Bühne: Sie lebt im Altenheim, berichtet aus
       ihrem Leben mit dem Mann, den sie nicht wirklich liebte, und davon, wie sie
       jetzt und hier, in der Nachsaison, spät, aber nicht zu spät, Gilberte
       (Gilberte Bellus) gefunden hat, die Frau und Liebe ihres Lebens.
       
       ## In die Sanftheit manövriert
       
       Ein Fest wird gefeiert, Alice hat es arrangiert, Mathieu ist dabei, im
       Zentrum sind die beiden eine ganze schöne Weile lang nicht, und der Film
       selbst ist davon wie beglückt, gibt sich ganz viel Zeit, sich und den
       beiden Frauen und zwei Vogelstimmenimitatoren, er ist nun zart, wo er ein
       bisschen flach war, überlässt sich ganz dem Moment.
       
       Hinterher geht es dann auch mit Alice und Mathieu noch einmal weiter, erst
       so und dann so, aber von der Sanftheit, in die er sich durch Emmy und
       Gilberte manövriert hat, kommt der ganze Film nicht mehr los.
       
       Wenn er eine Botschaft hat, dann ist es die, schlicht und wahr, den
       Augenblick zu genießen, denn er wird nicht verweilen. Für Emmy und Gilberte
       nicht und nicht für Alice und Mathieu.
       
       29 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Midlife-Crisis-als-Chance/!6001767
 (DIR) [2] /Regisseur-ueber-Historienfilm-Angelo/!5641154
 (DIR) [3] /Politische-Filme-in-Venedig/!5797036
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ekkehard Knörer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kino
 (DIR) Kinofilm
 (DIR) Liebe
 (DIR) Meer
 (DIR) Gefühle
 (DIR) Film
 (DIR) Spielfilm
 (DIR) Literatur
 (DIR) Frankreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Film von Catherine Breillat: Die Zerstörung des eigenen Lebens
       
       „Im letzten Sommer“ erzählt von der Macht der Verführung und der Lust an
       der eigenen Destruktivität. Der Film ist jetzt auf DVD erhältlich.
       
 (DIR) Stéphane Brizés Spielfilm „Streik“: Der Markt hat ein Gesicht
       
       Regisseur Stéphane Brizé zeigt im Film „Streik“ einen entfesselten
       Arbeitskampf. Sein Hauptdarsteller Vincent Lindon ist das Kraftzentrum.
       
 (DIR) Stéphane Brizés Spielfilm „Ein Leben“: Das Helle macht das Dunkle dunkler
       
       Stéphane Brizé hat Guy de Maupassants Roman „Ein Leben“ in radikaler Form
       verfilmt. Dadurch bekommt er einen ganz eigenen Rhythmus.
       
 (DIR) Sozialdrama von Stéphane Brizé: Die Regeln des Marktes
       
       Im Kinofilm „Der Wert des Menschen“ gibt Vincent Lindon mit heroischer
       Gelassenheit einen schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen.